Kennt ihr das? Ihr schaut euch um, seht all die Zufälle, die immer wieder dieselben Menschen treffen – und fragt euch: Wie kann das sein? Gibt es wirklich so viele Zufälle, oder gibt es Menschen, die regelrecht vom Pech verfolgt sind? Ich bin jemand, der viel über sich und seine Beziehungen nachdenkt. Mir ist bewusst, dass ich Eigenschaften habe, die manche als kompliziert oder anstrengend empfinden. Aber auf der anderen Seite bringe ich genau die Eigenschaften mit, nach denen ich mich mein Leben lang bei anderen Menschen gesehnt habe. Nur... jedes Mal wurde ich enttäuscht. Als Kind wünschte ich mir immer einen Vater, der wirklich für mich da ist, jemanden, der mir Aufmerksamkeit schenkt und mir wirklich zuhört. Ich stellte mir jemanden vor, der fragt, was mir wichtig ist, der mir hilft, meine Ziele zu erreichen. Aber mein Vater? Stattdessen gab er wirklich jede Verantwortung ab, selbst für die kleinsten Dinge. Wollte ich als Kind zelten, kaufte meine Mutter mir zwar ein Zelt, doch statt dass mein Vater es mit mir aufbaute, riefen sie einen Nachbarn, der das für uns erledigte. Selbst im Urlaub, wenn der Kofferraum beladen werden musste, wurde jemand aus der Nachbarschaft eingespannt, weil mein Vater sich einfach nicht die Zeit dafür nahm. Er hat immer ein wohlhabendes Leben geführt und gab mir damit lange das Gefühl, dass ich mir zumindest finanziell keine Sorgen machen müsse, wenn er schon so wenig Zeit für mich hatte. Doch trotz seiner Intelligenz und seines hohen Einkommens traf er aus heutiger Sicht einige unverständliche finanzielle Entscheidungen, die mich nachdenklich stimmen. Zum Beispiel riet er mir nie, das eigene Geld sinnvoll anzulegen, damit es nicht von der Inflation entwertet wird, obwohl er selbst längst die Mittel und das Wissen hatte. Er ist Vermieter, aber seit fast 30 Jahren hat er die Mieten für seine Objekte nicht erhöht. Es ist, als wäre er nicht fähig gewesen, verantwortungsvoll mit den Ressourcen umzugehen – oder als wollte er absichtlich die Chance verpassen, unser Leben später auch finanziell abzusichern. Er und meine Mutter betreiben außerdem einen riesigen Kult um den Friedhof. Manchmal habe ich das Gefühl, er erwartet fast, dass ich mich später einmal um alles dort kümmere, dass ich vor seiner Gruft stehe und an „die gute alte Zeit“ zurückdenke, in der er uns noch finanziell „gut versorgt“ hat – während ich gleichzeitig weiß, dass die Verantwortung, uns selbst später zu begraben, ebenfalls bei uns liegt und dass dafür finanziell nichts zurückgelegt ist. Es fühlt sich manchmal an, als wäre es ihm recht, wenn es uns später finanziell nicht gut ginge – damit wir gezwungen sind, uns mehr um sein Vermächtnis zu kümmern und uns zu erinnern. Es ist schwer zu glauben, dass er tatsächlich nie an uns gedacht haben soll, und manchmal ertrage ich den Gedanken kaum, wie gut es uns zumindest finanziell hätte gehen können, hätte er wenigstens in diesem Bereich verantwortungsvolle Entscheidungen für die Familie getroffen, wenn er schon emotional kaum präsent war. Heute habe ich selbst einen Sohn, und ich hoffe so sehr, dass ich ihm all das geben kann, was ich mir früher gewünscht habe. Ich gehe mit ihm zelten, trage ihn kilometerweit im Regen, wenn es sein muss, erfülle ihm seine Wünsche – ganz gleich, wie ungewöhnlich sie sein mögen. Auch wenn mein Vater das nicht verstehen kann, wenn er meint, das sei „nichts für Jungs“ – das spielt für mich keine Rolle. Neben meinem Sohn habe ich mir auch immer diese eine Freundschaft gewünscht, die von Vertrauen und Verbundenheit geprägt ist. Im Frühsommer 2014 lernte ich SIE kennen, und obwohl der Kontakt abriss, als ich Vater wurde, denke ich oft an sie. Ich schreibe ihr noch immer jedes Jahr zum Geburtstag. Jedes Mal verfasse ich liebevolle Worte, in die ich all das packe, was sie mir bedeutet – Worte, die sie wissen lassen sollen, dass sie noch immer einen Platz in meinem Herzen hat, auch nach all der Zeit. Und jedes Jahr, wenn ich meine Zeilen lese, kommen mir die Tränen. Es ist dieser tiefe Wunsch, nur einmal dieselben Worte von ihr zu lesen, nur einmal das Gefühl zu bekommen, dass es ihr ebenso geht wie mir. Das Schlimmste aber ist dieses Gefühl, immer wieder enttäuscht und allein gelassen zu werden. Mein Vater war immer vor allem auf sich selbst fokussiert, und trotzdem steht er heute im Leben als angesehener Mann mit einem starken Netzwerk und dem Ansehen, das er meiner Meinung nach nicht verdient. Ich frage mich: Warum haben solche Menschen so viel Glück? Warum sagt ihnen niemand, was für riesige Egoisten sie eigentlich sind? Selbst meine Mutter, die er damals mit leeren Versprechungen über ein gemeinsames Hobby ins Eheglück lockte, musste ein Leben lang hintenanstehen, weil er für sich selbst immer Zeit fand – für andere aber kaum. Ich hingegen erinnere mich an jedes Detail, an jede Kleinigkeit, die ich mit meinem Sohn erlebt habe. Mein Vater? Für ihn sind das alles unwichtige, vergessene Episoden.