Im vergangenen Jahr wurde nur einer von 13 "Dublin-FlĂŒchtlingen" aus Deutschland zurĂŒckgeschickt. Sahra Wagenknecht spricht von einem "asylpolitischen Skandal".
Deutschland hat im vergangenen Jahr nur einen Bruchteil der FlĂŒchtlinge, die ĂŒber Drittstaaten eingereist sind, in die LĂ€nder zurĂŒckgeschickt, in denen sie eigentlich ihr Asylverfahren hĂ€tten bekommen sollen. Demnach hat Deutschland 2024 rund 75.000 sogenannte "Dublin-FlĂŒchtlinge" aufgenommen, die ursprĂŒnglich in einem anderen EU-Mitgliedsstaat registriert worden waren. Aber lediglich in 6.000 solcher Dublin-FĂ€lle gelang eine Ăberstellung ins Erstaufnahmeland.
Die Zahlen gehen aus einem Bericht des Bundesamtes fĂŒr Migration und FlĂŒchtlinge (BAMF) hervor, den die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht vom Innenministerium erfragt hatte, und der t-online exklusiv vorliegt. Die Vorsitzende des BSW hĂ€lt das fĂŒr einen "asylpolitischen Skandal" â nicht zuletzt, weil auch der mutmaĂliche TĂ€ter von Aschaffenburg ein "Dublin-FlĂŒchtling" war, der nicht abgeschoben wurde. "WĂ€re Recht und Gesetz durchgesetzt worden, hĂ€tte die Tat verhindert werden können", sagte Wagenknecht t-online.
Was ist ein "Dublin-FlĂŒchtling"?Der Begriff "Dublin-FlĂŒchtling" bezieht sich auf Asylsuchende, die gemÀà der Dublin-Verordnung innerhalb der EU in das Land zurĂŒckgefĂŒhrt werden, das fĂŒr ihr Asylverfahren zustĂ€ndig ist â meist das Erstaufnahmeland. Die Verordnung soll verhindern, dass FlĂŒchtlinge in mehreren Staaten Asyl beantragen, und klĂ€ren, wer fĂŒr wen zustĂ€ndig ist. Besonders hĂ€ufig sind LĂ€nder an den EU-AuĂengrenzen wie Italien oder Griechenland Erstaufnahmeland, Deutschland in der Mitte des Kontinents ist es eher selten.
Der 28-jĂ€hrige Afghane Enamullah O., der dringend tatverdĂ€chtig ist, in Aschaffenburg zwei Menschen getötet zu haben, lebte zuletzt in einer Asylunterkunft in der Region. Laut Innenministerium reiste er im November 2022 nach Deutschland ein und stellte im MĂ€rz 2023 einen Asylantrag. Dieser wurde jedoch im Juni 2023 abgelehnt, da gemÀà der Dublin-Verordnung der Staat fĂŒr das Verfahren verantwortlich ist, in dem der GeflĂŒchtete erstmals EU-Territorium betreten hat â in diesem Fall Bulgarien.
Der Fall von Enamullah O. steht offenbar stellvertretend fĂŒr Tausende weitere FĂ€lle von FlĂŒchtlingen in Deutschland. Nur jeder 13. Dublin-FlĂŒchtling wurde in das Land zurĂŒckgefĂŒhrt, in dem er die EuropĂ€ische Union betreten hatte.
GrĂŒnde fĂŒr das Scheitern
Das Problem ist dabei nicht, dass die LĂ€nder, in die Deutschland die FlĂŒchtlinge zurĂŒckschicken wollte, nicht bereit waren, diese aufzunehmen. Von den gut 75.000 Ăbernahmeersuchen wurden 44.000 von den aufnehmenden LĂ€ndern genehmigt. Das heiĂt, 44.000 GeflĂŒchtete hĂ€tten in das Land zurĂŒckgeschickt werden können, in dem sie die EU betreten haben.
Warum dies nur in 5.800 FĂ€llen geklappt hat, habe laut Ministerium viele unterschiedliche GrĂŒnde. Nach aktuellen Zahlen waren mehr als 4.000 GeflĂŒchtete untergetaucht, weitere 2.000 wurden nicht angetroffen, in 4.500 FĂ€llen war die AuslĂ€nderbehörde untĂ€tig, und in 3.000 FĂ€llen gab es andere organisatorische GrĂŒnde. Auch laufende Gerichtsverfahren oder Kirchenasyl verhinderten Tausende Abschiebungen.
"Die Bundesregierung lĂ€sst sich aber auch bei den 'Dublin-FlĂŒchtlingen' ĂŒber den Tisch ziehen", sagt Wagenknecht t-online. Es sei ein "asylpolitischer Skandal", dass Deutschland im vergangenen Jahr 75.000 Asylbewerber, "die schon in einem anderen EU-Land registriert waren, aufgenommen hat und nicht einmal 6.000 davon in die entsprechenden EU-Drittstaaten zurĂŒckschicken konnte".
Bedenklich findet Wagenknecht diese Zahlen auch vor dem Hintergrund, dass Deutschland umgekehrt seinen Verpflichtungen des Dublin-Abkommens weitaus hĂ€ufiger nachgekommen ist. So geht aus dem BAMF-Bericht hervor, dass Deutschland gut 15.000 Anfragen aus anderen europĂ€ischen LĂ€ndern hatte, GeflĂŒchtete aufzunehmen â gut 4.600 von denen seien dann auch in Deutschland aufgenommen worden. Also knapp jeder Dritte.
"Wenn Deutschland jeden dritten 'Dublin-FlĂŒchtling' aufnimmt, aber nur jeden dreizehnten ĂŒberstellt, dann zeigt das, wie absurd die Migrationspolitik von Scholz und Faeser ist", so die Vorsitzende des BSW. Ihr Schluss: "Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, sollte in Deutschland keinen Anspruch auf Leistungen haben. Dann wĂ€re Deutschland auch nicht lĂ€nger FlĂŒchtlingsmagnet Europas."
Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100582740/wagenknecht-kritisiert-gescheiterte-rueckfuehrungen-70000-faelle-betroffen.html