Keine Qualifizierten Arbeiter: kein Personal trotz gutem Gehalt
Für viele Unternehmen wird es immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden.
Manuel Löw-Beer (35), Gründer und Geschäftsführer des österreichischen Cybersecurity-Unternehmens Spixnet, kann davon ein Lied singen: "Wir suchen zwei bis drei gute Programmierer, gerne auch im Homeoffice. Was die Ausbildung betrifft, ist es natürlich gut, wenn Bewerber ein fertiges Informatik-Studium haben, aber es ist nicht zwingend notwendig" (...)
Gehalt ab 5.000 Euro aufwärtsAn Bewerbern mangelte es bisher nicht, auch die Bezahlung ist laut Löw-Beer gut: "Wir bieten jenseits von 5.000 Euro pro Monat und damit eine deutliche Überzahlung bis zu 30 Prozent über den Kollektivvertrag" (...)
Doch so manchem Job-Interessenten ist selbst dieses Gehalt zu wenig: "Ein TU-Student kam frisch von der Uni. Er sagte: 'Unter 70.000 Euro im Jahr steige ich gar nicht erst ein, eigentlich will ich 105.000 Euro.' Das muss sich ein Unternehmen erst einmal leisten können. Ein Start-up ist kein Großkonzern (...)
Meist scheitere es an der Qualität der Bewerber, so der Chef: "90 Prozent nutzen nur noch ChatGPT!Wir benötigen Software-Entwickler, die tatsächlich programmieren können. Früher haben sich Programmierer mit Themen beschäftigt, in Softwarebibliotheken gesucht, interpretiert, adaptiert und verbessert. Heute nutzen fast alle nur noch ChatGPT und Co., was zu völlig schadhaften Codes führt. Bewerber sollten daher gängige Programmiersprachen (...) beherrschen (...) doch dazu ist kaum noch jemand in der Lage", erklärt der Firmenchef.
Was denkt ihr über die derzeitige Situation?(Rechtlicher Hinweis: Die in diesem Beitrag verwendeten Textstellen sind Zitate aus dem Artikel „5.000 € Gehalt – aber Firmenchef findet kein Personal“, heute Zeitung, abrufbar unter diesem Link. Die Zitate dienen der inhaltlichen Auseinandersetzung im Sinne des § 51 UrhG (Zitatrecht). Die Rechte am Originaltext liegen beim jeweiligen Rechteinhaber.)
9 Antworten
Der Unterschied zwischen Anspruch und Realität: auf der einen Seite bei der Qualität der Bewerber Ansprüche wie Google haben, bei der Bezahlung dann aber kein Grossunternehmen sein wollen. Mein Chef sagte dazu immer: „If you pay peanuts, you get monkeys…“
Gute IT Spezialisten mit Berufserfahrung, die für 60 k Jahresgehalt arbeiten ?
Wovon träumt der nachts ?
Jo, ist alles nix Neues, abgesehen von ChatGPT.
Gehalt
Das Thema Gehalt liegt vermutlich am Internet und Social Media. Die Leute kriegen nur noch die Highlights von einigen wenigen Überfliegern mit. Teilweise wird auch gefaked und gelogen.
Dazu dann so Geschichten wie "A Day in the Life of a Software Engineer at [Silicon Valley Company]".
Dort sieht man dann in den Unternehmen, die so mit am besten zahlen, natürlich unter komplett anderen Lebensunterhaltskosten usw. Sieht wie die fünf mal am Tag in der Firma was essen, etwas Kicker und Playstation spielen und der Tag ist wieder vorbei, das alles bei 200-300k + Aktien.
Aber auch im deutschsprachigen Raum sind es dann irgendwelche Fragen auf Social Media und was steht ganz oben und wird von allen hochgevotet? Die eine Person mit 100k in München.
Weiter unten hat man ggf. jemand der 60k in Chemnitz verdient, wo dann gesagt wird, er sollte auch mindestens 100k verdienen. Er wird ausgenutzt, über den Tisch gezogen etc. Dass das anhand der Lebensunterhaltskosten mehr ist als die 100k in München realisiert man dabei natürlich nicht.
Bewerberqualität
Und ja, auch die Qualität der Bewerber war vor ChatGPT schon durchwachsen. Die Firmen haben aber auch unterschiedliche Anforderungen. Es gibt eben auch einen Bedarf für Leute, die nur eine fertige Plattform zusammenklicken und mit kleinen Skripten ergänzen oder einfache CRUD Anwendungen in einem Framework umsetzen.
Aber natürlich gibt es auch Firmen, die mehr als das brauchen. Deshalb ist das bei uns im Unternehmen auch sehr schwer wirklich gute Leute zu finden. Man filtert natürlich schon nach den Bewerbungsunterlagen gut vor. Aber selbst bei dieser vorgefilterten Auswahl sind vermutlich keine 10% wirklich zu gebrauchen.
Wobei ich auch gestehen muss, dass ich es schwer finde einzuschätzen wo jemand der bestimmte Sachen heute nicht kann ggf. in ein oder zwei Jahren steht. Es ist ja eher die Bereitschaft und Auffassungsgabe.
Natürlich ist die IT-Branche aber auch ein wenig selbst dran schuld. Wir erfinden das Rad ständig neu, der Bereich wächst unglaublich in die Breite. Es fehlt ein roter Faden. Wir erfinden Best Practices alle paar Tage neu oder geben alten zumindest neue Namen etc.
ChatGPT
Und ja, Sachen wie ChatGPT sorgen für neue Probleme. Wobei ich gestehen muss, ich verstehe gar nicht wie Leute diese Tools wirklich nutzen können. Ich kriege dort zu 90% Sachen raus, wo sich das LLM irgendwelche Sprachkonstrukte und co. zusammenfantasiert.
Da wird dann gesagt seit Version X unterstützt die Sprache Referenzen auf Funktionen und es werden hunderte Zeilen Code eines Design Patterns ausgespuckt, während das Sprachkonstrukt in der Sprache eben nicht vorhanden ist und diese Umsetzung nicht möglich ist.
Frage ich es nach Beurteilungen von Code, den ich geschrieben habe, dann werden da Fehler reinfantasiert, wobei dies die offensichtlichen Randfälle sind, die ich selbstverständlich getestet habe und die keine Probleme machen.
Und auch wenn da mal für eine einfache Aufgabe ausführbarer Code rauskommt, dann ist der alles andere als elegant und verständlich, sondern sehr verbose und sieht aus wie von einen Programmieranfänger zusammenkopiert.
Es ist zwar erstaunlich was KI kann und es gibt sicher Bereiche, wo diese sehr hilfreich ist. Ggf. fürs Brainstorming, ggf. fürs kreative Schreiben oder eine kurze Mail, ggf. andere Sachen wie Stable Diffusion um Grafiken zu generieren, was in Sekunden geht, während man auch in Sekunden beurteilen kann, ob das Ergebnis gut ist.
Aber bei Code sehe ich den Vorteil nicht wirklich. Ich muss sehr ausführlich in einer verbosen Sprache wie Deutsch mein Problem definieren, muss es wirklich verstehen, ohne mich da wirklich reingearbeitet zu haben und muss dann noch die Lösung verstehen, die ggf. komplett anders geschrieben ist als Code, den ich schreiben würde.
Direkt vorweg hier einige Angaben vermisse:
- Wo werden Stellen ausgeschrieben und wie sehen die Stellenausschreibung aus?
- Gibt es eine Präsenzpflicht, teilweise Remote oder volle 100 % Remote?
- Was wird zusätzlich zum Entgelt geboten? Obstkorb und Kaffee?
- Beim Thema ChatGPT: Woher kommt er auf die angeblichen 90 Prozent?
Ich möchte es dem Manuel Löw-Beer nicht absprechen, dass es an Fachkräften mangelt und die wirklich guten Softwareentwickler nicht auf Unternehmen warten. Gerne gewünscht: Frisch von der Uni aber 15 Jahre und mehr als Senior Dev.
Früher haben sich Programmierer mit Themen beschäftigt, in Softwarebibliotheken gesucht, interpretiert, adaptiert und verbessert.
Das hat sich die Branche teilweise auch selber zuzuschreiben, durch mehr Arbeit für immer weniger Personal oder durch zu hoch gesteckte Ansprüche. Gerade letzteres spiegelt sich auch in so mancher Stellenannonce wider, in denen Tech-Stacks beinah wahllos hineingeschrieben werden. Klassiker Java statt JavaScript und umgekehrt.
Allgemein - also branchenübergreifend gilt, dass Deutschland, Österreich resp. Europa mit dem Rest der Welt im direkten Wettbewerb steht. Gerade Berufe in denen man nicht ortsgebunden ist, suchen sich qualifizierte Fachkräfte das beste Angebot raus. Die 5.000 € brutto sind nicht schlecht, woanders bietet man teilweise deutlich mehr. Nicht zwingend beim Lohn, jedoch durch andere Benefits und steuerliche Vorteile.
Ich kenne jetzt die Zahlen von Österreich nicht und es nur von Deutschland auf dem Schirm habe, dass jedes Jahr ~200.000 Fachkräfte abwandern. Wie viele es aus der IT sind kann ich nicht sagen, da wird aber sicher auch so mancher Entwickler dabei sein. Der Wegzug (ob ganz oder zeitweise) ist umso wahrscheinlicher, wenn man noch jung ist, im besten Fall noch keine Kinder hat und daher einfach abhauen kann.
Nichtsdestotrotz Manuel Löw-Beer teilweise zustimme. Es gibt halt eine Vielzahl an Faktoren resp. Einflüsse, warum es schwerer wird gutes Personal zu finden. Es ist ja auch nicht neu, dass laut dem DZHW etwa 45 % der Informatik-Studenten ihr Studium abbrechen. In Deutschland und Europa wurde und wird es eigentlich seit Jahrzehnten verpennt, schon viel früher bei Kindern und Jugendlichen das Interesse zu wecken.
Ein Gehalt von 70k oder sogar 105k direkt nach dem Studium ohne Berufserfahrung ist utopisch und mMn. massiv überzogen. So ein frischer Uni-Absolvent ist (je nach Kursen) immer noch blutiger Anfänger, also kaum zu gebrauchen, insofern kann ich die Verbitterung bei solchen Forderungen durchaus verstehen. Es kann aber auch sein, diese Leute doch gut sind, die wirklich guten Leute erlangen ihre Fähigkeiten nicht in Ausbildung/Studium, sondern privat, wenn denen das bewusst ist, verlangen sie ggf. auch entsprechend viel.
5000/Monat bzw. 60k im Jahr sind aber gar nicht so viel für einen guten und erfahrenen Softwareentwickler, da wäre auch deutlich mehr drin. Wenn das also die Anforderung ist (guter erfahrener Entwickler), dann sollten sie das Gehalt etwas höher ansetzen. Und mein Kentnissstand ist paar Jahre alt, da kommt also noch einiges an gestiegenen Lebenserhaltungskosten dazu.
Außerdem haben die guten Leute in der Regel bereits Arbeitgeber, und die, die suchen, sind meistens nicht sehr lange auf Suche. Man muss die guten Leute also abwerben, das machen in der Regel Headhunter, aber die wollen auch nicht ganz wenig Geld, hängt vom Gehalt ab, meine ich.
Dass mehr und mehr Leute irgendeine KI nutzen, kann natürlich sein, ich würde das aber nicht pauschal ablehnen. Gerade für Anfänger KANN das hilfreich sein, WENN sie die Antworten richtig einordnen und sich nicht darauf verlassen.
Aber klar, die Kosten sind hoch, das ist aber auch nicht erst seit Gestern so, Softwareentwicklung war schon immer teuer und das wird sich auch nicht so schnell ändern, solange der Beruf in vielen Berufen noch diesen "Ich bin zu dumm dafür" oder "Alles unsoziale Keller-Nerd" Ruf hat. Außerdem bräuchten wir ein Pflichtfach in der Schule, der gezielt abstraktes Denken lehrt, im Matheunterricht geschieht das zwar ein Stück weit, aber Mathe lehnen viele ja kategorisch ab.
Darüber hinaus haben kleinere Firmen natürlich ein Problem. Ich denke, das beste ist, ein paar wenige wirklich gute Leute suchen (die wirklich guten wissen um den Wert einer guten Firma trotz niedrigerem Gehalt), ggf. mit hohen Gehälter locken und danach weniger erfahrene Leute einstellen oder selber ausbilden, dabei kann man auch versteckte Perlen finden und mit geschickten Angeboten an die Firma binden.
Die wenigen sehr guten Leute tragen dann die Anderen mit und können das KnowHow des ganzen Teams heben - zumindest solange die Kollegen lernbereit sind.
Zumindest so ist es bei uns, zwei sehr gute Leute, die beiden tragen die technische Basis und unterstützen die Kollegen. Und drei Azubis, von denen sich einer als potentielles Genie (in ein paar Jahren) und ein anderer als Projektmanagement-Genie (schon heute) herausgestellt haben.