In welcher Welt leben diese Leute?

4 Antworten

Ich möchte dir gern mit zwei Geschichten auf deine Frage antworten.

.

In einem sonnigen Fischerdorf legt ein Fischer mit seinem kleinen Boot am Pier an. Er hat einen großen Thunfisch gefangen. Ein Unternehmensberater, der gerade Urlaub macht, beobachtet den Fischer bereits seit einigen Tagen. Er gratuliert ihm zum heutigen Fang und fragt: „Wie lange warst Du auf See, um diesen Fisch zu fangen?“

Der Fischer antwortet: „So zwei Stündchen.“

Daraufhin fragt der Berater: „Warum bleibst Du nicht länger auf See, um mehr Fische zu fangen?“

Der Fischer erwidert: „Dieser Fang reicht mir, um meine Familie für ein paar Tage zu versorgen.“

Der Berater ist verwundert: „Was tust Du denn mit dem Rest des Tages?“

Der Fischer erklärt: „Ich fahre nach Hause. Nach dem Mittagessen gehe ich mit meiner Frau spazieren und mache eine Siesta. Dann spiele ich mit meinen Kindern. Abends kommen Freunde, wir genießen den Fisch, trinken Wein und philosophieren über Gott und die Welt. Wie Du siehst, habe ich einen gut ausgefüllten Tag.“

Der Unternehmensberater antwortet: „Ich habe studiert und kann Dir helfen. Wenn Du den ganzen Tag fischen gehst, fängst Du mehr Fische. Dann kannst Du die übrigen Fische verkaufen. Von dem Erlös kannst Du bald ein größeres Boot kaufen. Für dieses Boot heuerst Du zwei, drei Fischer an. Ihr werdet so viel fischen, dass Du schon bald mehrere Boote kaufen und eine eigene Flotte aufbauen kannst. Statt an einen Händler verkaufst Du die Fische direkt an eine Fischfabrik. Bald wirst Du soviel verdienen, dass Du eine eigene Fischverarbeitungsfabrik eröffnen kannst. So sparst Du Geld und kannst die Produktion und den Vertrieb selbst kontrollieren.“ Der Berater wurde ganz euphorisch bei diesen Gedanken.

Der Fischer erwidert unbeeindruckt: „Und wie lange wird das dauern?“

„So etwa 15 bis 20 Jahre“, erklärt der Berater.

„Und was ist dann?“, fragt der Fischer.

„Dann kommt das Allerbeste“, antwortet der Berater: „Wenn die Zeit reif ist, verkaufst Du Dein Unternehmen und kannst aufhören zu arbeiten. Du kannst morgens ausschlafen, zum Spaß noch ein wenig fischen gehen und den restlichen Tag mit Deiner Familie und Deinen Freunden genießen.“

Aber genau das tue ich doch jetzt schon“, sagt der Fischer, „nur dass meine Kinder dann aus dem Haus sind.“

.

.

Was wäre passiert, wenn er auf den Berater gehört hätte?

Ein einfacher Fischer, der jeden Tag für ein paar Stunden aufs Meer hinausfuhr, so viele Fische fing, wie er brauchte, und dann sein Leben genoss. Er hatte Zeit, für seine Frau, für seine Kinder, für seine Freunde. Er führte ein einfaches, aber glückliches Leben.

Doch dann kam der Berater.

„Warum bleibst du nicht länger auf See? Du könntest viel mehr Fische fangen, mehr verkaufen, ein größeres Boot kaufen, eine Flotte aufbauen! Stell dir vor, irgendwann besitzt du deine eigene Fischfabrik!“

Der Fischer lachte damals noch. Aber die Idee blieb in seinem Kopf hängen. Was, wenn der Berater recht hatte?

Am nächsten Tag blieb er eine Stunde länger auf See. Dann zwei. Dann drei. Es funktionierte. Er fing mehr, verdiente mehr. Bald kaufte er ein zweites Boot. Dann ein drittes. Dann eine ganze Flotte. Seine kleinen Verkäufe wurden zu Deals mit Großhändlern. Dann mit Fabriken. Dann gründete er selbst eine Fischverarbeitungsfabrik.

Plötzlich war er nicht mehr nur ein Fischer. Er war ein Geschäftsmann.

Und es fühlte sich gut an.

Jedes Mal, wenn die Zahlen stiegen, wenn die Bestellungen wuchsen, wenn der Gewinn explodierte, da war dieses Kribbeln. Dieses Hochgefühl. Der Kick.

Er kaufte mehr Maschinen, erweiterte seine Fabriken, eröffnete Filialen in anderen Städten. Er brauchte keine Netze mehr auszuwerfen, seine Netze waren jetzt aus Geld. Er schlief weniger, arbeitete mehr. Jedes Problem, jede Hürde war eine neue Herausforderung, ein neues Spiel, das er gewinnen musste.

Aber mit jedem Erfolg wurde die Befriedigung kürzer.

Ein Boot reichte nicht mehr. Also brauchte er zehn. Dann hundert.

Ein paar tausend Euro Gewinn machten ihn nicht mehr glücklich. Also mussten es 20.000 Euro sein, dann 100.000 Euro, dann Millionen.

Der Erfolg, der ihm anfangs so viel Freude bereitet hatte, wurde zur Droge. Und wie jede Droge verlangte sie nach immer mehr.

Seine Frau? Sie lebte in ihrer Villa, allein.
Anfangs hatte sie noch gewartet. Auf gemeinsame Abendessen, auf spontane Ausflüge, auf die Momente, die sie früher geteilt hatten. Doch irgendwann hatte sie verstanden: Er würde nie wirklich da sein.
Sie sah ihn nur noch in E-Mails, in kalten Nachrichten, in kurzen Telefonaten zwischen zwei Terminen.
"Ich schaffe es heute nicht zum Essen, Schatz."
"Es wird spät, ich schlafe im Büro."
"Nächstes Wochenende fahren wir weg, versprochen."
Aber es gab immer ein nächstes Mal. Immer eine Ausrede. Immer eine Priorität, die über ihr stand.
Also hörte sie auf zu warten.
Füllte ihre Tage mit Dingen, die nichts mehr mit ihm zu tun hatten.
Wurde zur Frau eines Mannes, der nur auf dem Papier existierte.

.

Seine Kinder? Sie wuchsen auf, während er in Meetings saß.
Als sie klein waren, hatten sie noch nach ihm gefragt.
"Wann kommt Papa nach Hause?"
"Warum ist Papa nie da?"
"Liebt Papa uns nicht?"
Seine Frau hatte gelächelt, ihre kleinen Köpfe gestreichelt und gelogen.
"Papa arbeitet viel, weil er euch eine tolle Zukunft ermöglichen will."
Doch irgendwann hörten die Fragen auf.
Sie verstanden, dass er kein Teil ihres Lebens war.
Sie lernten, ohne ihn zu spielen, ohne ihn zu lachen, ohne ihn zu weinen.
Sie hörten auf, ihn einzuladen, weil er sowieso nie kam.
Ihre Geburtstage?
Er schickte Geschenke. Teure, nutzlose Dinge, die er von seinen Assistenten auswählen ließ.
Doch was sie sich wirklich wünschten, dass er da war, konnte er ihnen nicht geben.
Und als sie älter wurden, wurden sie wie er.
Nicht, weil sie ihn bewunderten. Sondern weil sie nie gelernt hatten, wie es anders geht.

.

Seine Freunde? Er hatte keine Zeit für sie.
Früher saßen sie gemeinsam am Hafen, tranken Wein, lachten über dumme Geschichten.
Früher philosophierten sie über das Leben, das Meer, die Liebe.
Früher reichte ein Blick, ein Handschlag, ein stilles Verstehen.
Doch dann war er beschäftigt.
"Lass uns nächste Woche treffen."
"Ich rufe dich morgen zurück."
"Wir holen das nach."
Er hatte immer gedacht, sie würden warten.
Doch das Leben wartete auf niemanden.
Nach ein paar Jahren hörten sie auf, ihn einzuladen.
Nach ein paar Jahren gab es nichts mehr zu erzählen.
Nach ein paar Jahren war er nur noch eine Erinnerung.
Und irgendwann?
Irgendwann fiel ihm auf, dass er allein war.
Aber da war niemand mehr, dem es noch auffiel.

.

„Nur noch ein Jahr.“ dachte er immer. „Nur noch ein Deal. Dann höre ich auf.“

Doch das tat er nie.

Er hatte einen Rolls-Royce.

Dann kaufte er sich einen Ferrari, dann eine Yacht. Aber wann fuhr er sie? Nie.

Sein Haus hatte zehn Schlafzimmer, einen Pool, einen Kinosaal, aber er lebte eigentlich im Büro.

Er besaß die Welt. Doch er hatte nichts mehr davon.

Die Jahre vergingen. Seine Firma wurde größer und größer. Sein Name wurde bekannt. Er hatte es geschafft.

Doch eines Tages, als er in seinem Büro saß und auf die neuesten Zahlen starrte, kam plötzlich die Stille.

Er schaute auf sein Handy. 300 ungelesene Nachrichten. Keiner davon war von jemandem, der ihn wirklich vermisste.

Er schaute auf den Kalender. Sein Sohn hatte Geburtstag. Er wusste nicht einmal, wie alt er wurde.

Er schaute aus dem Fenster. Das Meer, sein Meer, lag dort in der Ferne. Doch es bedeutete ihm nichts mehr.

Er hatte gewonnen.

Aber den Preis hatte er nie wirklich verstanden.

Er dachte immer, dass es irgendwann passieren würde. Dass er eines Tages aufwachen, sich strecken und denken würde: „Jetzt ist es genug.“

Dass er dann einfach loslassen könnte. Aufhören könnte.

Den Erfolg in vollen Zügen genießen könnte.

Aber dieser Tag kam nie.

Denn „genug“ existierte nicht in seiner Welt.

Jedes Mal, wenn er dachte, dass er sein Ziel erreicht hatte, war da noch mehr.

Ein neuer Deal, ein neuer Markt, ein neuer Konkurrent, den er überholen musste.

Ein größeres Büro, ein teureres Auto, eine luxuriösere Villa.

Er war auf einer Rennstrecke, auf der es keine Ziellinie gab. Immer weiter. Immer schneller. Immer mehr.

Doch irgendwann bemerkte er etwas.

Egal wie viele Millionen auf seinen Konten lagen, es fühlte sich nie genug an.

Egal wie viele Siege er feierte, die Euphorie hielt nie lange.

Egal wie groß sein Imperium wurde, die Leere in ihm blieb.

Also arbeitete er härter. Mehr Stunden. Weniger Pausen. Weniger Schlaf.

Weil er dachte, dass noch mehr das Loch irgendwann füllen würde.

Aber es tat es nie.

Er konnte die besten Weine der Welt kaufen, aber wann hatte er das letzte Mal einen in Ruhe genossen?

Er konnte in den schönsten Hotels schlafen, aber wann hatte er das letzte Mal wirklich gut geschlafen?

Er konnte jedes Restaurant der Welt besuchen, aber wann hatte er das letzte Mal ohne Blick auf sein Handy gegessen?

Er besaß alles, außer Zeit.

Das Leben zog an ihm vorbei, während er dachte, dass es erst später beginnen würde.

Aber wann war später?

Nächste Woche?

Nächstes Jahr?

Nach dem nächsten großen Deal?

Er hatte sich eingeredet, dass er eines Tages anhalten würde.

Dass er es dann wirklich genießen würde.

Dass er sich dann zurücklehnen würde, um das Leben zu leben, das er sich immer vorgestellt hatte.

Aber tief in sich wusste er es längst:

Er würde niemals anhalten.

Denn er hatte verlernt, wie das geht.

Jetzt saß er in seinem Rolls-Royce, fuhr durch die leeren Straßen der Stadt. Das blaue Licht seines Handys flackerte im Augenwinkel, eine weitere Nachricht, ein weiterer Termin, ein weiteres Geschäft. Aber er klickte nicht darauf. Zum ersten Mal in Jahren ignorierte er es.

Draußen liefen Menschen lachend aus einer Bar. Junge Leute, unbeschwert, ohne Deadline im Nacken, ohne das ständige Gefühl, weiter, weiter, weiter zu müssen. Ein paar Meter weiter saß ein Musiker mit einer Gitarre am Straßenrand. Spielte eine Melodie, die niemandem Geld einbrachte, die keinen Business-Plan hatte, aber die ihn glücklich machte.

Er hielt an einer roten Ampel. Links sah er einen Park. Ein Paar saß auf einer Bank, hielt sich an den Händen, sprach leise, als wäre die Welt um sie herum unwichtig. Sie hatten keine Millionen. Kein Imperium. Kein schillerndes Auto. Aber sie hatten Zeit.

Und da traf ihn die Frage wie ein Hammerschlag:

„Wann habe ich eigentlich das letzte Mal gelebt?“

Nicht gearbeitet.

Nicht Deals gemacht.

Nicht nachgedacht, wie man aus etwas noch mehr machen kann.

Sondern einfach nur gelebt?

Die Ampel sprang auf Grün, aber er fuhr nicht los.

Er erinnerte sich an das kleine Boot. An die frische Meeresluft. An die Nachmittage mit seiner Frau. An die langen Gespräche mit seinen Freunden bei einem Glas Wein, als Geld noch keine Rolle spielte.

Er erinnerte sich daran, dass er damals alles hatte. Alles, wonach er jetzt suchte.

Er hatte es verkauft. Eingetauscht gegen den Rausch des Erfolgs, gegen endlose Meetings, gegen Luxus, den er kaum nutzte. Er hatte ein Imperium geschaffen – und seine Seele dabei vergessen.

Langsam legte er die Hände auf das Lenkrad, atmete tief durch.

Was, wenn er einfach umdrehen würde?

Was, wenn er das Büro morgen nicht mehr betreten würde?

Was, wenn er sich einen Tag freinahm, einfach so?

Was, wenn er zurück zum Meer fuhr, sich ein kleines Boot mietete, und einfach nur fischte?

Aber dann vibrierte das Handy wieder.

Er griff danach.

Sah die Nachricht.

Ein neuer Deal. Eine neue Chance. Noch mehr.

Und er wusste, dass er nicht umdrehen würde.

Nicht heute. Nicht morgen. Vielleicht nie.

.


Butterfly123778  16.05.2025, 11:05

Krasse Geschichten. Sehr, sehr schön. Und intensiv.

Die Frage ist, wo sind die in zehn oder zwanzig Jahren.

Vielleicht ist das auch nur der Umsatz, kein Gewinn.

Ich kannte jemanden, der hat viel Hardware verkauft, aber so günstig, dass ihm fast kein Gewinn blieb. Aber der Umsatz war enorm lol


aleluja 
Beitragsersteller
 28.11.2024, 19:06

die fahren mit 800.000€ rolls royce durch die stadt während alle anderen mit normale autos fahren für 5000€ bis 20.000€ ;)

Losona  28.11.2024, 19:06
@aleluja

Dann haben sie es geschafft. Hoffentlich verprassen und verspekulieren sie es nicht. Rolls Royce ist nicht grad ne vernünftige Geldanlage lol

Vierjahreszeit  01.02.2025, 21:51
@aleluja

So ein Blödsinn! Wenn alle Andere mit Autos für 5000-20000€ fahren würden, gäbe es keine Anbieter mehr für Autos über diesen Preisen. Außerdem: Seit wann gibst du der Welt vor, wieviel die einzelne Person verdienen darf oder sollte?

Wenn das stimmt, leben die in einer erfolgreichen Welt.


aleluja 
Beitragsersteller
 28.11.2024, 19:03

ja aber abartige welt? 30.000€ monat ist kein geld? 300.000€ im monat nicht zufrieden?? 3 mio im monat anstreben???

Sie suchen Erfüllung in dem, was sie tun. Die werden sie aber in Weltlichem nicht finden. Irgendwann kommt die Gier noch mit dazu, es reicht einem dann nicht mehr, dass man zur gehobenen Gesellschaft gehört, man will einer der paar Superreichen sein.

Eine Frau im Rollstuhl sieht einen Jungen, der fröhlich über die Straße läuft und denkt sich, wie gern sie doch laufen würde. Der Junge sieht eine Frau auf dem Fahrrad und denkt sich, wie gern er doch radeln würde anstatt zu laufen. Die Frau aber sieht einen Mann, der in einem Auto sitzt und wünscht sich, auch Auto zu fahren, anstelle zu radeln. Der Mann im Auto sieht einen fetten SUV und denkt sich, wie gern er doch das protzige Auto fahren würde, anstelle des seinen.

Ich denke so ähnlich geht es diesen Personen auch (ich denke, so ziemlich jeden eigentlich auf dieser Welt), nur diese Unternehmer sind eben ein paar "Stufen" über uns und wollen halt immer mehr jnd merken dabei gar nicht, wie gut es ihnen eigentlich geht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

aleluja 
Beitragsersteller
 28.11.2024, 19:22

ich finde trotzdem diese stufe des denkens krass... dieser unterschied...

wir normalos verdienen 3000€ im monat und denken 30.000€ im monat ist brutal viel geld..

diese leute sagen 30.000€ im monat ist kein geld weil sie 300.000€ im monat machen und 3 mio im monat anstreben.

der unterschied im denken ist wie lichtjahre...

deshalb die frage, in welcher welt leben diese leute?

Enallage  28.11.2024, 21:48
@aleluja

In ihrer Bubble auf det Suche nach so viel mehr, werden sie aber nicht finden. Die wahre Erfüllung kann nur Gott geben. Aber das erkennen die meisten dieser Sorte leider nicht.