Was ist mit den Linken los?
Heutige LInke und linke Parteien sind zahm und haben sich dem aktuellem Zeitgeist verschrieben. Sei es auf kultureller, gesellschaftlicher Ebene oder und das entscheidende: die Wirtschaft. Dabei war die Herrschafts- und Systemkritik stets eine linke Sache.
Ja, sie kritisieren das System auf einer oberflächlichen Ebene, aber dies tun selbst Rechte und rechte Parteien und die Wirtschaftselite, die sich in Davos trifft, sind ebenfalls nicht mehr vom Kapitalismus überzeugt und bringen deshalb einige Reformen ein, die auf vermeintliche Nachhaltigkeit etc setzt. Siehe Agenda 2030
Sprich ,bereits die Techno-Feudalisten und sonstige mächtige Player in der (Finanz-)Wirtschaft sind bereits progressistisch eingestellt und wollen im ihrem Interesse z.B sich auf den Klimawandel einstellen und die Staaten sind Lakaien dieser ungreifbaren Autorität geworden, bzw können nur dem ganzen wenig entgegensetzen.
Die hier im Forum anwesenden Grünen und Sozis sind ebenfalls eher ziemlich Status Quo unterwegs und verteidigen nicht nur den Status Quo sondern auch die Auswüchse des kapitalistischem System, welches auf Wachstum etc setzt. Siehe Thematik "grünes Wachstum" oder HIER.
Oft ist es sogar so, dass wenn man die Finanz-, oder Bankenlobby thematisiert, die Antisemitismuskeule hervorkommt. Ironischerweise besetzt dieses Thema WEF nur die Rechte, wo es dann tatsächlich antisemitisch aufgeladen ist. Die einzige mir bekannte liberale oder linke Person, die da das WEF ins Visier nimmt, ist Marlene Engelhorn.
Viel eher versteifen sich Linke auf abgehobene, akademische und kulturalistische Themen, wo sie sogar Auflösungssymptome als Fortschritt versucht umzudeuten oder einen naiven Fortschrittsoptimismus an den Tag legen.
Hinzu könnte man noch deren Nahost-Haltung thematisieren, die eher wie ein Verzweifelungsversuch ausschaut, wo auch hier eine weitere Thematik und zwar des Islamismus reinkommt, dass viele Linke vielleicht gar aus diesem Grund, den Islamismus relativiert. Siehe den politikwissenschaftlichen Begriff der Islam-Linken.
Was sagt ihr dazu:
Was (zur Hölle) ist mit den Linken los?
Als neutraler Beobachter finde ich es merkwürdig, dass Gesellschaften keine starke Linke, sei es dahingestellt, wie legitim diese Punkte im Einzelnem seien, haben.
10 Antworten
Ich bin wohl am ehesten Sozialistin oder Kommunistin, und ich stimme dir zu. Leider trauen sich viele Genossen nicht, sich zu organisieren und Sozialismus wird strukturell verteufelt.
Parteien wie die Linke sind reformistisch und DKP, KPD, KP und MLPD haben kaum genug Einfluss (und sind zum Teil auch reformistisch).
Zudem ist die ganze Szene sehr aufgespalten und jede Untergruppierung hasst einander. Ich habe bei zwei Gruppen vorbeigeschaut, einer Jugendorganisation von einer der Parteien und in einer kleineren Gruppe, und habe dabei gemerkt, dass die sich alle untereinander wegen Kleinigkeiten hassen.
Und es mangelt an Klassenbewusstsein. Solange das Proletariat gegeneinander aufgestachelt wird, kann sich weder Klassenbewusstsein, noch eine Arbeiterfront bilden…
Da geb ich dir zum Teil Recht. In den „bürgerlich“-linken Verbänden, also den reformistisch-sozialistischen („Demokratische Sozialisten“) und sozialdemokratischen ist das sicher der Fall. Das trifft natürlich auch auf die PdL und die Jugendorganisation der SPD zu, da sie meines Erachtens nach viele Standpunkte haben, die sich an eher privilegierte Arbeitnehmer (Arbeiteraristokratie) richten.
Meiner Erfahrung nach sind die extremistischeren Organisationen, also die Marxistisch-Leninistischen Gruppierungen, die tatsächlich eine Revolution anstreben, wesentlich proletarischer und man trifft dort hauptsächlich Auszubildende und Akademiker erster Generation.
Ich denke, dass das Problem der PdL nicht die Wirtschaftspolitik ist, sondern die sozial-gesellschaftliche Entwicklung, also dass sie in Richtung Klimaschutz, „Wokeismus“, etc. Punkte vertreten, mit denen sich viele aus der Unterschicht nicht identifizieren können, weil sie schlichtweg andere Probleme als Gendern und Klimaschutz haben. Das ist natürlich schade, aber auch nachvollziehbar.
Das sind dann die Leute, die von der Linken zur AfD sind und jetzt „zurück“ nach links, zum BSW wechseln. Besser als die AfD auf jeden Fall…
Jedenfalls ist das meine Beobachtung:)
Ich bin aktives Mitglied der Partei DIE LINKE.
Die Frage ist halt: Wie stellt man sich die politische Linke vor?
Es gibt beispielsweise in Berlin-Neukölln einen Bezirksverband, der nach wie vor die uralte Klassenkampf-Rhetorik nutzt, von Revolution spricht und sich ein wenig anhört, wie ein Ableger von DKP oder MLPD.
Es mag ja nett sein, Marx, Engels, Lenin, Liebknecht und Luxemburg als Maß aller Dinge anzusehen - aber es ist doch stark zu bezweifeln, ob da in unserer Gesellschaft tatsächlich realpolitisch brauchbare Ansätze bei herauskommen.
Mit diesem Klassenkampf-Revolutions-Blabla ist meiner Meinung nach heute kein Mensch mehr abzuholen, der auf eine Regierungsbeteiligung jener Partei hofft. der er seine Sympathie und idealerweise auch Stimme schenkt.
Dennoch unterwandern nach wie vor trotzkistische Gruppen verschiedene linke Strukturen, um diese aufzubrechen und in Trotzkis Gedanken der "permanenten Revolution" aufzustacheln. Zwar wirklichkeitsfremd aber leider teilweise sehr destruktiv.
Alternative
Ich selbst gehöre zum "Netzwerk Progressive Linke".
Kritiker werfen uns häufig vor, so etwas wie eine "linke SPD" zu sein - aber auch wenn ich diese Zuschreibung nicht mag - was wäre so schlimm daran, wenn dabei eine demokratische Partei mit einer vernünftigen Sozialpolitik und einer Verbesserung der Gesellschaft bei herauskommt?
Nahost
Beim Thema Nahost-Konflikt gibt es vor allem einen Konflikt zwischen progressiven Linken und den so genannten "anti-imperialistischen" Linken.
Letztere sehen im Staat Israel das Ergebnis eines westlichen kolonialen Siedlerprojekts, das eine Besatzung durchführt und sind erklärt anti-zionistisch.
Gerade bei den Anti-Imps stößt man mit einer israelsolidarischen Haltung an vielen Stellen nicht unbedingt auf Gegenliebe
Fakt ist, dass der Marxismus intellektuell und moralisch gescheitert ist insofern ist es richtig, dass "man" sich davon abwendet.
Klassenkampf hat indes auch einen Kitsch. Der zurecht relativiert gehörte. Und ich bin auch schwerlich ein Linker, aber man kann dennoch klassenpolitische Interessen ausformulieren.
Wie sagte Warren Buffet eins:
„Es herrscht Klassenkrieg, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“.
Auch Georg Schramm sprach von klassenkämpferischen Positionen. Ein kluger Mann. Insofern mag zwar Klassenkampf kitsch sein, aber es ist in allen Fällen besser als Identitätspolitik oder diese pseudoliberale Haltung, die Linke einnehmen.
Vermutlich wäre eine Degroth Linke interessant, und der Weg, eine Systemkritik wiederaufleben zu lassen, die nicht den Produktivismus des Kommunismus und Sozialismus innehat.
Zur Nahost-Thematik müsstest du wissen, dass eine anti-zionistische Haltung eigentlich immer eine israelbezogen antisemitische, findest du nicht?
aber es ist in allen Fällen besser als Identitätspolitik
Mir persönlich ist es völlig schnurz, wer auf welche Toilette geht, so lange sie im Anschluss sauber ist und Toilettenpapier reicht.
Wenn ein zwei Meter hoher und zwei Meter breiter muskulöser Mensch mit Rauschebart und Penis mich bittet: "Sag Sonja zu mir" - dann habe ich damit null Probleme.
Wenn aber daraus ein Politikum gemacht wird und man meint, es gäbe jetzt keine wichtigeren gesellschaftlichen Probleme als die Wahl von Pronomen und Toiletten, dann läuft da etwas meiner Meinung nach schief.
Vermutlich wäre eine Degroth Linke interessant,
Ich war auf einem Vortrag des japanischen Autors Kohei Saito, der in seinem Buch "Systemsturz" einen Degrowth-Kommunismus thematisiert. Als Gedankenspiel ganz interessant.
Zur Nahost-Thematik müsstest du wissen, dass eine anti-zionistische Haltung eigentlich immer eine israelbezogen antisemitische, findest du nicht?
Sofern es keine Juden sind, die diese äußern, gehe ich da mit (So viel Selbsthass würde ich jüdischen Anti-Zionisten schlichtweg nicht unterstellen).
Meine Verwandten in Israel sind jedenfalls froh dort zu leben.
Die politische Linke hat sich eben zu sehr von der traditionellen sozialistischen Haltung entfernt. Sie ist im neoliberalen Mainstream angekommen.
Mit Klassenstandpunkt bekommt man keine Wähler/innen. Stattdessen haben sie den Versuch unternommen mit ein wenig Klimaschutz und Identitätspolitik relevant zu bleiben und bei der jungen Generation anzukommen.
Ich glaube, dass Grüne und SPD sehr schnell erkannt haben, dass sie mit traditionellen sozialistischen Ideen nicht auf den Erfolg stoßen, den sie sich erhoffen. In der Politik ist man eben mit antikapitalistischer Haltung nicht besonders erfolgreich. Ich frage mich ja bis heute wie ein Kühnert beispielsweise so lange in der SPD eine hohe Position belegen konnte. Ein selbst ernannter Sozialist, der den Neoliberalismus und den Rechtsruck der eigenen Partei mit vertreten muss.
Für Grüne und SPD ist alles eine Frage der Machterhaltung geblieben. Statt Klassenstandpunkt lieber moderater auftreten und kompromisslos jegliche Koalition eingehen. Dadurch haben die Inhalte so sehr gelitten, dass es inzwischen schwer ist die Partei noch politisch einzuordnen.
Und die Grünen sind auf gutem Weg dahin. Grünes Wachstum… euphemistischer Unsinn.
Fairerweise ist der Sozialismus als solcher, genauso wie der Kommunismus gestorben. Die Postmoderne hat nicht ohne Grund, Meta-Narrative abgeschafft. Man kommt vermutlich mit alten Schablonen nicht mehr an. Hat man noch nie. Deswegen das forcieren der Ideologie.
Insofern kann man wie wo anders hier erwähnt, durchaus die Klassenfrage versuchen aufleben zu lassen, andererseits ist es Kitsch und wenig überzeugend. Das ist nicht mehr das 20. Jahrhundert.
Aber ja, die Linke weltweit hat sich dem neoliberalen, pseudoliberalen Mainstream und der Massenkultur verschrieben. Daraus kommt sie aber nicht mehr raus. Am ehesten könnte was bei dem BSW bei rumkommen. Bleibt abzuwarten.
Würde ich so unterschreiben bis auf die Sache mit dem BSW. Ich halte das BSW für eine populistische leninistische Partei, die klar hierarchisch strukturiert ist und aktuell nahezu überall mit den Positionen einer Parteispitze d‘accord geht, die ganz im Sinne ihrer narzisstischen Person die Partei unter ihrem eigenen Namen gegründet hat.
Ich halte das BSW für keine vorbildliche Partei in Sachen sozialistischer Politik. Dafür ist sie viel zu populistisch, viel zu pro-russisch und viel zu autoritär.
Aber das ist meine eigene Perspektive. Ich verstehe warum diese Partei erfolgreich ist. Mich überzeugt sie aber nicht. Da würde ich die Linkspartei immer vorziehen, auch wenn selbst die Linkspartei eher profillos durch die politische Welt taumelt.
Was ist an ihr "leninistisch"? der hierarchische Aufbau?
Das BSW hat erkannt, dass es mit "Sozialismus" nichts wird, und eine pragmatischere Haltung in vielen Fragen eingenommen, die eher sozialdemokratisch, pragmatisch liberal angehaucht sind. Realisiert das Problem der EU gut.
Abseits dessen finde ich diese Partei auch eher dürftig bis katastrophal. Russlandfreundlich, antiamerikanisch und zu sehr polemisch "die da Oben". Total.
Energiefragen etc zu strukturkonservativ und gar rückwärtsgewandt. Alles richtig. Meine Partei ist das nicht.
Mir gings einzig und allein um den Umriss und die gesellschaftliche Analyse, die von den dortigen Konsorten veräußert wird. Es spricht "das Gefühl" an, dass diese abendländische Gesellschaft eine Sinneskrise hat. Bieten aber falsche Antworten und Positionieriung darauf.
Wagenknecht kokettiert mir zu sehr mit der ehemaligen DDR und auch ihrer Aussagen zufolge würde ich ihr mal unterstellen, dass sie die Idee des geführten Parteienstaates gar nicht so schlecht findet. Ganz zu schweigen davon, dass sie eine ehemalige Kommunistin ist, die nun mit dem Diktator weit im Osten liebäugelt und mir auch zu NATO kritisch ist. Ebenso wie die Position zum Krieg in der Ukraine. Das kann ich einfach nicht unterstützen.
Aber gut, dann scheinen wir uns da ähnlich zu sein. Ich hatte um ehrlich zu sein erst ein wenig schlucken müssen, weil ich dachte es hier mit einem BSW-Fan zu tun zu haben.
Wobei ich ja auch mal den Vorschlag gehört habe, dass es mehr Linkspopulismus bräuchte, da sich die politische Linke zu sehr in Nischen-Themen und Differenzierungen verliert und damit den Anklang bei einer größeren Zielgruppe verfehlt. Ich bin mir da noch nicht so sicher, ob das ein Schritt nach vorne wäre.
Nein. Aber verstehen und relativieren tu ich die Partei. Ähnlich wie teilweise immernoch die AfD.
Aber dem Abschnitt stimme ich zu.
Wenn man glaubt, dass exponentielles Wachstum und Klimaschutz miteinander vereinbar wären, dann ja.
Es ist eben ein Unterschied ob ich in der Regierungsführung bin oder in der Oppostion:
Alles und jeden kritisieren ist leicht. Das Geld der anderen verteilen wollen ist auch leicht. Bin ich aber selbst in der Führungsverantwortung und muss mich nach der Decke strecken, muss mit anderen Ländern arbeiten und auch die finanziellen Folgend verantworten, - sieht das schon ganz anders aus.
Die direkte Kritik findet keinen Anklang, weil sie oft genug nicht in 3 Sätze zu fassen ist. Es bräuchte dafür tatsächlich völlig neue Ansätze der "Begreifbarmachung". Ich sitze grad dran, bzw. diskutiere schon intensiv, allerdings nicht hier.
Es gibt ständig Gegenkritik, von sinnlos idiotisch, bis begründet falsch erklärt, betrollt usw. und das zieht, auf Dauer angewendet... und dem kann man nicht ausweichen, mit den bisherigen Ansätzen...
Das Problem ist meiner Meinung nach auch, dass "Forderungen" gestellt werden, die bereits viel zu spezifisch sind, und durch ihre Spezifik, immer auch wie eine Ausweichbewegung aussehen. Ohne ein tieferes Grundverständnis zu haben, nicht gleich in der politischen Sphäre, aber spätestens unter den Menschen, die man eigentlich gern überzeugen und mitreissen würde.
Aber ich sehe in den sozialistischen Verbänden leider nur wenig Arbeiter, sondern vielmehr Akademiker, welche einen oft überprivilegierten Habitus vermögen. Dabei hätte der demokratische Sozialismus aktuell, wie die Linke ihn ja verkörpert, enormes Potenzial, die frustrierten Bürger von der braunen Suppe abzuhalten.