Liebes Gutefrage-Team,
Ich habe vor langer Zeit mal ein Angebot bekommen, mich in Richtung Projektmanagement zu entwickeln.
Ein bisschen habe ich jetzt damit angefangen, aber ich kann einfach nicht loslassen und andere meinen Job machen lassen.
Mein Chef denkt immer, ich hätte das Helfersyndrom und fordert mich auf, endlich Grenzen zu setzen.
Aber das stimmt ganz und gar nicht - meine Motivation, Aufgaben nicht abzugeben gründet ausschließlich in der Furcht, dass mich meine potenziellen Untergebenen ausbooten könnten.
Wir haben ein sehr eng vernetztes Team, dass schon den ein oder anderen Manager zur Kapitulation gebracht hat, wenn er nicht überzeugend war.
Wenn ich nun aus dem Team herauswachse und mich ihnen in einer gewissen Weise überstelle, könnte es passieren, dass sie im Falle eines Konflikts gegen mich schießen.
Unsere Leitung ist zwar relativ kooperativ, allerdings kann es sein, dass es in einem ständigen hin und her ihnen irgendwann zu bunt wird und sie mich fallen lassen.
Wenn ich nun meine Expertenfunktion, die ich nun mal innehabe, verlasse und anderen den Weg frei mache, zu glänzen, kann es sein, dass meine Rolle als Projektmanager nun nicht mehr ganz so im Fokus steht.
Gerne werden mal in Meetings Hierarchien übersehen und der einzelne Mitarbeiter gelobt (was ja auch gut ist).
Aber wenn ich dann die Projektmanagerrolle innehabe, kann es passieren, dass ich plötzlich übergangen werde. Nur wenn es dann schlecht läuft und ein Schuldiger gesucht wird, würde man mich zur Rechenschaft ziehen.
Und wenn ich mich dann so weit von der Expertenrolle entfernt habe, dass ich fachlich gar nicht mehr so richtig reinpasse würde es eng für mich. Es würde sicher ein paar Gehaltsstufen höher gehen, aber für die Unsicherheit, die dann drohte, würde ich ungern einen Expertenposten opfern.
Wie seht ihr es? Sind meine Bedenken unangebracht?
Leider bin ich durch meine Erfahrungen im Team ein gebranntes Kind und möchte ungern so fallen gelassen werden, wie es vorigen Managern einst erging, auch wenn es schon etwas her ist.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich schon so lange dabei bin und sich die Rollen festgefahren haben. Es ist nun mal aktuell eine sehr komfortable Situation, da wir seit Jahren eingespielt sind und es einfach läuft.
Seit der Coronazeit und ein paar gesundheitlichen und familiären Themen bin ich inzwischen nicht mehr so risikobereit und kommunikationsstark, wie ich es damals war, als mit die Option Projektmanagement angeboten wurde. Durchsetzungsstark war ich noch nie sehr, dass müsste ich zusätzlich noch entwickeln. Es beißt sich aber sicherlich auch mit der Problem, Aufgaben nicht abgeben zu können.
Zudem ist mein ursprünglicher Mentor, der mich in die Position heben wollte, leider vor Jahren gefeuert worden und sein damaliger Untergebener, welcher damals ebenfalls in der Schuld meines Mentors stand, hatte mich aus Goodwill weiter gefördert und versucht seit je her, vor dem neuen Vorgesetzen ein gutes Bild von mir abzugeben, was aber nicht ganz gelingt, da dieser ein waschechter Technokrat ist und von Goodwill nicht viel hält (er will Ergebniss sehen).
Als finalen Punkt sei noch zu erwähnen, dass ich in einem lokal relativ verwurzelten Unternehmen in einer strukturschwachen Region arbeite, dh ein Scheitern wäre dann auch wohlmöglich mit einem Umzug verbunden und würde mich neben den Emotionen auch finanziell belasten, da ich mit einem Gehalt lebe, das für den strukturschwachen Raum ausreichend ist, aber ich in den Ballungsräumen nicht leicht über die Runden kommen würde.
LG Horst