Warum wird Reichtum in Deutschland anders wahrgenommen als in den USA?
In Deutschland werden Erfolg, Innovation, Wohlstand und Reichtum oft kritisch betrachtet. Wenn man einen Porsche in Berlin parkt, besteht die Gefahr, dass er beschädigt wird. Die Linke möchte Milliardäre abschaffen, und Parteien wie die SPD, die Grünen und die BSW befürworten die Einführung einer Vermögenssteuer. Der deutsche Staat und die EU regulieren den freien Markt stark. Junge Menschen, die davon träumen, Millionär oder Milliardär zu werden, werden oft belächelt. In den USA hingegen wird Reichtum geschätzt und akzeptiert. Dort ist es in Ordnung, reich zu sein, und einige republikanische Bundesstaaten gelten sogar als Steuerparadiese. Es gibt keine EU oder deutsche Gesetze, die den Markt stark regulieren und Innovationen behindern. Warum ist das so? Liegt es an der antikommunistischen Erziehung der Amerikaner?
3 Antworten
Es geht nicht um Millionäre. Ich denke, du und ich "dürfen" in Deutschland ruhig "reich" sein. Niemand hat ein Problem mit einem erfolgreichen Familienunternehmen, das seit drei Generationen solide Möbel herstellt. Niemand zeigt mit dem Finger auf die Zahnärztin, die sich eine Dachterrasse gönnt, vier Teilzeitkräfte beschäftigt und mit der Familie auf Mallorca wandert. Das ist okay. Das passt in den Rahmen. Das ist die Art von Wohlstand, die man sich in Deutschland gerade noch leisten darf, moralisch gesehen. Ein Einfamilienhaus, ein Tesla, zweimal im Jahr Urlaub, das ist der Wohlstand, der akzeptiert ist, solange er sauber aussieht. Er darf nicht zu laut sein, nicht zu extravagant, nicht zu groß. Man muss ihn sich „ehrlich verdient“ haben. Und man sollte sich bloß nicht so geben, als stünde man über den anderen. Denn es gibt eine unausgesprochene Regel in Deutschland: Reich sein darfst du, aber du darfst niemanden daran erinnern, dass du es bist. Es geht um die feine Linie. Die unsichtbare Grenze zwischen Erfolg und Größenwahn. Zwischen Anerkennung und Argwohn. Und sobald du sie überschreitest, nicht mit Geld, sondern mit Präsenz, verändert sich der Blick auf dich.
Vor allem geht es aber um Milliardäre. Und was viele übersehen: Milliardäre verkörpern nicht nur Geld, sie verkörpern Macht. Ein Millionär kann sich ein schönes Leben leisten. Ein Milliardär kann sich eine Realität kaufen. Eine Plattform. Ein Narrativ. Ein politisches Klima. Oder gleich eine Regierung. Und genau das ist der feine Unterschied. Der Kipppunkt in der Wahrnehmung. In Deutschland stößt dieser Übergang von Wohlstand zu Einfluss an eine kulturelle Wand. Denn die deutsche Gesellschaft hat ein feines Gespür für Machtverhältnisse, vielleicht sensibler als jede andere westliche Nation. Aus der Geschichte gelernt, aus der Nachkriegsgeneration weitergegeben. Macht darf sich nicht konzentrieren. Weder beim Staat, noch bei Konzernen, noch bei einzelnen Personen. Die Idee von Gleichheit, von Maß und Mitte, ist tief verankert, oft unausgesprochen, aber wirksam. Deshalb wird ein Superreicher in Deutschland nicht nur bestaunt, sondern auch geprüft: Ist da jemand, der nur viel Geld hat, oder jemand, der mit diesem Geld uns beeinflusst? Medien besitzt? Politik sponsert? Gesetze mitgestaltet? Meinungshoheit aufkauft?
In den USA ist das anders. Dort gehört Macht zum Spiel. Wer gewinnt, bestimmt die Regeln. Das ist Teil des Systems. Die Milliardäre werden nicht nur toleriert, sie verkörpern den amerikanischen Traum. Sie sind seine Endstufe. Vom Tellerwäscher zum Techmogul. Vom Nerd zum Weltlenker. Es ist okay, wenn einer 100 Milliarden besitzt, solange man glaubt, dass man es theoretisch auch schaffen könnte. In Deutschland dagegen schwingt immer der Gedanke mit: „Wie viele Schulen könnte man mit diesem Geld bauen?“ Oder: „Was stimmt mit einer Gesellschaft nicht, in der ein Mensch so viel haben darf?“ Es ist kein Neid. Es ist Misstrauen. Ein kulturelles Bauchgefühl. Und vielleicht ist das berechtigt. Denn Reichtum an sich stört niemanden, aber Macht in den Händen weniger schon.
Deshalb geht es nicht um den Porschefahrer in der Innenstadt. Es geht um den, der die Straßen privat bauen könnte, und dann entscheidet, wer dort fahren darf.
Vielen Dank für diesen beeindruckenden und reflektierten Beitrag. Deine persönlichen Erfahrungen aus verschiedenen Kulturen, von den USA über Hong Kong bis nach Shanghai, liefern wertvolle Einblicke in globale Denk- und Wirtschaftsmuster. Auch ich, als Coach, muss leider immer öfter Gründern empfehlen, sich ein anderes Land für ihr Unternehmen zu suchen. Es geht also nicht nur um die Hidden Champions.
Diese Umstände sind mir bekannt, gerade in der Förderung von Start Up und den Zugang von Risikokapital ist es einfachen im Ausland. Hier in Deutschland ist Risikokapital verpönt, da angeblich die Reichen damit nur reicher werden. Die Verluste werden einfach ausgeblendet vom Mainstream. Meine Erfahrungen kommen daher, dass ich vor meiner Selbständigkeit meine Wurzeln im Investmentbanking erworben habe. Damals lernte ich auch den Einsatz und Umgang mit Risikokapital kennen. Zu dieser Zeit kannte man in Deutschland nur die Verbindung zwischen der Politik und Banken/Wirtschaft als „Deutschland AG“. Niemand dachte damals an private Fremdfinanzierungen, was sich im laufe der Zeit für mich immer befremdlicher darstellte. Heute nehme ich Aufträge an, um nicht zu verkalken (lachen) und viele liegen in dem Bereich privates Eigentum zu sichern. Die Auswirkungen dieser Trends werden den Propheten der Gesellschaftsspaltung viel früher offenbart, als sie es in ihrer Ideologie wahrnehmen können. Ohne den Einsatz/Risiko der echten Milliardäre und deren Vermögen, wären wir z.B. nicht so weit in der Raumfahrt, AI, Digitalisierung, Kommunikation oder der Logistik. Da hat Deutschland noch viel zu lernen.
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Da wird Deutschland aber nicht mehr viel lernen, denke ich.
Liebe Grüße
yuutubber, m,65, seit 45 Jahren selbstständiger Multipreneur, seit 1997 im Online-Business.
Wow, dann sind wir in der gleichen Altersgruppe und konnten unsere Erfahrungen unter besseren ökonomischen und politischen Bedingungen machen. Deshalb auch unser Gegenseitiges Verständnis für die jeweiligen Ausführungen. Danke für Deine netten und korrekten Darstellungen und Deiner Offenheit. Ich bin Dipl. Volkswirt und heute Privatier. Einen schönen Abend
Dubai in den Wintermonaten zu verlassen ist etwas ungewohnlich. Habe 20 Jahre lang in Abu Dhabi gelebt und mich meistens im Juli/August nach USA oder DE abgesetzt.
Weil wir Weihnachten und den Jahresübergang mit der Familie immer dort feiern, so ergeben sich im Schnitt um die zwei Monate Plus Minus. In der Hochzeit Juni bis August sind wir meist auch auf Reisen.
Verstaendlich. Beneide euch, da ich mein Leben in Abu Dhabi arg vermisse.
Wir haben dafür aber auch einen hohen Preis gezahlt, Teilweise haben wir uns (meine Frau und ich) 3 Monate nicht gesehen, da sie meine Kanzlei in Shanghai leitete und ich die Mutterfirmen in Europa betreute. Manchmal dachte ich der Erfolg frisst seine Kinder. Wenn es schief gegangen wäre hätte keiner dieser Neider hier nur einen Finger bewegt. Ich kann deine Sehnsucht nachvollziehen, es ist einfach ein anderes Lebensgefühl.
Ich bin Dipl. Volkswirt und heute Privatier.
Auch ich bin so etwas wie ein Privatier oder Rentner, seit ich 24 bin. Allerdings nicht, aufgrund eines Vermögens, sondern weil ich mir ein System erschaffen habe, das "passives Einkommen" bringt. Mein Ziel war nie Reichtum. Es war immer: Freiheit. Ein gutes Leben. Ein überdurchschnittliches Einkommen, ohne dafür täglich arbeiten zu MÜSSEN. Ich wollte nie der Beste sein. Nur der Freiste.
Was ich heute mache:
https://www.gutefrage.net/frage/wie-seid-ihr-auf-eure-geschaeftsidee-gekommen#answer-560406994
Wie ich mit 16 angefangen habe:
https://www.gutefrage.net/frage/von-welcher-person-habt-ihr-am-meisten-gelernt#answer-560498389
Hier noch zwei Lebensphilosophien:
https://www.gutefrage.net/frage/in-welcher-welt-leben-diese-leute#answer-580421606
Was konkret wird in Deutschland deiner Ansicht nach vermeintlich "stark reguliert"?
Ich kann dir versichern, dass die USA in nahezu jedem Lebensbereichen wesentlich stärker reguliert sind und insgesamt weit mehr sowie deutlich restriktivere staatliche Eingriffe haben als es in Deutschland der Fall ist.
Weil wir hier wissen, dass der besondere Reichtum der Einen IMMER auf der Ausbeutung der Anderen beruht.
Besonderer Reichtum kann nur durch Bevorteilung (weniger Steuern, Besitzerhalt, profitable wirtschaftliche Gesetzgebung), Bevorzugung, geheimen Absprachen und Verträgen, Insiderwissen, Gefälligkeiten, Abhängigkeiten usw. der eigenen Gruppe (Mitglieder von Geheimgesellschaften, Elite-Clubs und -Netzwerken), Staatsaufträge an die eigenen Unternehmen und Konzerne (Korruption, Bestechung) entstehen und erhalten bleiben.
Zu einem großen teil beruht es in modernen Wohlstandsgesellschaften auf Ausbeutung der Armut und Not in ärmeren Ländern, sowie dem Erhalt dieses Zustandes in diesen Ländern (Erzwungene Weltbank-Kredite, Entwicklungshilfe an Tyrannen-Regime, Förderung von separatistischen Gruppen (Spaltung, Bürgerkrieg), Förderung von Krieg, Auslösen von Umstürzen und Revolutionen, illegale politische Einflussnahme (Korruption, Erpressung, Mord von Präsidenten und Machthabern, die unkooperativ sind).
Viele Deiner Darstellungen kann ich nur bestätigen. Ich bin nach meinem Studium in die Staaten gegangen und traf auf extreme Unterschiede im kulturellen Bereich. Dies hat mein Denken und Wirken extrem beeinflusst. Danach ging ich beruflich nach Hong Kong und später nach London. Überall lernte ich eine Form des amerikanischen Traums kennen, identifizierte mich damit und verstand die Denkstrukturen in Deutschland immer weniger. 1993 kam ich nach Deutschland retour und gründete eine Firma für Immobilienentwicklung, lernte aber schnell die bürokratischen Hürden und Hemmnisse, aber auch deren Umgehung kennen. Als die Firma erfolgreich wurde verkaufte ich sie und widmete mich einer neuen Herausforderung. Ich fand meine Berufung in der Unternehmensberatung und eröffnete 1996 meine zweite Kanzlei in Shanghai. Dort lernte ich schnell das für Chinesen und auch für Europäische Firmen nur der Gewinn an erster Stelle steht. Die Hintergründe dafür sind wieder in einer Form des amerikanischen Traums begründet. Selbst die Wanderarbeiter leben und streben nach diesem Traum, auch wenn es illusorisch für diesen Personenkreis sich darstellt.
Was ich aber aus meinen Erfahrungen feststellen konnte ist, dass dieses Verhalten die Triebfeder für das Streben nach Wachstum und der Bildung einer stärkeren Mittelschicht, aber auch einer Elite darstellt/hervorbringt. In Deutschland hingegen nimmt die gesunde Mittelschicht immer mehr ab und führt zum Absinken des Gemeinwohls.
Vor ein paar Jahren verlegte ich meinen Hauptwohnsitz nach Dubai und verkaufte nach der Auswanderung meine Kanzleien. Heute bin ich temporär in Deutschland, weil ich ab und zu noch einen Auftrag (wenn er mich reizt) übernehme, und in den Wintermonaten leben wir in der Schweiz.
Du schreibst von Misstrauen nicht von Neid, das war nach meinen Erfahrungen bis Anfang/Mitte der 90ziger Jahre so, heute ist es mehr eine Form des „Kalten Sozialismus“, der sich in den Köpfen der Menschen breit gemacht hat. Viele Familienunternehmen (Hidden Campions) verlegen schon heute ihren Familienwohnsitz oder/und auch die Hauptzentralen ins Ausland. Ich denke wir sollten auf ein gesundes Maß, im Umgang im monetären Bereich und die Vorbildfunktion der bessersituierten Menschen, zurückkommen und Vertrauen bilden.
Andernfalls geht es zwar langsam aber sicher immer weiter auf eine Spaltung der Gesellschaft hin und zum Niedergang unserer Wirtschaft. Dann wird der einfache Porschefahrer zum Staatsfeind