Markus Gabriel plädiert für den freien Willen. Was denkt ihr?
Der „neuronale Determinismus“ resultiert aus Libets Untersuchungen. 1979 fand der Physiologe, dass freien Willenshandlungen eine spezifische elektrische Veränderung im Gehirn vorausgeht, die 550 Millisekunden vor der Handlung einsetzt. Menschliche Versuchspersonen werden sich ihrer Handlungsintention 350–400 ms nach Beginn des Bereitschaftspotenzials bewusst, aber 200 ms vor der motorischen Handlung. „Der Willensprozess wird daher unbewusst eingeleitet“, schreibt Libet. Daraus haben Hirnforscher den Schluss gezogen, dass es einen freien Willen nicht gebe, etwa Gerhard Roth und Wolf Singer. Gabriel verweist auf Libet, der selbst diesen Schluss nicht gezogen habe, sondern eine Veto-Funktion des freien Willens annahm – innerhalb eines Zeitfensters von circa 100 ms könne der bewusste Wille eine unbewusst eingeleitete Handlung verhindern. Modifikationen der Libet-Experimente haben laut Gabriel zudem gezeigt, dass Versuchspersonen nach dem Auftreten des Bereitschaftspotenzials die Wahl zwischen Bewegungen beider Hände hatten.
Handlungsfreiheit ist da
Jede Form von Determinismus ist demnach haltlos, und auch der Zufall macht laut Gabriel nicht frei. Haben wir also einen freien Willen? So einfach ist es nicht. Gabriel verweist auf ein Paradox, das schon Arthur Schopenhauer formulierte: Ich kann tun, was ich will. Ich kann aber nicht wollen, was ich will. Zwar kann auch die menschliche Handlungsfreiheit eingeschränkt sein, etwa durch Manipulation, Zwang und Krankheit, doch grundsätzlich ist sie gegeben. Besteht man aber zudem darauf, sich aussuchen zu können, was man will, gelangt man unweigerlich zum Schluss, dass der Wille nicht frei gebildet ist, denn das können wir nicht: uns aussuchen, was wir wollen. Der Ausweg: Sich einen Willen bilden, ist eine Handlung. Und an irgendeiner Stelle müsse man annehmen, dass man etwas „einfach nur so will“. Damit ist der Wille allerdings nicht ganz frei, sondern vollzieht sich „kontingent“, innerhalb von Grenzen und „abgesteckten Handlungsspielräumen“. Gabriel sieht den freien Willen als Teil des Geistes, dessen „Austreibung aus den Geisteswissenschaften“ (zum Beispiel Friedrich Kittler, Jacques Derrida) er ablehnt. „Geist“ definiert er als „Antwort auf die Frage, was uns vom Nichtlebendigen und vom Tier unterscheidet“. Was folgt aus diesen Überlegungen für die Ethik? Gabriel plädiert für „Nachsicht, Großzügigkeit, Gunst und das Recht auf Willensschwäche“, doch ebenso für die Anwendung der „Urteilskraft“. Und die komme gelegentlich zu dem Schluss, jemanden einen „Schweinehund“ nennen.
7 Antworten
Was denkt ihr?
So ähnlich - nur die Aufwertung des Schopenhauer-Zitates lehne ich ab.
Ich kann sehr wohl wollen was ich will - ich will z.Bsp. einen guten Willen haben.
Der Freie Wille ist durch naturwissenschaftliche Experimente bewiesen, also liegt dieser Herr Gabriel richtig. Jede weitere Diskussion ist obsolet.
Ich finde das alles durchaus vernünftig.
Der "freie Wille" bedeutet in meiner Auffassung auch nicht, dass es keine triebbedingten Willensäußerungen gibt (die gibt es: wer Durst hat, "muss" etwas zu trinken haben wollen, das kann er sich nicht aussuchen). Aber wir können auch etwas wollen, was deutlich subtiler und komplexer ist (als nur ein Glas Wasser zu wollen), und was nicht triebgesteuert ist.
Schopenhauer hat schon recht, aber nur bis zu einem gewissen Grade. Würde man den gesamten Willen als blind und unausweichlich ansehen, würde man diese Unterschiede der verschiedenen Arten der Willensäußerung ignorieren.
Ein Stein "will" gar nichts, der reagiert nur auf die physikalischen Gegebenheiten. Und wir "wollen" zumindest etwas (ob das dann klappt, steht auf einem anderen Blatt). Natürlich sind auch wir Gegebenheiten unterworfen. Dennoch können wir dies oder jenes wollen.
Nun sagen manche: naja, aber du weißt ja gar nicht, ob du (vor 5 min) wirklich anders hättest entscheiden können. Stimmt. Aber auch das Gegenteil ist nicht beweisbar, weil weder das eine noch das andere entscheidbar ist (weil es in der Vergangenheit liegt). Vielleicht hätte ich ja doch anders entscheiden können.
Zumindest kann man diese Möglichkeit nicht ganz ausschließen.
"Gabriel plädiert für „Nachsicht, Großzügigkeit, Gunst und das Recht auf Willensschwäche“, doch ebenso für die Anwendung der „Urteilskraft“. "
Kann ich nachvollziehen.
Als Christ plädiere ich auch für den freien Wille.
Denn darum geht es vor allem: um unsere persönliche, freie Entscheidung für oder gegen Gott...
Inder Klarheit/Erleuchtung und im Freien Willen ist der Mensch erst, wenn er im reinsten Verstand ist.
Vorher ist er konditioniert, bequem, mit Ängsten, Mitläufer, im Rudel stark. All das, was dem EgoVerstand einfällt, aus Gier, Vorteile zu bekommen, Fehler nicht zuzugeben, Nie um Entschuldigung zu bitten. _ Der EgoVerstand sorgt Nocebo urteilen für Krankheitssymptome (psychosomatisch), was auch Geld bringt.
Konsumerziehung der Gesellschaft. Dummhalten zum ausnutzen. Geld muss in die Wirtschaft.
Das reinste Bewusstsein ist der Beobachter im Gewahrsein, der nicht urteilt.
Das Lernen und wachsen des Menschen.




Genau über dieses Argument hat sich Schopenhauer in seiner Abhandlung "Über die Freiheit des menschlichen Willens" lustig gemacht. Die Argumente scheinen sich in den letzten 200 Jahren nicht verändert zu haben.