Gerhard Roth,Uni Bremen
Er studierte Philosophie, Musikwissenschaft, Germanistik und Biologie
und promovierte in Zoologie und Philosophie.
Hat Schopenhauer recht gehabt mit der Aussage:
"Der Mensch kann zwar tun, was er will.
Er kann aber nicht wollen, was er will."
Roth: Ja. Die Arbeit von Schopenhauer ist wohl die beste, die je über den freien Willen geschrieben wurde. Der Mensch hat zwar einen Willen, aber er kann diesen Willen nicht selbst willentlich beeinflussen.
Das ist auch logisch unmöglich:
Wenn wir unseren Willen beeinflussen könnten – wodurch würde der Wille, der unseren Willen treibt, beeinflusst? Wieder durch einen Willen, einen dritten, vierten, fünften? Schon seit dem Mittelalter haben kluge Menschen dieses Problem der willentlichen Willenssteuerung erkannt.
ZEIT Campus: Gibt es überhaupt Entscheidungen, die der Mensch völlig frei trifft? A oder B, Aufstehen oder Liegenbleiben?
Roth: Unser Strafrecht beruht auf der Annahme, dass das möglich sei und der Mensch die objektive Fähigkeit habe, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, und selbst wenn jemanden alle seine Lebensmotive zur Tat trieben, gäbe es immer noch die Möglichkeit, Nein zu sagen.
Aber: Selbst dieses Neinsagen muss durch irgendetwas motiviert sein, sonst wäre es zufällig. Motivdeterminiertheit und das Gefühl der Freiheit schließen sich nicht aus: Meine Motive bilden ein so komplexes Netzwerk, dass es für mich undurchschaubar ist. Wenn kein innerer und äußerer Zwang erlebt wird und ich nicht zu viel und nicht zu wenig Auswahl habe, fühle ich mich also frei– obwohl ich determiniert bin.
https://www.zeit.de/campus/2008/02/interview-freier-wille/seite-5