Meinung des Tages: Medien in Deutschland genießen wieder mehr Vertrauen - was ist bei Euch der Fall?

Mein Vertrauen in die Medien ist mittelmäßig 30%
Mein Vertrauen in die Medien ist (sehr) gering 25%
Mein Vertrauen in die Medien ist (sehr) hoch 21%
Ich vertraue den Medien gar nicht 20%
Etwas anderes 4%

246 Stimmen

56 Antworten

Mein Vertrauen in die Medien ist mittelmäßig

Aus verschiedenen Gründen traue ich den Medien nicht allzu sehr. Das bedeutet, ein Artikel über eine Sache in einer Zeitung zu lesen, bedeutet allenfalls, dass man von etwas erfahren hat. Ist es eher unwichtig, vergisst man es besser wieder und handelt es sich um eine eher wichtige Sache. Sucht man sich noch Informationen in weiteren Medien oder sonst wo im Netz, um dann eine Art Mischung zu bekommen oder verschiedene Ansichten von verschiedenen Seiten.

Beispiel: Gestern war eine Bild-Schlagzeile, die lautete sinngemäß "Neue Häuser müssen wegen 36 cm zu hohem First abgerissen werden". Skandal, denkt der Unwissende. Liest man im Artikel, steht da gleich eine größere Liste von Plan-Abweichungen und informiert man sich noch in anderen Medien, die vielleicht noch näher dran sind, erfährt man, dass der wahre Skandal nicht in den 36 cm liegt, sondern darin, wie der Bauherr Vorgaben vom Genehmigungsplan gleich serienmäßig ignoriert hat und sich somit auf Kosten der Allgemeinheit einen erheblichen Vermögensvorteil verschafft hat. Zudem hätte man einen Präzedenzfall für womöglich viele 1000 Verstöße geschaffen und das Problem damit potenziert.

Ein typisches und politisch neutrales Beispiel dafür, wie sehr man von den Medien oft an der Nase herum geführt wird.


Pomophilus  13.05.2025, 12:25

Zum Glück bildet die Bildzeitung ja nicht alleine die Medienlandschaft in Deutschland! Da gibt es seriösere Quellen wie den ÖRR

Deswegen wollen verschiedene Parteien diesen ja klein halten bis abschaffen.

vanOoijen  13.05.2025, 14:18
@Pomophilus

Die ARD und angeschlossene Sender abschaffen wollte schon Helmut Kohl mit seinem Duzfreund Leo Kirch (Pro7). Die AfD versucht es momentan wieder ganz massiv. Zeitgleich ist der ÖRR heute sehr auf der woken Schiene unterwegs, so dass die linke Richtung mehr auffällt. Aber schon in den siebziger und achtziger Jahren war klar: ARD=SPD, ZDF=CDU - vereinfacht ausgedrückt. Der BR zum Beispiel fällt da wieder raus obwohl der ARD angeschlossen.

vanOoijen  13.05.2025, 12:35
...und sich somit auf Kosten der Allgemeinheit einen erheblichen Vermögensvorteil verschafft hat.

Und genau diese Leute beschützt BILD. BILD schafft das Kunststück den Lesern (die meistens aus dem Proletariat stammen) eine Meinung gegen die eigene gesellschaftliche Klasse und gegen die eigenen Interessen einzuimpfen.

bwhoch2  13.05.2025, 13:11
@vanOoijen

Das betrifft jetzt speziell die BILD (und vielleicht die anderen Springer-Medien).

Wie ist es bei der Frankfurter Allgemeinen, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Münchner Merkur, TAZ, Tagespost usw. usw.

Es ist also Aufgabe eines jeden einzelnen Lesers, heraus zu finden, welche Grundtendenz ein Medium verfolgt um dann abzuchecken, wie man jeden einzelnen Artikel einordnen kann. Schwierige Aufgabe!

Das gleiche gilt auch für die TV-Sender, ÖR-Sender und Privat. Auch hier darf man nicht davon ausgehen, dass in jeder Hinsicht neutral informiert wird.

Wieder ein Beispiel: Der Fall "Gustl Mollath". Wer sich noch erinnert, das war der Mann, der 7 Jahre zu Unrecht in der Psychiatrie fest gehalten wurde, weil er wohl einigen zu unbequem war. (Details erspare ich mir.)

Während z. B. die Süddeutsche Zeitung darüber sehr umfassend berichtet hat, wurde der Münchner Merkur erst dann wirklich aktiv, als sich das Unrecht als solches immer mehr heraus stellte und der Bayerische Rundfunk tat sich teilweise extrem schwer und hielt sich immer vorgeblich sehr neutral, dabei war von Anfang an klar, dass die Regierungswelle "Bayern 1" möglichst wenig bis gar nicht berichten darf, um nur ja keine Unruhe zu erzeugen. Als der Mann dann mit seinem Blumentopf in die Freiheit trat, waren sie alle wieder dabei. Werde ich nie vergessen.

Über den gleichen Fall berichtete Spiegel Online extrem gegen den Mann, weil eine Reporterin eine zu enge Verbindung zu seiner Gegnerin (Ex-Frau) aufgebaut hatte.

vanOoijen  13.05.2025, 13:28
@bwhoch2

Das ist völlig richtig und das schreibe ich ja auch in meiner Antwort hier. Ein Kernpunkt der Medienkompetenz ist es die politische Richtung des Mediums zu kennen.

Der Unterschied zwischen BILD und den Zeitungen, die Du im ersten Absatz Deines Kommentars erwähnst ist, dass das Publikum von FAZ (konservativ), FrankfurterRundschau(linksliberal wie auch die Süddeutsch), taz (grünlinks/alternativ), DIE ZEIT (klassisch liberal), Rheinische Post (CDU), größtenteils um die Richtung ihrer Zeitungen weiß, diese teilt, und genau deswegen konsumiert. Und genau das ist bei BILD anders, da die BILD ein wenig intellektuelles Publikum anspricht das eben nicht über Medienkompetenz verfügt. Dasselbe gilt für neue Medien wie NIUS, Clownswelt und viele andere rechtspopulistische Medien.

Wenn ich die Rheinische Post (seriöses Medium) lese weiß ich halt, dass sie pro CDU eingestellt ist und ordne deren Berichterstattung geistig im Hinterkopf dann auch gleich dementsprechend ein. Das ist leider nicht so vielen meiner Mitmenschen gegeben. Und ja: Mittlerweile hat sogar die Tagesschau eine erkennbare Richtung, was vielen Zuschauern zunehmend übel auffällt.

Es ist kein Wunder (bezugnehmend auf den Fragetext von gf hier), dass die Zustimmung der Anhänger der Grünen mit 92% am höchsten ist. Immerhin berichtet der ÖRR seit Jahren meist im Sinne von Grünen und CDU - einfach weil die meisten Journalisten dort diesen Richtungen angehören. Die jüngeren Mitarbeiter den Grünen, die alten und reichen der CDU.

Etwas anderes

Trust no one. Einem Medium nie trauen, sondern verschiedene Quellen checken und ggf. auch Hintergründe prüfen.

Mein Vertrauen in die Medien ist mittelmäßig

Den eigenen Kopf darf man als Nachrichtenkonsument nie ausschalten. Wer nicht kritisch hinterfragt und mehrere Quellen sichtet, sondern das eigene Denken an ein Medium outsourct bekommt seine Meinung gebildet, anstelle sich selbst seine Meinung zu bilden.

Natürlich sind diverse Medien unterschiedlich seriös und glaubwürdig. Zudem hat jedes Medium eine politische Richtung. Neutrale Informationen gibt es höchstens bei Meldungen von dpa und Reuters. Auch in seriösen Medien wird Aufmerksamkeit gelenkt (alleine schon durch die Auswahl der Themen. Von 800-1000 dpa-Meldungen täglich schaffen es vielleicht 14 in die Tagesschau) und soll politische Zustimmung generiert werden. Das zu wissen ist weit entfernt vom Schlachtruf "Lügenpresse" und lediglich die Aufforderung Nachrichten kritisch zu konsumieren und zu wissen welcher politischen Richtung das jeweilige Medium nahe steht. Das ist Medienkompetenz.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter

medmonk  13.05.2025, 11:57
Neutrale Informationen gibt es höchstens bei Meldungen von dpa und Reuters. 

Wobei man dpa und Reuters trotzdem kritisch hinterfragen sollte. Gilt ebenso für sämtliche Print-Medien (Tageszeitungen), die längst nicht mehr so divers sind, wie sie einst mal waren. Da kommt ja auch vieles aus einer Handvoll der selben Zentralen.

Sprich eine Handvoll an Medienhäusern, die das gesamte Bundesgebiet mit ihren Tageszeitungen belagern. Was sich ändert, ist dann meist nur das Branding und der Austausch von Themen, die den kleinen Lokalteil der Ausgabe ausmachen.

Das zu wissen ist weit entfernt vom Schlachtruf "Lügenpresse" (...)

Den Begriff „Lügenpresse” halte ich ebenso für falsch, wobei ich „Lückenpresse” schon eher durchgehen lassen würde. Sprich gewisse Informationen im Rahmen der Aufbereitung ausgelassen werden oder Themen unterrepräsentiert sind.

Letzteres gilt ebenso für „manipulierte” Infografiken und Diagramme, in denen bewusst mit medialen Tricks (Perspektive, Farbwahl, Anordnung) gearbeitet wird. Das sind weder Zufälle noch versehentliche Missgeschicke. Ebenso all jene Fälle, in denen Bildmaterial aus dem Archiv genutzt oder Mitarbeiter interviewt wurden.

Unterhaltsamer Weise wurde einiges davon u.a. auch in ÖRR eigenen Sendungen wie „Die Anstalt” aufgearbeitet. Wenn ich mich jetzt richtig erinnere, wurde es bzgl. der Tageszeitungen um ~2014 thematisiert. Im Spiegel ist auch mal eine ganze Bilderserie erschienen, wie in den Medien durch Bildbearbeitung manipuliert wird.

LG medmonk

vanOoijen  13.05.2025, 12:03
@medmonk

Ich schrieb ja auch "höchstens".

Ja, die Anstalt ist oft sehenswert. Hier die "verbotene Folge". Sehenswert ab Minute 36:30.

Da werden die transatlantischen Verflechtungen der großen deutschen Leitmedien dargestellt.

medmonk  13.05.2025, 12:11
@vanOoijen
Ich schrieb ja auch "höchstens".

Das „höchstens” ist irgendwie untergegangen und beim Lesen direkt die Beiträge der Anstalt im Gedächtnis hatte. Ich kenne die Folge, die man blitzschnell aus der eigenen Medienthek entfernt hat. Ähnliches kann man selbst bei Arte beobachten bzw. allgemein beim ÖRR beobachten, wenn es um wesentlich ältere Beiträge geht.

Wenn. man diese Verflechtungen kennt und wie Medien verzahnt sind, muss oder sollte man zwangsläufig kritisch sein. Du hast es ja gut auf den Punkt gebracht, was die Themenauswahl und deren Aufbereitung angeht. Mehr noch, wenn selbst ehemalige Mitarbeiter an die Öffentlichkeit gehen oder es gar offen eingeräumt wird.

Letzteres mit Blick auf diverse Podiumsdiskussionen mit den Intendanten oder was auch hilfreich sein kann, der ÖRR-Blog, der Auffälligkeiten anschaulich dokumentiert.

vanOoijen  13.05.2025, 12:16
@medmonk

Arte hat sogar tatsächlich mal in einer Ausstrahlung des Kinofilms "Die fetten Jahre sind vorbei" von 2008 eine Szene herausgeschnitten, die im Kino und auf DVD enthalten ist. In der kurzen Szene ging es um einen Anschlag im Mittelmeer auf Infrastruktur die das Fernsehen in halb Europa lahmlegen würde.

Diese Szene fiel der arte-Zensur zum Opfer:

https://youtu.be/3YN5D6w2RF8?si=pWzBLE3vW_uFhvml

medmonk  13.05.2025, 12:40
@vanOoijen

Ich finde es in Anbetracht dessen auch nicht problematisch, wenn man YouTube oder Archive.org als Quelle anführt. Da schreien ja viele gleich herum, ohne sich mit den Inhalten auseinandergesetzt zu haben. Was halt vergessen wird, dass jene Plattformen neben all dem Mist teils auch als „freie” Archive fungieren können.

Sprich für Inhalte, die aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr direkt über die Mediatheken zu bekommen sind - oder noch aus einer Zeit stammen, in denen sie gar nicht digital erfasst wurden. Sei es weil irgendein Fuchs damals so schlau war, diese oder jene Sendung auf VHS festzuhalten und sie jetzt ins Internet hochlädt.

Ich habe hier noch einen alten vollseitigen Zeitungsartikel meiner Familie aus der Lokalzeitung liegen, wo eigentlich 2/3 des Inhalts zusammengedichtet wurde. Der Artikel erschien Ende der 1990er-Jahre und immer noch Kopfschütteln verursacht.

Ein weiteres und aktuelleres Beispiel die Berichterstattung des ÖRR über und aus Venezuela. Da kam ich mir richtig verschaukelt vor und habe mich gefragt, ob der Korrespondent seine Zeit nur im Hotel verbracht hat. Ich war selber im Land und durch meinen Schwiegervater in spe gesehen habe, wie u.a. sein Nachbarn aussahen.

Aus den USA im Grunde ganz ähnlich und wenn man direkt nebenan lebt, ist es schon amüsant und grotesk, wenn die Prognosen so daneben liegen. Egal ob es damals bei Clinton war oder dann später bei Harris. Wie auch Bürger teils in ihren Blasen unterwegs sind, gibt es gleiches oder ähnliches auch in der Medienwelt.

Nichtsdestotrotz und es ebenso mit zur Wahrheit dazu gehört, dass Medien bzw. deren Mitarbeiter auch durch den schnellen Wandel sehr unter Druck stehen. Sprich in unserer schnelllebigen Zeit öfters mal etwas durchrutscht - ohne dass es gründlich von mehreren Mitarbeitern und Redaktionen kritisch überprüft wurde.

Am Ende des Tages geht es auch um Geld und wer als erstes auf seinem Portal über diese oder jene Meldung berichtet. Wie auch in anderen Unternehmen, wird vor allem am Personal gespart und der verbleibende Rest dafür mehr Arbeit als vorher übernehmen muss. Noch schwieriger, wenn die Verkaufszahlen (Print-Medien) einbrechen.

vanOoijen  13.05.2025, 12:51
@medmonk

Wenn man sich wirklich mit einem Thema auskennt und über Expertenwissen verfügt kann man häufig über die Fehler in der Berichterstattung nur den Kopf schütteln. Besonders schlimm war es lange Jahre bezüglich Drogen und Drogenpolitik. Das ist bei anderen Themen vermutlich nicht anders. Den meisten Menschen fällt das mangels persönlicher Expertise aber nicht auf. Journalisten sind eben Generalisten und keine Experten.

Ja, die Möglichkeit Plattformen wie YouTube sinnvoll zu nutzen ist definitiv positiv. Da ist es tatsächlich ein Vorteil, dass das Internet nichts vergisst und wenn ein Inhalt auf einem Kanal mal verschwunden ist, findet man ihn woanders meistens doch wieder. "Die verbotene Folge" von "Die Anstalt" finde ich jedenfalls auf immer wieder neuen Kanälen, wenn ich sie alle 6 Monate mal wieder suche. Da hast Du recht. Und es gibt ja zudem nicht nur YouTube.

Mit Medienkompetenz kann man eigentlich jedes Medium konsumieren. Zur Information darüber konsumiere ich sogar manchmal iranische und russische Propaganda. Letztere ist mittlerweile in Deutschland allerdings nur noch schwer verfügbar, da überall gesperrt.

medmonk  13.05.2025, 13:23
@vanOoijen
Wenn man sich wirklich mit einem Thema auskennt und über Expertenwissen verfügt kann man häufig über die Fehler in der Berichterstattung nur den Kopf schütteln.

Ja, dass kann ich so unterschreiben und gilt im Grunde vom Zuseher/Leser bis hin zum Reporter und dessen Redaktion. Dem einen fehlt die Expertise, der nächste verlässt sich infolge von Zeitdruck darauf, was der Kollege erarbeitet hat und bei alle dem sind ggf. auch noch diverse Akteuere am Werk, die absichtlich etwas falsches streuen.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie Anfang der 2000er-Jahre nach dem schrecklichen Amoklauf in Erfurt und Emsdetten die Diskussion um sogenannte Killer-Spiele im vollen Gange war. Da wurde ernsthaft als mahnendes Beispiel in SpiegelTV das bekannte Video von „Angry German Kid” als Nachweis ausgestrahlt. 🤦‍♂️

Mit Medienkompetenz kann man eigentlich jedes Medium konsumieren. 

Auch dem zustimme und selbst wenn man derlei Inhalte nicht für bare Münze nimmt, kann es bei der Einordnung hälfen. Einordnung im Sinne, wie die andere Seite tickt und wie welche Informationen (ob falsch oder wahr) gestreut werden.

Was das Thema Bildmanipulationen angeht, bald gute 30 Jahre damit zutun habe. Erst nur privat, später semi-professionell und schlussendlich Teil meines Berufes. Ich bin u.a. gelernter Mediengestalter und späteren Verlauf in die Entwicklung. Mit Blick in Richtung KI jetzt umso dankbarer, dass ich mich zunehmend mehr umorientiert habe.

Wie ich deinen Beiträgen und Profilangaben entnehmen kann, hast du ja selber einen journalistischen Hintergrund. Den habe ich so jetzt nicht (kein Studium), auch wenn ich bereits für einzelne Magazine fachbezogene Inhalte geschrieben habe. Wie dem auch sei, Medienkompetenz schon gestern, heute und erst recht morgen immer wichtiger wird.

vanOoijen  13.05.2025, 13:55
@medmonk
Ja, dass kann ich so unterschreiben und gilt im Grunde vom Zuseher/Leser bis hin zum Reporter und dessen Redaktion.

Ich mache den Reportern auch nur bedingt Vorwürfe. Immerhin habe ich den Job ein paar Jahre selbst gemacht für unser lokales Stadtmagazin hier (Monatsmagazin, was schonmal besser ist als Tagesaktuell (Tageszeitung) oder minütlich aktuell (Online) sein zu müssen). Da wird man von der Redaktion an ein Thema gesetzt von dem man häufig keinerlei Ahnung hat, führt Interviews, macht sich ein Bild innerhalb eines Tages und in zwei Tagen muss die Reportage stehen und geht an die Redaktion (das ist die Arbeit von freien Journalisten wie ich einer war). Das Layout etc. braucht auch noch Zeit und mehr als wenige Tage bleiben auch bei einem Monatsmagazin selten. Dazu gibt es Zeichenvorgaben und es wird zudem redigiert (oft ohne Absprache mit dem Autor - ein Grund warum ich gekündigt habe).

Und dementsprechend oft mehr schlecht als recht ist das Ergebnis. Wie gesagt ist das aber egal, da die meisten Leser ebensowenig Experte für das Thema sind wie der Reporter, der die Reportage geschrieben hat.

Genau aus dem Grund wurde vor ca. 20 Jahren ja auch der Beruf des Wissenschaftsjournalisten geschaffen. Das sind Leute die Beispielsweise Astrophysik studiert haben inklusive einer kurzen journalistischen Zusatzausbildung.

Heute kommt man nur noch mit abgeschlossenem Studium an einen Redakteursjob. Lange Jahre hingegen war Journalist ein klassischer Beruf für Quereinsteiger mit ganz verschiedenen Vorqualifikationen. Und nur als Redakteur kann man vernünftig leben. Freier Journalist ist ein hartes Brot und mies bezahlt nach Zeile. Zeilenhonorar sind für unbekannte Leute bei kleinen Zeitungen um die 30 Cent. Das bedeutet an zwei Seiten im Magazin verdient man etwa 250 Euro. Und man braucht mehrere Zeitungen/Onlinemedien um nur auf 1500€ im Monat zu kommen. Letztlich lebt man auf dem Niveau eines Studenten oder Bürgergeld-Empfängers.

medmonk  13.05.2025, 14:19
@vanOoijen

Deine eigene Erfahrung ja nochmal bestätigt, was ich in Bezug auf Druck (von wo auch immer) geäußert habe. Ich mache den einzelnen „Schreibtischtätern” (nicht böse gemeint) auch keinen Vorwurf und diese Bedingungen immer mit berücksichtige.

Über die Jahre und Jahrzehnte sind immer mehr dieser Stadtmagazine samt echte lokale Zeitungen verschwunden oder wurden aufgekauft. Genau dieser Umstand hat ja mit zu diesem „Brei” aus „einer” Küche geführt und oft nur noch ein Bruchteil an Mitarbeitern an Inhalten arbeiten. Der Rest besteht dann fast nur aus Layout und Branding.

Ich kenne das Problem aus Zeichen- und Zeilenvorgaben sowohl aus klassischen Print-Medien als auch in den neuen Medien. Da gilt dann nicht immer Content-first, weil eine Sektion aus Text-Blöcken doch im UI bitte, bitte einheitlich sein sollen.

Wenn man es etwas lockerer sieht, in meinem Fachbereich auch journalistisch tätig war oder bin. Zumindest wenn ich in diesem Themenbereich recherchiert und alles in eigenen Beiträgen gebündelt habe. Ich würde mir jetzt aber nicht Journalist ans eigene Revers heften, auch wenn sich die Arbeitsweise nicht unterscheidet.

Ich weiß nicht ob du „Grenzgänger Studios” kennst und was du davon hältst, aber dort wurde es mal angerissen. Also wie bei Spiegel, Welt und Co. gearbeitet wird und manches nur durchsickerte, weil eine gewisse Personen just im Urlaub war.

Zu guter Letzt und dass sehe ich auch problematisch, sind die Medien eigenen Kaderschmieden samt verklausulierten Linien in Arbeitsverträgen. Da ist dann oft wenig Spielraum geschweige die Zeit da, für guten, investigativen Journalismus.

vanOoijen  13.05.2025, 14:37
@medmonk

Natürlich hatte ich nie das Glück für DER SPIEGEL oder Stern schreiben zu dürfen. Ich habe für die Aachener Nachrichten (heute fusioniert zur "Aachener Zeitung" - von zwei Tageszeitungen seit 1944 (Aachen wurde zuerst befreit und daher sind die Aachener Nachrichten die erste Zeitung die nach dem Dritten Reich erschienen ist) konnte vorletztes Jahr nur noch eine überleben), den "Klenkes" (Stadtmagazin) und online für Telepolis geschrieben. Und für relativ große, mehrköpfige, Blogs. Klenkes war mein jahrelanger Nebenjob als Student, denn mehr als ein paar hundert Euro pro Monat warf das nicht ab.

Der Stern hat so eine eigene Kaderschmiede - die Henri-Nannen-Schule. Da habe ich mich auch einmal beworben. Aber das machen Tausende pro Jahr für ganz wenige Plätze.

Dass all das auch nicht vor Trash schützt sieht man beim Stern an der Affäre um die "Hitler-Tagebücher" und beim Spiegel an Relotius.

medmonk  13.05.2025, 14:52
@vanOoijen

Bei mir war es nicht so „spektakulär” und man damals eher durch meine Aktivität in Fachforen und publizierten Tutorials auf mich zukam. Alles in einer Zeit, als es YouTube noch nicht so groß gab und deutschsprachige Inhalte eher dünngesät waren.

Dass all das auch nicht vor Trash schützt sieht man beim Stern an der Affäre um die "Hitler-Tagebücher" und beim Spiegel an Relotius.

Das war wirklich ein große Blamage und denen so einige Leser kostet hat. Ähnlich bei der SZ mit Plagiatsvorwürfen oder der Skandal durch Bespitzelung der Mitarbeiter. Umso wichtiger ist es, dass man 1. stets differenziert und 2. selber kritisch hinterfragt.

Hier nochmal vielen Dank für den interessanten und angenehmen Austausch. So in der Form und Sachlichkeit schon länger nicht mehr auf GF erlebt. Danke dafür!

vanOoijen  13.05.2025, 16:14
@medmonk
Hier nochmal vielen Dank für den interessanten und angenehmen Austausch. So in der Form und Sachlichkeit schon länger nicht mehr auf GF erlebt. Danke dafür!

Das empfinde ich genauso. Tut gut bei all dem toxischen Hate hier.

vanOoijen  13.05.2025, 16:18
@medmonk

Jedenfalls ist es eine Ehre für mich Belegartikel zu haben, u.a. in der ersten Tageszeitung die schon vor dem Kriegsende des zweiten Weltkrieges als demokratisches Blatt erschienen ist. Eben 1944 und nicht erst 45 - auch wenn es nur eine Lokalzeitung ist, die es so nicht mehr gibt. Sie stand übrigens immer der SPD nahe.

vanOoijen  13.05.2025, 16:34
@medmonk

P.S. Ich habe übrigens auch mal ein Praktikum im Landtag NRW absolviert und dort gab, bzw. gibt es noch (nur heute vermutlich nicht mehr auf Papier), zweimal täglich die sogenannte "Pressemappe". 2003 ein zusammengetackerter Stoß Kopien von allen relevanten Zeitungen, inklusive BILD, zu den Themen die an dem Tag im Plenum auf der Tagesordnung stehen. Dafür gab es eine eigene Stelle und morgens und Nachmittags wurden die verteilt. Natürlich wollen Abgeordnete wissen WIE das Volk informiert wird. So lernt man Medienkompetenz natürlich sehr bequem, wenn man ohne selbst recherchieren zu müssen 15 Zeitungsartikel zum selben Thema täglich zweimal vorgelegt bekommt.

Helmut Schmidt hatte das noch auf ganz anderem Level. Der bekam sowas zudem von zig ausländischen Medien täglich, auch als Altkanzler und Mitherausgeber der Zeit.

medmonk  13.05.2025, 17:48
@vanOoijen
Helmut Schmidt hatte das noch auf ganz anderem Level.

Ich muss ehrlich gestehen, neben Konrad Adenauer (rein aus geschichtlichem Gründen) bis heute mein absoluter Lieblingskanzler. Vor allem wegen seiner Weitsicht, beim Umgang mit der RAF aber auch nach seiner Zeit als Kanzler.

Heute gibt es keine so staatsmännische Politiker mehr, die mit Besonnenheit, Charisma und Format ansatzweise mit alten Größen mithalten können. Nicht dass alle schlecht wären, das nun nicht. Aber nicht ansatzweise von diesem Kaliber.

Jedenfalls ist es eine Ehre für mich Belegartikel zu haben, u.a. in der ersten Tageszeitung die schon vor dem Kriegsende des zweiten (...)

Wenn man etwas dafür über hat und derlei wertschätzt, eine tolle Sache. Ich besitze einige alte bis sehr alte Bücher und Zeitdokumente. Darunter teils auch eine Handvoll, die sich sogar mit originalem Kaufbeleg zurückverfolgen lassen.

Wenn meine Biografie eine andere wäre und ich damals schulisch mehr Gas gegeben hätte, wohlmöglich ein Studium in diese Richtung angepeilt. Na ja, jetzt nur nen Cousin der Englisch, Politik und Geschichte auf Lehramt studiert hat. 🤷‍♂️

Ich war eher wie Steve Jobs, statt und Uni und studieren, lediglich Studenten im Freundeskreis - und so zusätzlich ein Fundus an Wissen aufgeschnappt. Soll kein Jammern sein und trotz mancher Hürde auch so einiges gerockt habe.

Ich merke schon, man kann sich lange mit dir ausstachen. ;)

Muchos saludos!

Etwas anderes

Ich halte die Hauptmedien in Deutschland für hoch manipulativ und in einigen Themen für gleichgeschaltet.

Allerdings ist es falsch zu glauben, dass die Manipulation durch Lügen geschieht, das wäre zu plump. Wenn, dann lassen sie lügen, indem sie Politikerlügen einfach unkommentiert wiedergeben.

Die gemeldeten Ereignisse kann man durchaus glauben, die Manipulation steckt weniger in dem, was sie melden, sondern in dem was sie weglassen. Moderne Manipulation ist Beleuchtungstechnik:

"Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht, und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht." Bertolt Brecht - Dreigroschenoper

Gewünschte Botschaften werden besonders detailliert und immer wieder beleuchtet, unerwünschtes wird im Dunkeln gelassen.

In den letzten Jahren hat sich zu einigen Themen eine Einseitigkeit ergeben, dass man schon fast von Gleichschaltung der Medien sprechen kann. Zwar gibt es noch einige kleinere Medien, in denen auch andere Sichtweisen zur Sprache kommen, aber an den Auflagen gemessen ist die herrschende Meinung überwältigend.

Mein Vertrauen in die Medien ist (sehr) gering

Da bin ich ganz Leninist:

Vertrauen ist gutKontrolle ist besser!“