Spätestens mit dem Ende des 20. Jahrhunderts sind die großen Ideologien, aber auch die allermeisten Utopien von der großen gesellschaftlichen Bühne verschwunden. Ebenso ist man sich nahezu parteiübergreifend über die Wichtigkeit von Realpolitik und Pragmatismus weitreichend einig, was sich ebenfalls nicht zuletzt auch darin ausdrückt, dass keine der großen Parteien tatsächlich weiterreichende, durchdachte und konkrete Pläne für die Gestaltung der Zukunft vorlegen will und kann.
Allenfalls ist davon zu lesen, dass man dieses im kleinen Rahmen reformieren will oder jener Entwicklung entgegenwirken möchte, bevor die Lage allzu ernst und problematisch wird. Ab und an möchte man auch etwas wieder auf den Stand von vor 15 Jahren bringen (z.B. unser Gleisnetz oder die Anzahl der Sozialwohnungen).
Selbst beim großen Thema Klimawandel ist der breite Konsens in der deutschen politischen Landschaft möglichst alles dabei zu belassen wie es gerade ist und die Wirtschaft einfach zu decarbonisieren; sie also "grün" zu machen und dann wieder zur Tagesordnung überzugehen, oder gar diese überhaupt nicht zu verlassen.
Doch sind wir wirklich schon am Ende unserer gesellschaftlich-zivilisatorischen Entwicklung angelangt, sodass jetzt nur noch kleine Kurskorrekturen von nöten sind? Werden wir die immer neuen Herausforderungen unserer Zukunft mit einer derartigen Haltung überhaupt meistern können, oder brauchen wir womöglich eine oder gar mehrere neue gesellschaftliche Utopien?
Als neue gesellschaftliche Erzählungen davon, wie unsere Welt sein könnte und sein sollte, um die Annäherung an diese Utopien gemeinsam anzustreben und unsere heutige Politik anahnd dessen, wie mit einem Kompass danach auszurichten, wo wir gemeinsam hinwollen, statt vor allem danach wo wir nicht hinwollen?
Oder hatte Heltmut Schmidt mit seinem bekannten Auspruch "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen" womöglich doch recht und Utopien sind etwas, das nicht mehr in unsere heutige Zeit passt?