Therapeut rät von Psychotherapie ab. Ist das ein guter Rat?
Die Frage bezieht sich auf meinen Freund. Dieser hat sich nach langem Überlegen dazu entschieden es mal mit Therapie zu versuchen. Er hat dann zu erst einen Termin für ein Erstgespräch gemacht um sich beraten zu lassen.
Es ging ihm grob darum dass er oft mit Stress im Alltag zu kämpfen hat und Probleme hat sich mit seinen Emotionen auseinander zusetzen, und das er Probleme hat sich selbst an erster Stelle zu setzen und eher für andere da ist als für sich selbst.
Der Therapeut ist mit ihm kurz die typischen "Burnout" Fragen durch gegangen, diese sind wohl zum Großteil verneint worden, hat ihm dann dazu geraten "mehr Me-Time zu nehmen" meinte "das es ja eigentlich ganz schön ist wenn man sich nicht zu viel aus den eigenen Emotionen macht" und das er eben ein People Pleaser ist und darauf achten soll sich das immer wieder bewusst zu machen. Er meinte außerdem das er nicht denkt das mein Freund eine Therapie benötigt und meinte am Schluss noch "dass er wie ein richtig psychisch gesunder Mensch auf ihn wirkt"
Mein Freund hat sich darüber erstmal gefreut und dem Therapeuten was sein Urteil angeht vertraut und sieht eine Therapie jetzt nicht mehr als nötig da er ja mit einem professionellen geredet hat.
Ich war von dem ganzen etwas verwirrt da ich immer dachte das auch "psychisch gesunde" Menschen eine Therapie machen können und auch sollten wenn Sie den Wunsch danach haben etwas zu ändern und auf mich wirkt es so als hätte der Therapeut meinem Freund gut zu geredet um ihn von der Idee eine Therapie zu machen weg zu bringen... Das besorgt mich etwas da es ein langer Weg war bis mein Freund sich mit seinen Problemen mehr auseinander gesetzt hat und ich hab Angst das er das ganze jetzt unter den Teppich kehrt weil dieser Typ meinte er muss sich keine Sorgen machen..
5 Antworten
Es gibt aus meiner Sicht zwei Aspekte, die hier relevant sein könnten:
1. Manche Probleme lösen sich tatsächlich dadurch, dass man aufhört, darin ein Problem zu sehen und sich selbst so akzeptiert, wie man ist. Die Frage ist nämlich, welche konkreten Auswirkungen die - sagen wir mal - Schwächen deines Freundes haben? Stress haben wir alle und perfekt ist auch niemand von uns. Welche Folgen hat es, wenn dein Freund sich nicht mit seinen Gefühlen auseinandersetzt? Solange es ihm gut geht, ist das nicht wirklich ein Problem.
2. Die Therapieplätze sind begrenzt, und insbesondere Sitzungen, welche von der Krankenkasse übernommen werden sollen, müssen gut begründet werden. Das heisst, die Krankenkasse will wissen, welcher Nutzen die Therapie hat und ob die Kosten gerechtfertigt sind. Und das knüpft an den obigen Punkt an: Wenn keine konkreten Auswirkungen erkennbar sind, dann wird es schwer, eine Kostengutsprache zu bekommen.
Das ist alles sehr verständlich, klingt für mich aber nach normalen Lebensumständen, die keine Therapie benötigen. Jeder muss sehen, wie er Beruf/Karriere, Freunde, Familie und Zeit für sich selbst unter einen Hut bringt.
Und sicher klingt sein Job stressig, aber da ist er bei Weitem nicht der einzige.
Darüber hinaus habe ich nicht das Gefühl, dass er seine Gefühle oder Bedürfnisse missachtet. Er merkt, dass es so, wie es jetzt läuft, noch nicht das Gelbe vom Ei ist.
Und da ist er gefordert, mit der Zeit ein besseres Gleichgewicht zu finden - wie alle anderen auch.
Mir ist als psychisch krankem Menschen auch schon unterschiedliches geraten und gesagt bzw. diagnostiziert worden. Manche haben mir zu einer Therapie geraten, andere nicht. Manche diagnostizierten eine Depression, andere nicht. Das Problem ist bei psychischen Erkrankungen, dass das oft mit subjektiven Eindrücken seitens des Psychiaters verbunden ist. Wirkt man nicht depressiv, sind keine Depressionen vorhanden u.a. Mein aktueller Psychiater erzählt mir momentan, dass ich keine Depressionen hätte, weil ich arbeiten gehen möchte, was Unsinn ist.
Wenn Dein Freund sich nicht richtig sozusagen gesehen bzw. missverstanden fühlt, würde ich mir andere Meinungen einholen.
Im Übrigen ist es leider auch nicht immer so, dass jeder Fachmann die Ahnung hat oder die Fähigkeiten hat, die er haben sollte. Alles Gute!
Ich war von dem ganzen etwas verwirrt da ich immer dachte das auch "psychisch gesunde" Menschen eine Therapie machen können und auch sollten wenn Sie den Wunsch danach haben etwas zu ändern
Nein. Therapie ist etwas für Menschen mit einer psychischen Störung. Sonst ist es Coaching oder Lebensberatung (was man auch machen kann, aber das ist dann nicht das gleiche wie eine Psychotherapie, die von der Krankenkasse bezahlt wird).
Was aber sein kann, ist, dass der Therapeut etwas übersehen hat.
Aber sollte es stimmen, dass er psychisch gesund ist (in dem Sinne, dass keine psychische Störung festgestellt werden kann), braucht er auch keine Psychotherapie.
Selbstfürsorge ist ganz offensichtlich nicht die Stärke deines Freundes und es wäre bestimmt gut für ihn, wenn er daran arbeiten würde.
Er kann durchaus eine Therapie machen, nur muss er sie dann eben selbst bezahlen. Übernommen wird es nur, wenn man tatsächlich krank ist. Und das scheint nicht der Fall zu sein.
Danke für deine Antwort. Gerade den Punkt mit der Krankenkasse hatte ich so noch gar nicht bedacht.
Nun er ist beruflich sehr viel unterwegs und auf seinen Reisen auch immer sehr gefordert, hält reden und muss immer top abliefern, er macht quasi immer Überstunden (so viel das sein AG ihn immer wieder darauf hinweisen muss diese abzubauen), er ist privat und auch im Urlaub immer erreichbar für die Arbeit und es gibt Monate da ist er mehr Tage unterwegs als er zuhause ist. Und wenn er von solchen Reisen nach hause kommt ist er häufig sehr "abwesend" wirkt gestresst und ist viel schneller gereizt als er es normal wäre. Außerdem hat er das Gefühl keine Zeit für Familie, Freunde und Freizeit zu haben da er immer nur vom einen zum anderen springt aber nie irgendwo richtig ankommt. Deshalb ist die Sorge da dass ihm das auf Dauer auch gesundheitlich zu schaffen macht, gerade weil er sich mit seinen Emotionen oft nicht auseinander setzen kann und sie eher unter den Teppich kehrt.