Abschluss erforderlich?
Ein Bekannter von mir behauptet, dass man keinen Abschluss, keine Ausbildung und keine Erfahrung in einer Firma gemacht haben muss, um in Deutschland erfolgreich selbstständig im Bereich Webentwicklung zu werden.
Er meint, dass es „typisch deutsch“ und lächerlich sei und es sei zu viel mit Bürokratie verbunden. Selbst 10 Jahre programmieren z.B. mit Videokursen und Kundenaufträge bekommen, das zählt für ihn schon als ausreichende Erfahrung.
Was meint ihr ?
Er meint auch, dass diejenigen mit Abschluss weniger können, als die ohne Abschluss. Für ihn sind das „lächerliche Deutsche“ und laut ihm lerne man in Schule oder Studium sowieso nie die Praxis, die er später im Webdesign anwenden würde.
14 Stimmen
9 Antworten
Er liegt insofern richtig, als dass man für eine Selbstständigkeit an sich keinen Abschluss braucht. Ein Gewerbe kann jeder anmelden. Und für Tätigkeiten, die in den Bereich der Freiberuflichkeit fallen, braucht es noch nicht mal das.
ABER: Um damit erfolgreich zu werden, muss man eben schon was können! Schließlich muss man ja Kunden davon überzeugen, dass man das Geld wert ist, was sie einem zahlen sollen. Und da ist ein entsprechender Abschluss ein mögliches Argument.
Zudem ist das erfolgreiche Erlangen eines Abschlusses kompletter Kinderkram bezüglich der dafür notwendigen Bürokratie im Vergleich zu der, die anfällt, wenn man selbstständig tätig ist. Wer also vor Bürokratie zurückschreckt, sollte definitiv und auf gar keinen Fall eine Selbstständigkeit anstreben...
Es ist korrekt, dass man in einer Ausbildung oder einem Studium nicht immer exakt das lernt, was man im Beruf später braucht. ABER: Man lernt dort die Grundlagen, die einen dazu befähigen, sich in die praktische Anwendung dann reinzudenken!
Wenn er mit diesem Modell für sich gut fährt, soll er das doch ruhig so machen. Ich finde es nur völlig falsch, die solide, breite Basis an Fachwissen und Können, die formale, berufsqualifizierende Bildungswege vermitteln, abzuwerten. Kommt aber meist von einer eigentlich großen Unsicherheit bei denen, die das tun, weil sie diesen Weg nicht gegangen sind und deshalb schon gewisse Selbstzweifel haben, ob sie wirklich so gut sind, wie sie denken...
Das ist es, denn er fragt sich selbst oft, ob er gut ist. Einmal sagte er, dass er zu doof für die Welt sei, vielleicht ein persönliches Problem ? Jedenfalls lasse ich auch nicht zu, dass er Möglichkeiten wie einen Abschluss oder eine Ausbildung ( z.B. zum Webdesigner oder Mediengestalter ) in den Dreck zieht oder belächelt. Das geht gar nicht !
Er z.B. kommt aus Polen und kann sehr schwach deutsch. Er beschwert sich auch über die Gesetze in Deutschland, die für ihn zu schwer und zu viel sind. Kundenaufträge erlangt er nur durch Glück und kann davon ( noch ) leben. Er beschwert sich, dass die Kunden hier in Deutschland und alles mit Bürokratie drum und dran kompliziert ist. Er füllte z.B. einen Antrag falsch aus und kreuzte falsche Optionen an, die er angeben musste. Es liegt an der Mentalität glaube ich.
Nee, es liegt an der Sprachbarriere, gerade bei der Bürokratie. Bürokratensprache ist für deutsche Muttersprachler oft schon nicht verständlich. Für jemanden, für den Deutsch eine Fremdsprache ist, ist das ein nahezu unlösbares Rätsel...
Ganz Unrecht hat er nicht. Die ganzen Formulare von den Ämtern sind schon gruselig. Und zumindest beim ersten mal, brauch man da schon eine Weile, macht ggf. was falsch oder gibt sich im Internet Tutorials und Videos für Stunden, um so Formular auszufüllen, was man in fünf Minuten ausfüllen könnte, wenn es etwas klarer gestaltet und beschrieben wäre.
Weiß noch damals der Bafög Antrag. Also Software entwickeln ist definitiv einfacher als das Teil ausfüllen.. zumindest zum damaligen Stand.
Ausnahmen gibt es immer, das kommt aber einem Lottogewinn gleich.
Das ist ein Träumer, man hat zwar das Gewerberecht aufgeweicht und etliche Berufe herausgenommen, wo kein Meister/Ingenieur mehr benötigt wird, um ein Gewerbeschein zu bekommen, aber ungelernt, was soll das werden, wir sehen es ja in der Politik wie das enden könnte.
Die ganze Diskussion ist völlig sinnlos, ohne vorher festzulegen, welchen Abschluss man meint.
Uni-Absolventen haben z.B. häufig viel auf Forschung spezialisierte Theorie gelernt, im praktischen Beruf hilft das aber häufig nur wenig. Ausgebildete haben dagegen von Anfang an praktisch gearbeitet, Erfahrung ist sehr viel wert, also haben Azubis einen Vorteil, auch wenn gerade Personaler das gerne übersehen.
Wer eine Firma von seinen Fähigkeiten überzeugen kann, braucht keinen Abschluss, weder Studium, noch Ausbildung. In diesem Beruf schauen die Firmen viel mehr auf Kompetenz und weniger auf Noten, aber das hängt natürlich auch von der Firma ab.
Wer aber der Meinung ist, man könnte nur mit ein paar Jahren alleine Programmieren und Videos gucken lernen, wie an Enterprise-Projekten gearbeitet hat, der beweist damit, keine Ahnung von Enterprise-Software-Entwicklung zu haben.
Wenn man als Freelancer alleine irgendein Projekt umsetzt, das Ergebnis am Ende abliefert und danach nichts mehr damit zu tun hat, der kommt sicher gut klar. Größere komplexere Software wird aber im Team entwickelt, man arbeitet in der Regel mehrere Jahre daran und es wird immer wieder vieles geändert, das setzt eine gewisse Organisation und Struktur voraus, ohne die so ein Projekt sehr schnell scheitert.
Das kann natürlich auch jemand alleine und still und heimlich lernen, aber ohne die wirklichen Probleme bei solchen Projekten kennenzulernen, kann es ziemlich schwer sein, die Lösungen dafür zu verstehen. Aber es kann natürlich auch jemand Talent haben.
Dazu kommt dann natürlich auch noch, dass ein Software-Projekt in der Regel ein ziemlich teures Unterfangen ist, ein Auftraggeber überlegt sich also gut, wem sie ihr Geld in den Rachen stopfen und da sind Abschlüsse natürlich von großem Vorteil. Viel mehr wert sind dagegen aber Referenzen, wenn jemand gute Referenzen vorweisen kann, interessiert sich niemand mehr für irgendwelche Abschlüsse.
dass diejenigen mit Abschluss weniger können, als die ohne Abschluss
Absolut Müll, die Aussage.
Jemand ohne Abschluss muss das auch erst Mal alles lernen und die Mehrheit der Leute, die ich so kennengelernt habe, sind MAXIMAL Mittelmaß. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber die sind eben genau das: Ausnahmen.
Für mich klingt das eher danach, dass dein Bekannter zu sehr von sich selbst überzeugt ist. Allein das kann schon ein Grund gegen ihn sein - zumindest wenn das Projekt im Team entwickelt wird.
lerne man in Schule oder Studium sowieso nie die Praxis, die er später im Webdesign anwenden würde
Das stimmt allerdings - zumindest soweit ich weiß.
Ich hab die Ausbildung gemacht und die Berufsschule war ein Witz.
Ähnliches habe ich von den Studiengängen gehört, wo man dagegen mehr Theorie lernt, die aber wiederum irgendwann nützlich werden könnte.
In der Ausbildung hockt man aber nicht nur in der Schule, es gibt auch einen Ausbildungsbetrieb und in einem guten Ausbildungsbetrieb arbeitet man an den Projekten mit - man lernt also genau das, was man später anwenden würde.
Parallel dazu das Studium, wo man parallel auch Praktika, Kurse oder ein duales Studium machen kann.
Alle Wege haben aber eines gemeinsam: Man muss autodidaktisch lernen.
Wer keinen Abschluss hat, hat vermutlich autodidaktisch gelernt.
Wer im Studium oder der Ausbildung nicht autodidaktisch lernt, wird aller Wahrscheinlichkeit nach versagen.
Wenn man es auf das Wesentliche reduzieren will, würden also zwei Punkte übrig bleiben:
- Selber lernen, immer am Ball bleiben, es hört nie auf
- Erfahrung, Erfahrung, Erfahrung, Erfahrung, Erfahrung
1. braucht man immer, egal ob Studium, Ausbildung oder wenn man gar nichts hat.
2. bekommt man nur mit verschiedenen Projekten, am besten größere Projekte, die im Team über einen längeren Zeitraum entwickelt werden.
Wie soll jemand ohne Abschluss nur alleine für sich eben diesen so wertvolle Erfahrungen sammeln?
Ganz ehrlich:
Ein wirklich guter Entwickler, der im Geiste auch erwachsen ist, der hackt nicht so auf Abschlüssen herum. Für mich klingt das eher, als würde ihn irgendwas belasten. Vielleicht reißen sich die Firmen doch nicht um ihn und das kratzt ihm am Ego? Oder vielleicht ist das ein Komplex, weil er keine Ausbildung hat, alle anderen um ihn herum aber doch?
Kundenaufträge erlangt er nur durch Glück und kann davon ( noch ) leben
Wundert mich nicht.
Softwareentwicklung ist teuer, da drückt man nicht irgendeinem daher gelaufenen Typen ein Haufen Geld in die Hand, ohne wenigstens irgendetwas zu sehen, was zeigt, dass er weiß, wovon er redet. Gute Softwareentwickler gibt's sehr wenige, solche, die weder Ausbildung noch Studium hinter sich haben, sind noch seltender, ohne berufliche Erfahrung ... gibt's die überhaupt? Schwätzer gibt's dagegen aber wie Sand am Meer, woher weiß die Firma, dass er nicht nur ein Schwätzer ist?
Und dann braucht man noch Kontakte, selbst einem Entwickler mit jahrelanger Erfahrung drückt man nicht einfach so einen Auftrag in die Hand, ohne sich sicher zu sein, dass das Geld da auch gut aufgehoben ist.
Es ist möglich, komplett ohne alles etwas zu erreichen, aber es ist dumm, es zu versuchen - sorry.
Und dazu dann noch die Sprachbarriere ...
Monatliches Geld hat er kaum, da einige Kunden bereits abgesprungen sind
Oh man :D
Er hat die Kunden an Land gezogen und sie sind wieder abgesprungen.
Die Kunden waren allem Anschein nach wohl unzufrieden mit ihm.
Wie kommt er darauf, die Schuld nicht bei sich zu suchen?
Die professionelle Softwareentwicklung ist prädestiniert für den Dunning-Kruger-Effekt. Sehr viele glauben zu wissen, wovon sie reden, haben aber eigentlich von Tuten und Blasen keine Ahnung.
Nachtrag : Er machte für mehrere Kunden SEO und zwei sind abgesprungen, weil sie nicht auf Platz 1 bei Google waren oder keine Kunden mehr für ihre Firma bekamen.
Er meint jetzt, dass die Kunden Geduld haben müssen, weil es angeblich sehr lange dauert, bis die Seite höher steigt. Oder man müsse laut ihm viel Geld investieren für Backlinks etc.
Stimmt das ?
Ich bin kein SEO-Experte, meine Aussage dazu ist also mit Vorsicht zu genießen, aber für mich klingt das schlüssig.
Für SEO-Optimierungen kann man die Website so anpassen, dass sie aus Sicht von Suchmaschinen "gut" aussieht und thematisch passende Suchen auch eher diese Website finden, als es ohne SEO-Optimierung der Fall wäre.
Aber deswegen rennen dir doch nicht automatisch Kunden die Türe ein, sie finden ggf. häufiger die Webseite, aber ob sie am Angebot interessiert sind und bereit sind, Geld dafür zu zahlen, steht auf einem anderen Blatt.
Man könnte den Traffic überwachen, daran lässt sich ggf. ein Unterschied zu vor den Optimierungen erkennen, aber wenn es das vorher noch nicht gab, bringt das jetzt auch nichts mehr.
Ähnliches für den Platz bei Google, die Website ist vermutlich nicht die einzige Website, die bei Google zu dem Thema gelistet ist, es gibt Konkurrenz, ebenso daran interessiert ist, bei Google hoch gelistet zu sein. Wer nun auf Platz 1 landet und warum, das übersteigt aber mein bescheidenenes Wissen dazu. Ich rate Mal, da spielen auch noch diverse andere Dinge mit rein, wie z.B. der generell bisherige Traffic, da viel besuchte Websites weiter oben angezeigt werden, als weniger besucht Websites. Das würde zu der Aussage passen, dass es lange dauert.
Und dann hat Google hat noch Werbung und zeigt gesponsorte Websites höher an, ergo: Pay to win.
Danke. Ich glaube, er wird es nicht lange durchhalten. Ich kann dir gerne den Link seiner eigenen Website reinschicken und mich würde freuen, wenn du als Fachmann ein Urteil bilden könntest, ob er angehend professionell wirkt oder nicht. So auf den ersten Blick seiner Seite, der Umsetzung, sein Portfolio usw.
Mach ruhig, aber an einer Website alleine sieht man das nicht unbedingt.
Das sieht man an der tatsächlichen Arbeit, dem Code (kein Plan, wie gute Arbeit in Wordpress aussieht), der Art, wie er Probleme löst, Zusammenarbeit im Team, etc.
Wenn du Glück und die Nerven hast, kann es gut gehen ohne Abschluss.
Ansonsten stellen wir niemanden ein, der keinen Abschluss hat.
Diese Leute sind für uns unzuverlässig. Höchstens Minijob zum einscannen. Aber wir merken, dass ist schon ein Fehler gewesen.
Er belächelt Leute mit Abschluss, Studium und Ausbildung.
Ein Ex-Kollege hat mal erzählt, dass während der Dotcom-Blase Studenten direkt vor dem Hörsaal abgeworden wurden. Das waren auch die ersten, die gefeuert wurden, als die Dotcom-Blase geplatzt ist...
Und ich habe schon mehrfach Software-Entwicklungs-Ergebnisse von Autodidakten gesehen. Hat zwar funktioniert, aber der Code war nicht gut in anderen Code integrierbar, geschweige denn verständlich dokumentiert. Außerdem sollte man einen Build-Server haben. U.a. merkt der sofort, wenn man vergessen hat eine Datei zu committen, was der lokale Compiler nicht mehr.
Natürlich garantiert eine Ausbildung/Studium nicht, dass man nicht Ausbilder/Dozenten erschwischt, die auf dem Stand von vor 20 Jahren oder schlimmer sind.
Die Ausbildung (und ein Studium noch mehr) sorgt auch dafür, dass man ein breiteres Wissen hat, sodass man nicht sofort vor dem beruflichen Nichts steht, wenn es in einer Teilrichtung des Fachgebiets jobmäßig nicht mehr so läuft. Bzw. früher oder später kommt man mit Dingen aus anderen Bereichen in Kontakt, von denen man mal zumindest gehört haben sollte, z. B. neuere Programmiersprachen/-konzepte. Dann hat man einen Vorteil ggü. denjenigen ohne Ausbildung.
notting
Er meint auch, dass diejenigen mit Abschluss weniger können, als die ohne Abschluss. Für ihn sind das „lächerliche Deutsche“ und laut ihm lerne man in Schule oder Studium sowieso nie die Praxis, die er später im Webdesign anwenden würde.