Meinung des Tages: Legasthenie-Vermerk im Abschlusszeugnis - transparent oder diskriminierend?
Das Bundesverfassungsgericht urteilt heute darüber, ob ein Legasthenie-Vermerk im Abschlusszeugnis mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dabei geht es auch um die Frage, ob etwaige Einträge für Transparenz oder Diskriminierung sorgen...
Das Krankheitsbild Legasthenie
Im Gegensatz zu leichteren Lese- und Rechtschreibdefiziten bei Kindern, die i.d.R. mit zunehmendem Alter wieder ausgeglichen werden, handelt es sich bei der tatsächlichen Legasthenie um eine schwere Lese- und Rechtschreibstörung sowie diagnostizierbare Krankheit, die sehr häufig mit psychischen Problemen einhergeht. Die Probleme entstehen oftmals dadurch, dass die Betroffenen Angst vor der Schule sowie den Prüfungen entwickeln und sich aufgrund dessen zurückziehen. Einer Legasthenie kann in gewissen Punkten zwar entgegengewirkt werden, dennoch behält man diese Krankheit ein Leben lang. Alleine in Bayern gelten ca. 10.000 Schüler als Legastheniker.
Ein Fall für das Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht wird sich heute mit der Frage beschäftigen, ob der Vermerk "Aufgrund einer Legasthenie wurden Rechtschreibleistungen nicht bewertet" im Abiturzeugnis diskriminierend ist und, da Legasthenie juristisch als Behinderung klassifiziert wird, damit gegen das Grundgesetz verstößt. Geklagt haben drei ehemalige bayerische Abiturienten, die den Eintrag als massiv stigmatisierend erachten.
Größtmögliche Transparenz oder Diskriminierung?
Der bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus, Michael Piazolo, betrachtet den Vermerk als nicht diskriminierend. Er denkt, dass ein Verweis darauf, dass die Rechtschreibleistungen von Schülern mit Legasthenie anders oder gar nicht bewertet werden, auch transparent im Zeugnis stehen müsse. Schließlich wird seitens der Korrektoren bei der Bewertung des Abiturs von den ansonsten allgemeingültigen und objektiven Bewertungskriterien abgewichen. Zudem gehe es nicht darum, Behinderungen zu dokumentieren, sondern um die größtmögliche Transparenz in Zeugnissen.
Der Rechtsanwalt Thomas Schneider, der die drei Kläger vertritt, verweist klar auf das Grundgesetz, nach welchem niemand angesichts seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Der Jurist denkt, dass sich derartige Einträge im Abschlusszeugnis negativ auf das Bewerbungsverfahren für eine Ausbildungsstelle oder einen Universitätsplatz auswirken, da entsprechende Kandidaten oftmals schon im Vorfeld aussortiert werden.
Unsere Fragen an Euch: Sorgt ein solcher Vermerk für Transparenz oder ist dieser eher diskriminierend? Welche Vor- und Nachteile könnten für Bewerber und Arbeitgeber entstehen? Sollte der Staat das Recht haben, derartige Bemerkungen über Prüfungserleichterungen ins Zeugnis schreiben dürfen? Ist der Vermerk Eurer Meinung nach mit dem Grundgesetz vereinbar?
Wir freuen uns auf Eure Antworten
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/legasthenie-zeugnisse-100.html
255 Stimmen
74 Antworten
Irgendwie wird das Urteil immer falsch wiedergegeben.
Das Gericht hat geurteilt, es ist diskriminierend dass es diesen Hinweis nur bei Legasthenie gibt, bei anderen Einschränkungen (z.B. ADHS etc.) aber nicht. Das finde ich absolut nachvollziehbar.
Jetzt wird überall so getan, als hätte das Gericht den Hinweis als unzulässig verboten. Nö, es hat nur gesagt, entweder bei alle Arten von Besonderheiten einen Hinweis setzen, oder gar nicht.
Ich bin klar dafür dass man einfach dann ab jetzt jede Art von besonderen Ausgleichsregelungen als HInweis festhält. Bei jedem der in irgendeiner Form nicht regulär benotet oder bewertet wurde (egal warum) einen Hinweis darauf ins Zeugnis. Und Zack, rechtlich in Ordnung da keine Diskriminierung mehr statt finden.
Ja, auf jeden Fall keinen Vermerk setzen. Wir helfen den Kranken ja sowieso schon alle durch die Krankenkasse. Je früher man hilft, desto weniger Kosten kommen auf. Das verstehen viele nicht. Ein Obdachloser kostet in den USA 35000 Euro im Jahr Steuergelder, aber trotzdem will keiner Sozialleistungen zahlen. Dass es um ein Vielfaches günstiger wäre und wenn man einen Teil der Obdachlosen wieder integrieren würde, diese sogar Steuern einzahlen würden, will keiner verstehen.
Das ist ein Extrembeispiel, auch gesunde Menschen rutschen manchmal ab, aber kranke haben ein viel höheres Risiko. Je früher man unterstützt und hilft, desto günstiger. Einem kranken Menschen das Leben schwerer zu machen, zieht ihn nur noch weiter runter. Das führt nicht unbedingt zur Obdachlosigkeit, aber eventuell zu erhöhter Arbeitslosenzeit oder weniger Wohlstand und damit im Alter mehr Kosten durch den Staat für Pflege und andere Dinge.
Im Schnitt ist das für alle teurer, auch für die Unternehmen selbst, die Steuern zahlen müssen.
Funfakt lobopedie und therapiestunden für legestenie haben nen hohen selbstbehalt bei der Krankenkasse
Wusste ich nicht, überrascht mich aber auch nicht. Wir sind noch ein weites Stück davon entfernt, dass kranke Menschen nicht selbst für Ihre Behandlung aufkommen müssen. Insgesamt würde das nicht mehr kosten, nur würden Reiche dann über die Steuer mehr bezahlen und Arme weniger.
Vielleicht sollte es ein Formular geben, wo die betroffenen angeben müssen, ob sie das wollen oder nicht.
Ob sie es wollen oder nicht, sie werden abgestempelt, und in der heutigen Zeit, in der Unternehmen nach schnellen Lösungen und aktiver Beteiligung suchen, werden diese Menschen natürlich beiseite geschoben, mit anderen Worten diskriminiert (oder am besten gar nicht erst eingestellt). Es sei denn, das Unternehmen ist sensibel und gibt diesen Menschen eine Chance, unabhängig von ihren Behinderungen, Einschränkungen usw.
Bei mir steht gar kein Vermerk auf dem Zeugnis und ich hatte während der Abiprüfungen und ab Mitte der 12. Eisenmangelanämie und Schilddrüsenunterfunktion und bin ständig eingeschlafen. Und ich war immer müde. ^^ Ich finde es etwas schade, weil ich z. B. aufgrund meines hohen Schlafbedarfs keine Zeit zum Lernen hatte und keine bis kaum Freizeit (manchmal habe ich halt Freunden geschrieben).. Außerdem hatte ich in der 12. Klasse keine Anwesenheitspflicht weil Corona war und meine Mutter Asthma hat, sodass ALLES was ich angegeben habe und nicht abgegeben habe, benotet wurde... Also hatte ich meistens nur alle 2 Wochen was gemacht und den Rest möglichst viel geschlafen - war sehr viel Stress. LRS habe ich nicht. Ich habe letztendlich kaum für die Abiprüfungen gelernt und nur Ethik, bisschen Deutsch gelernt und bei Physik die Info verpasst, dass eine Präsentationsprüfung auch Fragen zu anderen Themen beinhaltet und mich nur auf das eine Thema vorbereitet und hatte keine Formelsammlung dabei, sodass ich seine Fragen nicht beantworten konnte (ich kenne die Formeln und Einheitenumrechnungen nicht alle auswendig. Ich habe außerdem ein eigenes Konzept, um Einheiten umzurechnen...). Informatik brauchte ich zum Glück nicht viel für lernen und bei Mathe hatte ich bestimmte Dinge vergessen zu lernen... Aber es lief okay, aber schlechter als normal.
Außerdem musste ich trotz Atemnot+hoher Puls bei "Anstrengung" (z. B. Treppen steigen) Kreislaufprobleme das selbe im Sport hinbekommen (und wäre dabei fast umgekippt) und hatte dann eine schlechte Note in Sport, weil ich es logischerweise nicht hinbekommen habe.
Ob sie es wollen oder nicht, sie werden abgestempelt, und in der heutigen Zeit, in der Unternehmen nach schnellen Lösungen und aktiver Beteiligung suchen, werden diese Menschen natürlich beiseite geschoben, mit anderen Worten diskriminiert (oder am besten gar nicht erst eingestellt). Es sei denn, das Unternehmen ist sensibel und gibt diesen Menschen eine Chance, unabhängig von ihren Behinderungen, Einschränkungen usw.
Es ist schlichtweg dumm seinem Arbeitgeber sowas zu verheimlichen! Ich erinnere gerne an die bekannte Werbung mit dem Typen in der Werkstatt, der ein Regal beladen hatte, alles ging zu bruch, weil er das Schild "Beladen Verboten!" nicht lesen konnte. Ist doch klar, dass man da dann vom Chef angeschrien wird. Solche Sitationen sollte man durch Ehrlichkeit einfach vermeiden. Ist für beide schöner.
Fazit: Es ist eigentlich vollkommen egal, ob es auf dem Zeugnis steht, oder nicht. Der Mensch sollte akzeptieren, dass er Fehler hat, zu ihnen stehen und ehrlich sein. Wir sind nicht perfekt, auch wenn alle immer so tun als ob. Und DA ist das Problem, an dem eigentlich gearbeitet werden müsste. Weg vom Stolz und den Egotripps. Egal ob Arbeitgeber oder Nehmer oder sogar Arbeitslose. Wären wir ehrlich, müsste man sowas auch nicht auf ein Zeugnis klatschen. Aber der Mensch ist eben so. Das perfekte Tier. Also muss es wohl leider Schriftlich gemacht werden.
Werbung ist nicht Realität und man kann die Aussage „…der Mensch ist eben so…“ auch als ignorant abtun oder in der Psychologie als confirmation bias bezeichnet. Es gibt ein Gesetzt was solche Verzerrungen verhindern soll. Dieses steht im Gleichbehandlungsgesetz verankerte.
Ja, Realität ist ein auf Papier geschriebenes Gesetz von irgendeinem Idioten, der das Glück hatte, etwas Macht zu haben und Werbung, in der ein Chef wegen der Unehrlichkeit seines Mitarbeiters Schäden beheben muss, ist fiktiv... Entweder hast du noch nie für jemanden gearbeitet. (z.B. in einer KFZ-Werkstatt, wo die Verantwortung über das Leben der Kunden beim Chef/Meister liegt) oder aber du lebst auf einem anderen Planeten als ich.
Heutzutage erleben wir einen sehr starken Fachkräftemangel. Vorgesetzte sind unfair, können aber auch tolerant oder familiär sein. Auch in einer Werkstatt.
Wenn man seine Wahrnehmungsschublade jedoch bei einer Meinung belässt, weil es durch den Alltagstrott stetig auf einen einwirkt, dann bleibt es halt so. Aber ist es dann auch wahr nur von einem Aspekt auszugehen? Emotionen geben ja auch einen hohen Beitrag zur Perspektive.
Und ja, ich spreche aus Erfahrung, sowie du sicherlich auch!
Bayern hat ja mittlerweile das Gesetz geändert. Nur eine einzige Form der Behinderung, die die Benotung beeinflusst hat, einzutragen, alle anderen hingegen nicht, war ja schon etwas seltsam. Das sah das Bundesverfassungsgericht ja genauso.
Oft bekommt man bei Legasthenie keine sonderbehandlung oder wird sogar schlechter behandelt
Der vermerk wär nur ne weitere vorführung