Zu "intelligent"/reflektiert für Psychotherapie?
Ich habe eine etwas ungewöhnliche Frage, bei der mich vor allem die Meinungen von Fachleuten oder selbst Betroffenen interessiert.
Ich leide an eine Sozialphobie und anderen Problemen, aktuell gibt es den Verdacht auf Depression.
Ich war schonmal in Therapie deshalb (und überlege, wieder eine zu machen und/oder Medikamente zu nehmen) und ich kann zwar nicht sagen, dass die Therapie gar nicht geholfen hat, da allein die Tatsache, dass man jemanden zum Reden hat, schon Druck rausnehmen kann und es darüber hinaus auch weitere kleine Fortschritte gab.
Wirklich entscheidende Fortschritte blieben aber aus. Ich vermute, dass ein Grund dafür ist, dass ich zu "intelligent"/reflektiert bin. Ich meine das nicht angeberisch, zumal mein IQ mit ca. 120 jetzt auch nicht ganz außergewöhnlich ist. Aber ich reflektiere viel und mein Gehirn versucht auch, hinter allem einen Sinn/Plan/Zusammenhang zu erkennen. Ich habe den Eindruck, dass mir das nicht nur im Leben selbst, sondern auch in der Therapie Probleme bereitet.
Ich erkenne es, wenn der Therapeut (auch wenn es natürlich in guter Absicht ist) mich "manipuliert". Ein Beispiel wäre Folgendes: Mein Therapeut versucht mich (durchaus mit meiner Einwilligung und an sich in Übereinstimmung mit meinen Zielen!) davon zu überzeugen, dass ich ja in nem Verein Leute kennenlernen könnte. Er empfiehlt mir, zunächst nur nach Vereinen zu googeln, ich muss ja nicht wirklich teilnehmen, ich verpflichte mich zu nichts. Ich verstehe aber sofort, dass das ein Trick ist, meine Angst zu "überlisten". Dadurch wirkt die Taktik dann aber nicht. Ich suche zwar die Vereine raus, unternehme dann aber nichts, um einem solchen beizutreten, weil die Aufgabe durch das Raussuchen ja zu Ende ist. Verpflichten zur Teilnehme wollte ich mich ja gerade nicht, das war ja auch die Prämisse, dass ich mich gerade nicht dazu verpflichte.
Versteht ihr, wie ich meine? Und das ist nur ein sehr einfach gestricktes Beispiel zur Erläuterung, das Ganze ist deutlich "schlimmer".
Gibt es das Phänomen, dass zu viel Reflektiertheit/"Intelligenz" eine Psychotherapie behindern kann? Falls ja, welche Möglichkeiten gibt es, trotzdem passende Strategien zu finden?
12 Antworten
Du sagst, du durchblickst das Spiel ziemlich schnell. Hast schnell raus, was das Ziel einer Übung ist. Kannst du das Ziel nicht verstehen? Kannst du den Mehrwert daraus nicht sehen? Verstehst du nicht, wieso er an diesem Ziel mit dir arbeiten will? Es sind nicht die kleinen Schritte. Es ist das Endziel, was er im Auge hat.
Kommen wir auf dein Beispiel:
Das Ziel des Therapeuten: Das du soziale Kontakte knüpfst.
Also schaut er mit dir nach Teilzielen:
1. Ich google welche Vereine es im Ort gibt
2. Ich schaue mir die Homepage der Vereine an
3. Ich schaue wo die Vereine liegen
4. Ich schaue wann die Trainingszeiten sind
5. Ich plane ein Probetraining
6. Ich gehe zu einem Probetraining
etc.
Alles Teilziele zum Ziel: Ich knüpfe soziale Kontakte!
Es mag sein, dass du weißt wohin die Reise gehen soll. Aber am Ende stehst du dir selbst im Weg oder? Wenn du nichts verändern möchtest, wieso bist du dann noch in Therapie? Er kann dir nur den Weg weisen, dir hinweise bzw. Ziele aufzeigen. Gehen musst du alles selbst.
Zu intelligent? Nein.
Zu reflektiert? Nein.
Er zeigt dir den Weg auf. Du verstehst ihn auch. Er zeigt dir Möglichkeiten auf. Du verstehst sie auch. Mehr kann er nicht tun. Der nächsten Schritt liegt bei dir!
Ich hab nochmal ein bisschen recherchiert und der richtige Begriff bei mir ist Intellektualisierung. Ich blocke emotionale Aspekte (Angst etc.) ab, indem ich auf der rationalen Ebene bleibe. Daran gilt es zu arbeiten.
Das Gegenteil ist der Fall: es sollte eher so sein, dass du schneller erfasst, worauf der Therapeut hinaus will und dann entsprechend besser mitarbeiten kannst.
Zu denken, derjenige möchte dich manipulieren, ist überheblich und alles andere als sonderlich intelligent.
Ich hab nochmal ein bisschen recherchiert und der richtige Begriff bei mir ist Intellektualisierung. Ich blocke emotionale Aspekte (Angst etc.) ab, indem ich auf der rationalen Ebene bleibe. Daran gilt es zu arbeiten.
Naja, du bist nicht reflektiert. Natürlich will der Therapeut darauf hinaus, dass du dich überwindest. Das muss man nicht als „uh ich hab den Therapeut durchschaut“ ansehen, sondern das ist logisch.
Du meinst du bist sonderlich reflektiert. In Bezug zu deinem Problem kann ich dir sagen, du bist es nicht.
zunächst mal sollte man klären ob du an der sozialen Angst an sich und oder einer sozialen Inkompetenz leidest. Menschen mit psychischen Erkrankungen haben ihre eigene Ratio, und die ist sehr eng und negativ gestrickt. Das wird bei dir auch der Fall sein. Nur verkennen diese Menschen oft, dass sie eigentlich einen sehr engen Horizont haben hinsichtlich ihrer eigenen Wahrnehmung und der der anderen. Ich meine das Geschriebene nicht böse, geht und ging mir auch so.
Ja, das ist ein abwehrlechsnismus nach Freud. Aber für mich ist das keine Intellektualisierung. Zu sehen dass der Therapeut dich in Richtung Überwindung deiner Ängste bringen will, hat mit diesem Abwehrmechanismus nichts zu tun.
rational denken und zwanghaft rational denken mit dem Sinn jegliche Gefühle zu vermeiden sind 2 paar Schuhe. Zumindest wüsste ich nach deinen Beschreibungen nicht wo letzteres zutrifft.
Das was du hier beschreibst erinnert mich an mich selbst. Das Problem an dem Ganzen ist allerdings, dass all das nichts mit "Logik" im eigentlichen Sinne zu tun hat. Das was du hier als "Trick" bezeichnest ist keiner. Und DAS musst du verstehen lernen. Dein kognitives Gehirn ist bei hohem IQ wesentlich besser fähig "später mal" die Muster zu erkennen um die es geht aber diese haben NICHTS damit zu tun wie du denkst. NULL. Was da gebracht wird sind Vorschläge, aber keine Richtungen. Möglichkeiten, aber keine Verpflichtungen. Weil man schlichtweg überall dort was lernen kann, wo man vorher noch nicht war - geistig, psychisch und physisch. Wie das alles "wirklich" zusammenhängt ist wesentlich komplexer und ich bin sicher das begreift auch ein Einstein erst, wenn er die Therapie wirklich zulässt.
Du suchst die Vereine raus? Passt. Sagt keiner du sollst mitmachen. Die Frage ist nicht ob du das tust sondern: warum nicht. Was hindert dich? Was löst es in dir aus? Wovor hast du Angst? Und so weiter und so fort. Es sind Triggerpunkte die dir irgendwann zeigen können WARUM du so bist wie du bist. Und zum richtigen Zeitpunkt wirst du GENAU mit der Information (weil du sie selbst auf einmal überall siehst), wissen was die Lösung ist.
Die Frage bei allem was du tust ist AUSSCHLIESSLICH: warum oder warum nicht. Und dann gehts darum herauszufinden woher es kommt. Ist ziemlich schwer zu erklären. Als jemand mit hoher Intelligenz hast du jede Voraussetzung schneller durch die Therapie zu kommen als Andere. Aber bilde dir nicht ein zu wissen, worum es geht. Irgendwann wirst du wissen, dass du falsch gelegen hast. Wenn du wirklich verstehst wies funktioniert. Psyche ist keine Mathematik und das was du an der Oberfläche siehst oder vermutest ist falsch. Lass dich einfach drauf ein. Und achte mehr darauf wie es sich anfühlt als darauf was du tust.
Intelligenz ist da das falsche Wort. "Über-Analytisch" passt besser.
Man analysiert sich selbst und die Ursachen sehr gründlich, vom Kopf her versteht man alles, doch dadurch, dass man zu rational an alles rangeht, unterdrückt man die Gefühle.
Dadurch kann man nicht an sich arbeiten, bzw man kann nicht dort ansetzen, wo man hin muss und es findet keine Änderung statt.
Ich habe dasselbe Problem. An sich finde ich es gut, ich fühle mich sicherer damit (wie fast alle Betroffenen, da es das Gefühl von Kontrolle gibt), doch es ist natürlich frustrierend nicht vorwärts zu kommen. Gefühle zu erreichen und zuzulassen ist deutlich schwerer als Hintergründe zu verstehen.
Dein Problem aktuell ist, du weißt was du tun musst, aber du tust es nicht. Weil du vermutlich gelernt hast, dass es sicherer ist nichts zu tun, nichts zu ändern, keine Kontakte zu haben. Nun kann der Therapeut aber wenig tun, denn letztendlich musst du selbst etwas ändern. Dabei kann übrigens eine Tagesstätte oder eine Eingliederungshilfe helfen.
Hast du dann aus deinen Problemen rausgefunden und wenn ja, wie?
Und wie meinst du das mit der Tagesstätte usw.?
Ich bin noch dabei. Wenn ich etwas fühle, versuche ich das zuzulassen, statt zu unterdrücken, zu analysieren oder mich anderweitig zu beschäftigen. Aber das ist kaum auszuhalten.
Eine Tagesstätte ist ein Ort für psychisch Kranke Menschen, die zb keine Tagesstruktur mehr haben oder Probleme im Umgang mit Menschen haben. Dort kann man sich langsam daran gewöhnen.
Kann ich verstehen.
Ok, aber ich arbeite ja, ich kann nicht zur Tagesstätte gehen. Höchstens auf Kur oder so für kurze Zeit.
Ich sagte auch nicht, dass du da hin musst. Es war ein Beispiel. Es gibt auch Kontaktstellen für Berufstätige oder du gehst in einen Verein, in den Park, whatever.
Ich bin auch mit einer sozialen Phobie in einer Tagesstätte und kann ganz gut allenen aus dem Weg gehen^^
Dort kannst du arbeiten, nur spielen oder whatever.... Langweilig wirds den Leuten da nie
Ich arbeite im cafe und hab da meine absolute Ruhe ^^
Therapeuten sagen immer man müsse soziale Kontakte knüpfen.... Hust
..aber kein Therapeut fragt ob man das überhaupt möchte
Also bei mir fragten die Therapeuten immer, ob ich zufrieden bin wie es ist (dann müsste man daran nichts ändern, solange es nicht schadet) oder ob ich tatsächlich eine Änderung wünsche.
Bei mir hat der Therapeut schon gefragt?
Ich hab nochmal ein bisschen recherchiert und der richtige Begriff bei mir ist Intellektualisierung. Ich blocke emotionale Aspekte (Angst etc.) ab, indem ich auf der rationalen Ebene bleibe. Daran gilt es zu arbeiten.
Und wie hast du deine Probleme überwunden?