War meine Liebe zu einem schwerkranken Freund echt – oder nur durch seine Krankheit geprägt?
Ich habe vor einigen Jahren in einem Pflegeheim gearbeitet und dort einen Menschen kennengelernt, der an einer fortschreitenden unheilbaren Krankheit litt. Wir haben uns sofort sehr gut verstanden, und im Laufe der Zeit entstand zwischen uns eine tiefe emotionale Bindung.
Er war körperlich stark eingeschränkt, aber geistig völlig klar: Er konnte Zusammenhänge verstehen, Erinnerungen aus der Vergangenheit abrufen, fachlich über seine frühere Arbeit sprechen und sogar Lügen durchschauen. Er hat mir oft von sich aus gesagt, dass er mich liebt – nicht nur, wenn ich es provoziert habe.
Trotzdem quält mich bis heute die Frage:
War meine Liebe zu ihm echt – also zu seiner Persönlichkeit – oder habe ich mich unbewusst nur in das durch die Krankheit „weichere“ und verletzlichere Bild verliebt?
Die Frage beschäftigt mich besonders, weil ich manchmal denke: Wenn er gesund gewesen wäre, wäre er vielleicht ein ganz anderer Mensch gewesen und hätte mich gar nicht beachtet. Andererseits habe ich ihn als klar denkend und bewusst erlebt, nicht als jemanden, der nur „krankheitsbedingt anders“ war.
Mich interessiert: Wie kann man psychologisch unterscheiden, ob man einen Menschen wirklich liebt – oder nur die „Version“, die man in einer bestimmten Lebenslage kennengelernt hat?