Meinung des Tages: Störfaktor "Elterntaxis" - Ausdruck übertriebener Fürsorge oder berechtigte Schutzmaßnahme für Kinder?
Dem Kind morgens die Schuhbänder schnüren, während der Pause telefonisch das Wohlbefinden erfragen und selbstverständlich mit dem "Elterntaxi" zur Schule fahren; viele "Helikoptereltern" erziehen ihre Kinder zur Unselbstständigkeit. Doch insbesondere das "Elterntaxi" ist laut ADAC in vielen Städten ein mittlerweile immer größeres Problem...
Zur Unselbstständigkeit erzogen
Vielleicht habt Ihr ja auch schon mal von ihnen gehört: Den sogenannten "Helikoptereltern". "Helikoptereltern", das sind oftmals Eltern, die vermutlich nicht nur den Stundenplan, die Atemfrequenz sowie sämtliche Kontaktdaten der Freunde ihrer Sprösslinge in- und auswendig kennen, sondern der als Fürsorgepflicht getarnte Überwachungsdrang geht bei vielen Eltern häufig so weit, dass diese wie Drohnen non-stop über den Köpfen ihrer Kindern schweben, um diese vor den zahlreichen Gefahren des Alltags zu beschützen.
Egal, ob der findige Luitpold oder die bezaubernde Charlotte im Sandkasten stürzt, sich beim Turnen den Knöchel verstaucht, etwas Schlechtes bei Freunden zu Mittag gegessen hat oder anstelle der sicher geglaubten 1+ im Deutschaufsatz doch nur eine 3- bekommen hat; jedes noch so kleine Missgeschick wird von den bemühten Eltern auf ihrer pädagogischen Mission zum nationalen Katastrophenfall erklärt.
Sofern der Nachwuchs nicht gerade Privatunterricht in den eigenen vier Wänden genießt, gibt es - als weitere Tücke des Lebens - da noch den mit allerlei Gefahren gespickten täglichen Schulweg, den das Kind mindestens zwei Mal täglich meistern muss. Und wenn das Kind nicht gerade im überdimensionierten Lastenrad zur Schule gefahren wird, chauffieren immer mehr Eltern ihre Kinder im sicheren "Elterntaxi" zur Schule...
Problemfeld "Elterntaxis" im Straßenverkehr
Eine neuere Umfrage der ADAC-Stiftung, an der mehr als 1.000 Eltern teilgenommen haben, offenbart, dass im Frühjahr und Sommer 23% und im Herbst und Winter 28% der Eltern ihre Kinder mindestens drei Mal wöchentlich mit dem Auto in die Schule bringen.
Als Hauptgründe für den entspannten und vermeintlich sicheren elterlichen Hol- und Bringdienst werden häufig (Anschluss-)Termine, Zeitersparnis, schlechtes Wetter, Bequemlichkeit oder dass die Schule ohnehin auf dem Arbeitsweg sei, genannt. Erstaunlicherweise sagen nur 11% der Eltern, dass die Verkehrssicherheit ein Grund für das Elterntaxi sei. Experten vermuten, dass die Dunkelziffer jedoch deutlich höher wäre.
Der Mehrheit der Eltern ist der elterliche Bringdienst allerdings eher ein Dorn im Auge: Unter den Befragten gaben 62% an, dass sie gerade durch die "Elterntaxis" eine höhere Unfallgefahr befürchten. Insbesondere vor und nach Unterrichtsbeginn halten sich zu oft zu viele Autos in unmittelbarer Nähe der Schule auf, so dass die Unfallgefahr für die Kinder am Ende des Tages tendenziell eher erhöht wird.
Sicherheit durch Selbstständigkeit
Mit Blick auf den Straßenverkehr bemerkt die Vorstandschefin der ADAC-Stiftung, Christina Tillmann, dass Kinder das "Gespür für den Straßenverkehr und seine Gefahren [ . ] als aktive Teilnehmer [und] nicht auf der Rückbank eines Autos" lernen würden. Der Fußweg oder die Fahrt mit dem Rad sind vor allem für Kinder ein wichtiges Training, das ihnen dabei hilft, sich eigenständig im Straßenverkehr zurechtzufinden.
Weitere positive Nebeneffekte wären beispielsweise auch die Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit im Unterricht, die körperliche Fitness sowie das Sozialverhalten, wenn diese den Schulweg mit Klassenkameraden gemeinsam zurücklegen. Um das verantwortungsbewusste Verhalten aller Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr zu fördert, startet die ADAC-Stifung zum Schuljahresbeginn auch in diesem Jahr wieder ihre bundesweite "Sicher zu Fuß zur Schule"-Kampagne.
Unsere Fragen an Euch:
- Sind "Eltertaxis" Ausdruck von übervorsorglichem Verhalten oder eine berechtigte Maßnahme, um Kinder zu schützen?
- Habt Ihr den Eindruck, dass immer mehr Eltern zur Überfürsorglichkeit tendieren? Falls ja: woran könnte das liegen?
- Schränkt die Fahrt zur und von der Schule die Selbstständigkeit des Kindes nachhaltig ein?
- Sollten Schulen autofreie Zonen einrichten, um das Verkehrsaufkommen vor dem Schulgelände zu reduzieren?
- Wie viel Fürsorge und wie viel Selbstständigkeit wäre für Kinder im Alltag und Straßenverkehr Eurer Meinung nach angemessen?
- Ab welchem Alter sollte in Euren Augen ein Kind selbstständig, also auch unbegleitet, den Schulweg meistern können?
- Wie seid Ihr früher zur Schule gekommen? Wurdet Ihr auch regelmäßig gefahren oder war das eher die Ausnahme?
Wir freuen uns auf Eure Antworten.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://stiftung.adac.de/umfrage-sicherer-schulweg/
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/zu-viele-elterntaxis-steigt-die-unfallgefahr,UNZ9MRd
84 Antworten
Ich kann mich schwer in diese Eltern hineinversetzen, denn viele von ihnen sind vermutlich bereits eine knappe Generation jünger als ich.
Ich erinnere mich an meine eigene Schulzeit: Einschulung Grundschule 1982 und ab dem zweiten Schultag hieß es Schulbus - ab der 5. Klasse weiterführende Schule dann Linienbus.
Und wir hatten nicht einmal Handys und waren für unsere Eltern tatsächlich unerreichbar, wenn wir unterwegs oder in der Schule waren. Wie ist das nur all die Jahre ohne Todesopfer abgelaufen? 😉
Also ja, ich finde die Elterntaxis in dieser Häufigkeit übertrieben, aber sie sind für mich auch kein Hassobjekt oder Ärgernis.
Das erhöhte Bedürfnis nach Sicherheit sieht man auch daran, wie sich die Autos seit meiner Kindheit verändert haben. Ich habe eine Gesamtschule direkt vor der Tür und kann morgens und Nachmittags die Elterntaxis beobachten und davon sind erstaunlich viele dicke SUVs.
Ob es da ebenfalls einen Zusammenhang gibt?
Allerdings gehen weiterhin die meisten Schüler zu Fuß zur Bushaltestelle und einige nutzen auch E-Scooter.
Eigene Fortbewegungsmittel wie Fahrräder oder Motorroller (die waren angesagt als ich 16 war) scheinen hingegen eher out zu sein.
Diesen behüteten Kindern geht elementar die Selsbtwirksamkeitserfahrung flöten!
Das sehe ich auch so.
Ein Wunder, dass die Generation Jahrgang 1980 und älter überhaupt überlebt haben ;)
Ich habe hierzu eine ziemlich klare Meinung: In 95 Prozent aller Fälle ist das Taxi Mama völlig überflüssig und erzieht das Kind aus der Generation Rücksitz nur zur Unselbstständigkeit. Abgesehen davon herrscht durch die vielen Fahrzeuge zu Unterrichtsbeginn und -schluss oft ein heilloses Verkehrschaos vor den Schulgebäuden, bei dem am ehesten die Schulkinder unter die Räder kommen, deren Eltern sich das nicht leisten können oder wollen.
Natürlich gint es Ausnahmen, in denen private Termine unmittelbar im Anschluss an den Unterricht eingehalten werden müsse, sehr beliebt ist dabei der Kieferorthopäde bei allen Spangenkindern.
Aber gerade morgens ist das Vorfahren bis an die Klassenzimmertür ein absolutes Unding. Das hat es bei unseren Kindern nur dann gegeben, wenn der Schulbus mal wieder nicht gekommen ist und wir die Kinder zur Schule gefahren haben, wenn an diesem Tag wichtige Arbeiten anstanden.
P.S. Als ich zur Schule gegangen bin, hatten meine Eltern weder ein Auto noch ein Telefon. Zur Grundschule bin ich also gelaufen, ins Gymnasium mit dem Schulbus gefahren oder in späteres Jahren auch getrampt. Und die Straßen waren damals nicht sicherer als heute.
bei uns sind es halteverbotszonen, die morgens regelmäßig von politessen kontrolliert werden. das hat das halten vor der schule sofort gelöst. entweder fahren die eltern auf freie parkplätze oder eben weiter weg um ihre kinder rauszulassen.
Super Lösung, das muss ich unserem Ordnungsamt auch mal vorschlagen. An manchen Tagen ist es lebensgefährlich, sich als Radfahrer da durchzuzwängen, egal ob Erwachsener oder Kind. Sie werden immer dreister und parken jetzt schon auf beiden Seiten der schmalen Zufahrtsstraße.
taten sie bei uns, die werden direkt mit bußgeld belegt und wenn nötig wird auch direkt abgeschleppt, wenn da einer steht und meint kind noch bis an die schulbank zu begleiten.
Bei uns gehört halt leider zumindest der Parkplatz zum Schulgelände und damit müsste die Schule selbst sich um das Abschleppen kümmern. Das Ordnungsamt darf nicht tätig werden. Ist das bei Euch anders?
Aber die Zufahrtsstraße ist meines Wissens nach kein Schulgelände, da werd ich mir mal die Entwicklung anschauen...
Ja, ich konnte dadurch morgens eine Viertelstunde länger schlafen, weil der Schulbus schon um kurz nach Sieben fuhr.
Bei uns auf den Schulen, egal ob Grundschule, Mittelstufe oder Oberstufe, war das eigentlich kaum ein Problem.
Fast alle sind mit dem Bus gefahren, weshalb diese auch mehr als überfüllt waren. Da hätte es mindestens die doppelte Anzahl an Bussen gebraucht, um und alle halbwegs ohne Klaustrophobie nach Hause zu bringen.
In der Oberstufe hatte ich dann auch ein Elterntaxi. Lag aber daran, dass meine Mutter keine 2 Minuten von meiner Schule entfernt gearbeitet hatte. Somit habe ich mir die 2+ Stunden mit den Öffis und das Teure Jahresticket sparen können. Rausgelassen hat sie mich auch ein paar hundert Meter von der Schule entfernt, deshalb haben wir da nie Stau oder ähnliches mitbekommen.
Sobald ich dann 18 war, war das eh egal. Dann ist jeder selbst oder mit Freunden gefahren und dann waren nur die Parkplätze überlastet, aber das ist ja fast normal.
An meiner Selbstständigkeit hat das nie was geändert. Ich hasse es jetzt nur mit den Öffis zu fahren und benutze so gut wie immer das Auto. Solche negativen Erfahrungen sollten aber besser vermieden werden, damit vor allem in Städten mehr mit Bussen gefahren wird.
Meiner Meinung nach sollte es mehr Schulbusse in meiner Umgebung geben, um auch so Mengen an Elterntaxis vermeiden zu können. Ich kann schon verstehen, wenn kleinere Kinder Angst haben Bus zu fahren, wenn sie von älteren fast zerquetscht werden, da die Busse wirklich randvoll sind.
Ja, die Schulbusse waren bei uns auch echt übel, völlig überfüllt, in ner Dose Ölsardienen war mehr Platz. die armen Säcke an den letzten 1-2 Haltestellen passten manchmal nichtmal mit viel Geschubse rein und wurden stehengelassen. Es fielen auch oft Schulbusse aus, was aber nie vorher oder überhaupt irgendwann kommuniziert wurde. Buslotto, besonders im Winter.
Du hast exakt meine Erlebnisse widergespiegelt. Es war eine Qual, vor allem für die jüngeren. Als ich von der Grundschule auf die Mittelstufe gekommen bin, hatte ich im Bus eigentlich gar kein Recht und wurde nur mit letzter Kraft noch in die Tür gequetscht.
Ich entstamme einem Alter, wo wir als Kinder kilometerweit zur Schule gehen mussten, bei jedem Wetter. Ganz am Anfang hat man mit uns den Schulweg geübt und das war es dann auch. Soweit ich weiß, haben alle Kinder überlebt.
Heute arbeite ich selbst in Schulen und bin erschrocken, wie unselbstständig manche Eltern ihre Kinder erziehen. Das sieht man vor allem auf Klassenfahrten. Ständige Erreichbarkeit via Handy, permanente Kontrolle und die Kinder sind nicht in der Lage, einfachste Entscheidungen selbstständig zu treffen. Verbietet man Handys auf Klassenfahrten, dann funktioniert es prima.
Ich bin für ein Verbot der Elterntaxis, zumal davon ein größeres Risiko ausgeht, als mit normalem Schulweg. Ich bin auch für ein Verbot von Handys im schulischen Bereich. Eltern sollten angeleitet werden, ihre Kinder wachsen zu lassen. Es braucht also eine Schule für die Eltern.
Kinder können ab der ersten Klasse mit vorheriger Übung allein in die Schule kommen.
bei uns werden die handys am schultaganfang eingesammelt in kisten und dürfen nach schulende wieder abgeholt werden
Ich finde das vollkommen übertrieben!
In Ausnahmefällen ja. Wenn das Kind einen Arzttermin hat, Stunden ausfallen oder ähnliches dann kann man das machen, aber so generell das Kind zur Schule fahren, nein. Das schränkt doch die Selbstständigkeit des Kindes total ein.
Ich war in der Grundschule in unserem Dorf und bin mit dem Rad gefahren oder gelaufen. Wenn das Wetter mal arg schlecht war (Platzregen, Schnee, Glatteis etc.) haben mich meine Eltern gefahren aber sonst nie. Und das ging meinen Mitschülern genauso. Selbiges galt für die Mittelstufe - mit dem Bus in die andere Stadt gut wars. Wenn man mal den Bus verpasst hat, oder eben Stunden ausgefallen waren, dann wurde ich abgeholt, aber sonst nie. Und das war gut so
Die Frage kam mir ebenfalls als erstes beim Lesen des Textes in den Sinn! XD
Ich bin ´77 eingeschult worden und mein Schulweg war so um die 35-45 Minuten (je nach Tempo). Ab der 1.Klasse ging ich selbstständig und zu Fuß dorthin. Bald dann verabredet mit 2 Freundinnen. Nicht einen dieser Tage würde ich missen wollen, da der Weg hin und zurück toll war.
Nach der Schule war ich meist mit Freundinnen verabredet, oder im Training.
Ich habe meine Eltern oft nur zu den Essenszeiten gesehen und öfter dann eventuell an regnerischen Wochenenden.
Oder im Sommer mit dem Fahrrad zum See bis zu 1 1/2 Std. ganz alleine, oder mit Freundinnen.
Diesen behüteten Kindern geht elementar die Selsbtwirksamkeitserfahrung flöten!