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Will mal mit den Türken etwas besprechen

Meine persönliche Entwicklung zwischen Kulturen

Ich bin ein in Deutschland geborener Türke – und meine Einstellung zu Herkunft und Identität ist wahrscheinlich eher ungewöhnlich.

Ich bin zweisprachig mit Türkisch und Deutsch aufgewachsen. Bis etwa 13 oder 14 habe ich beide Sprachen gemischt gesprochen. In der Pubertät wurde mir das aber zunehmend peinlich, und ich bin dann komplett auf Deutsch umgestiegen. Irgendwann habe ich sogar eine gewisse Abneigung gegenüber meiner türkischen Herkunft entwickelt. Es wurde mir einfach unwichtig, dass ich ein Türke bin.

Seit etwa 4–5 Jahren spreche ich kein Wort Türkisch mehr. Ich habe keinen Bezug mehr zur Sprache oder zur Kultur, kein Stolz, kein gar nichts. Optisch sehe ich nicht typisch türkisch aus, und auch mein Verhalten und meine Art zu sprechen sind eher deutsch und gut integriert.

Ich wollte immer ein cooler britischer Musiker sein, habe diese Szene sehr bewundert – aber ich konnte nie wirklich verbinden, „ein Türke“ zu sein und gleichzeitig diese andere Identität zu leben. Das war einfach ein Widerspruch für mich.

Heute bin ich 18 Jahre alt. Immerhin: Meine türkischen Freunde sehen mich trotz allem noch als Türken – abgesehen davon, dass ich die Sprache nicht mehr spreche.

Jetzt kommt der eigentliche Punkt:

Vor drei Wochen habe ich über Instagram ein türkisches Mädchen kennengelernt – sie sieht super aus und ist wirklich sympathisch. Sie findet es nicht schlimm, wie ich mich in den letzten Jahren entwickelt habe, wünscht sich aber, dass ich wieder Türkisch richtig lerne. Mein Türkisch ist zwar grundsätzlich verständlich, aber mir fehlen viele Verben, Redewendungen – mir fällt vieles einfach nicht mehr ein.

Und ganz nebenbei: Das „r“ kann ich gar nicht rollen.

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Ist das ein Kompliment oder beleidigend?

Ich sagte über jemanden, er ist vom Äußeren her ein Afghane, aber im Inneren ein Deutscher. Dafür habe ich von einer Kommilitonin sehr viel Kritik geerntet. Sie nannte mich rassistisch und meinte, dass das kein Kompliment wäre.

Der Grund: Er ist gut integriert, spricht Deutsch wie seine Muttersprache, wahrscheinlich, weil er hier geboren ist, ist ein guter, junger Mann, würde niemals eine Frau vergewaltigen, Körperverletzung begehen oder gar einen Menschen ermorden. Er ist super lieb, nett, hilfsbereit, anständig, fleißig und man kann sich nicht mal vorstellen, dass er mal schreit. Er ist auch nicht religiös, kein bisschen. Wobei ich gegen christlich religiös nichts hätte.

Für jemanden wie ihn sehr untypisch, wenn man sich anschaut, was seine Landsleute hier so gemacht haben. Deshalb sagte ich, vom äußeren her mag er ein Afghane sein, aber nicht im Inneren, er gehört zu den wenigen, die die deutsche Kultur angenommen haben. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das muss eine sehr seltene Ausnahme sein.

Warum wird man kritisiert, wenn man einem Individuum ein Kompliment macht?

Es gibt ganz selten Menschen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, etc. die nicht so sind, wie man es sich vielleicht vorstellen würde. Z.B. gibt es Afrikaner oder Nahostler, die sich für die AfD und damit für Deutschland stark machen würden und für mich sind solche Menschen viel besser als Linke, die sich für Masseneinwanderung einsetzen.

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Nationalstolz? Kultur bewahren? Nationales Denken?

Ich würde Nationalstolz gerne verstehen. Ich bin m16 und verstehe es (noch?) nicht, wenn Menschen Stolz auf ihr Land oder ihre Nationalität sind.

Für mich klingt das immer wie eine Mischung aus Patriotismus und Nationalismus. Ist das auch so?

Ich persönlich bin deutscher Staatsbürger ohne migrationshintergrund und gehöre keiner (nennenswerten) sozialen Minderheit an, also würde ich mich auch als privilegiert bezeichnen.

Ich verstehe nur nicht, warum Leute stolz darauf sind, hier geboren zu werden und hier aufzuwachen. Man kann da ja nichts dafür. Dazu würde ich gerne nationales Denken verstehen können.

Mein Land zu unterstützen (bspw bei einer WM, aber auch globalpolitsch), nur weil ich da geboren wurde und da mein Leben verbracht habe ergibt für mich echt wenig Sinn.

Grenzen sind ausgedachte Linien, aus denen zwar Abgrenzungen in Bräuchen und Traditionen entstanden sind, aber sie trennen Landfläche immer noch in selbst ausgesuchte/vereinbarte/erkämpfte etc. Gebiete ein.

Darüber hinaus verstehe ich es nicht, wenn Leute sagen, dass wir die deutsche Kultur schützen müssen. Entstand Kultur nicht vor allem aus alten sozioökonomischen Gründen und hat sich immer wieder, Teil für Teil angepasst?

Bitte helft mir.

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