(Wie) merkt man ob man völlig aus der Essstörung raus ist?


31.05.2025, 23:35

Hab halt auch Angst, dass ich mich jetzt an das viel-essen gewöhne und immer weiter zunehme. Weil an sich liebe ich essen 😅

7 Antworten

Ist das noch Teil der Essstörung

Ja, das ist auf jeden Fall noch Teil der Essstörung. Du bist weiterhin mit deinem Körper undzufrieden und vergleichst dich mit deinem "alten Ich". Du kompensierst das Essen mit Sport & Übergeben.

Wo du gerade stehst: In einer wichtigen Phase der Heilung, in der es um mehr geht als um das reine Gewicht & Verhalten. Jetzt kommen die tiefen, emotionalen Themen zum tragen:

  • Wie gehe ich mit Emotionen um, wenn ich sie nicht durch die Kontrolle des Essens reguliere?
  • Wer bin ich, wenn ich nicht mehr "die Disziplinierte" oder "die Dünne" bin?
  • Was brauche ich abseits des Essens, wenn mir langweilig oder leer ist?

Inkognito-Nutzer   01.06.2025, 13:23

Okay danke, glaub du hast das ganz gut zusammengefasst. Das Erbrechen ist echt selten geworden und wenn ich keine Kalorien zähle, triggert es mich auch nicht so, wenn ich mal zu viel esse (was aber noch häufiger vorkommt leider).

Ja ich will die Disziplin und alles, was mit dem Hungern und dem Gefühl einher geht, zurück manchmal und den Körper. Aber ich weiß, dass ich es nicht schaffen würde, nochmal so viel abzunehmen.
Glaub, ich versuch die ES festzuhalten, weil - wie du sagst - ich nicht weiß wer ich dann bin/sein kann. Weil ich mich sonst verloren fühle manchmal.

Und dann, wenn ich gute Tage hab, denk ich, ich übertreib einfach und hab sonst keine Hobbys haha

Ich bin jetzt wieder unzufrieden mit meinem Körper, weil ich eben mehr Fett hab (61kg 170m), aber trotzdem überessen ich mich öfters noch. Auch aus Langeweile oder zur Kompensation von Gefühlen oder so.

Ja, das klingt eindeutig nach einer Essstörung. Du isst nicht zur Energieaufnahme und zum Genuss, sondern verbindest Gefühle damit, die da eigentlich nichts zu suchen haben.

Weil an sich liebe ich essen

Das klingt gut! Es passt aber nicht zu deinen anderen Erklärungen hier. Das ist keine "Liebe", sondern es geht auch um den "Missbrauch" zur Gefühlserzeugung. Auch die Angst vor dem Fettanteil zählt zur Erkrankung.

Natürlich ist ein gesunder Fettanteil gesund und damit auch das Ziel einer Ernährungsstrategie. Wenn man aber keine Essstörung hat, betrachtet man die Waage und denkt sich ganz gelassen: "Ah, dann lasse ich jetzt mal Kuchen weg. Schauen wir mal, ob sich das Gewicht dann in 4 Monaten wieder in die richtige Richtung bewegt." Ängste sind dagegen emotionale Kicks, mit der du auf ungesunde Weise spürst, dass du lebst.

Mach gefühlt eher Rückschritte als Fortschritt 😬

Solche harten Selbstbeurteilungen passen auch zu einer aktiven Essstörung. Du könntest genauso gut die Vergleiche weglassen und beim Sport einfach auspowern, was gerade auszupowern ist.

Das System, dass dich heute mit Sport und Nahrung aufrecht erhält, sollte noch 60 Jahre so funktionieren. Natürlich wirst du dann nicht nur "Fortschritte" machen, sonst wären ja alle Olympia-Sieger über 80 Jahre alt. Dass der Körper immer perfekt dünn und leistungsstark ist, ist eine ungesunde Sichtweise und als Ziel überhaupt nicht erreichbar.

Hat deine Therapie nach einem Jahr dir bereits geholfen?

Eine Bekannte von mir, die mit 20 an einer Magersucht litt, kämpft jetzt mit 60 mit den Spätfolgen. Die Knochen sind brüchig, die Haut ist dünn, die Leber geschädigt und das Herz hat ein paar Macken abbekommen. Sie meint, dass eine Magersucht niemals aufhört, sondern dann man lediglich einen Weg findet, mit den Gefühlen und Ängsten klar zu kommen. Sie vergleicht das mit Alkoholismus, den man auch nicht mehr loswird, aber man kann dauerhaft dem Alkohol aus dem Weg gehen.

Ob das allgemeingültig ist, weiß ich nicht. Dazu wird die Psychotherapeutin mehr wissen. Was sind denn deine Therapieziele?

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Lese Fragen durch und vermeide Ferndiagnosen

Inkognito-Nutzer   03.06.2025, 18:49

Danke für deine Antwort!

Ich glaub ich steh auch an dem Punkt, dass ich merke, wenn ich nicht aus Hunger/Appetit esse, sondern um mich betäuben zu wollen. Hatte die letzten Tage kaum Probleme mit regelmäßigem Essen oder überessen oder schlechtes Gewissen. Klar ab und zu kommt das noch kurz, aber wirklich viel weniger. Das ist so befreiend😅

Bin gespannt was die Waage sagt, wenn ich wieder ins Gym kann (muss gerade aus anderen Gründen pausieren).

Therapie hilft auf jeden Fall. Das Wissen, dass da eine fachkundige Person ist, beruhigt schon.

Ich glaub die Therapieziele gehen so in Richtung Selbstwert/Zweifel, innere Leere, Ziellosigkeit und sowas

Also jetzt die Tage hab ich eine gute Phase, ich hoffe das bleibt so.

mjutu  03.06.2025, 23:49
@Inkognito-Beitragsersteller

Das klingt gut. Hebe dir dieses Gefühl auf!

Manchmal hilft es, sich ganz feste Therapieziele zu suchen, etwas ganz Konkretes. Das könntest du dann auch erreichen. Das kann das Erreichen eines "Normalgewicht" sein, oder eine gewisse Menge Lebensfreude z.B. für einen Urlaub in Spanien.

Es wäre sicher hilfreich, ab jetzt vermehrt auch auf die Qualität des Essens zu achten und bewusster zu essen. Also keine verarbeiteten Lebensmittel, sondern Gemüse und Salat, Obst und Fisch, Hülsenfrüchte, etc., täglich frisch kochen und sich Zeit nehmen für das Essen und das Kauen. Es ist nützlich, dabei eine feste Routine zu entwickeln und regelmäßige Essenszeiten einzuhalten.

Nun, mit jenen Problemen klarzukommen, die Dich einst in die Essstörung geführt hatten, ist das eine. Ich bin aber überzeugt davon, dass Du auch ganz konkret Dein Essverhalten reflektieren und abwägen solltest. Lerne, auf das zu hören, was Dein Körper Dir über Hunger oder Sättigung sagt.

Der bloße Spaß am Essen an sich („an sich liebe ich essen“ – und das ist auch gut so), das „Genießen-Können“ und „Genießen-Wollen“ führt nämlich niemals zwangsläufig ins Übergewicht. Weil der Körper z. B. ein überreichliches Essen dadurch kompensiert, dass er erst später wieder Hunger oder zur gewohnten Zeit zumindest weniger Hunger hat. Der Körper gleicht das Essverhalten so etwa im Tagesverlauf auch wieder aus. Normalerweise und natürlicherweise.

Dazu gehört dann aber auch die „Lust“, der Spaß und der Genuss an ausgewogener Ernährung: Die Gewöhnung an unausgewogene Ernährung (dazu gehören auch als so gesund vermarktete Light-Produkte – light in Fett oder light in Zucker – weil diese dem Körper ein künstlich unausgewogenes Nahrungsangebot bieten, für das unser Körper nicht ausgelegt ist) für in Probleme hinein, die – auch – ein Phänomen des modernen Lebensmittel-Designs sind.

Also z. B.:

Lieber ein echtes Stück Schokolade, als eines mit Süßstoffen drin – weil der Süßstoff dem Körper falsche Signale bietet und deshalb der Körper eine falsche hormonelle Antwort darauf gibt. Oder: Dunkle Schokoladen enthalten von sich aus weniger Zucker – aber irgendwann ist dann auch nicht mehr genügend Zucker drin, um die Kakaoaromen hervorzuheben (etwa: Schokolade mit 99 % Kakao-Anteilen klingt kernig & exklusiv, schmeckt aber auch „trocken“ und eben nicht nach 100 % Schokolade, weil die Geschmacksverstärkung des echten Zuckers fehlt). Wiederum die gängige Geschmacksverstärkung mit Vanille-Aromen, von der insbesondere und umso mehr Schokolade "lebt", je weniger Kakao drin ist, repräsentiert nicht den echten Kakao-Geschmack.

Oder zum Beispiel:

Fettreduzierte Käse suggerieren, man habe einen bestimmten Käsegeschmack zu sich genommen. Es befriedigt aber nicht wirklich, weil ein fettreduzierter Brie (nur ein Beispiel) nun einmal kein Brie ist. Isst man dann doch MEHR vom Light-Käse? Weil der Wunsch nach dem Geschmackserlebnis eben nicht wirklich befriedigt wird?

Wenn aber der Körper Dir eine gesunde Resonanz bietet (der Du glauben solltest), dann verlangt der Körper nicht über das Sättigungsgefühl hinaus den Geschmacksreiz! Vielleicht noch einmal ein bisschen, weil es so lecker war – aber dann sagt Dein Körper Dir auch: Ende, genug – und wird auch erst später wieder hungrig.

Lust auf Genuss und das Bedürfnis nach Nahrung sind viel enger aneinander gekoppelt, als „moderne“ Lebensmittel uns suggerieren – und insbesondere, als die Vermarktung von Lebens- und Genussmitteln es uns vermittelt!

Mit anderen Worten: Eine Überkompensation anderer Bedürfnisse durch Essgenuss wird durch „moderne“ Lebensmittel und auch durch moderne Vermarktungsstrategien gefördert, herausgefordert und auch falsch antrainiert! Vor diesem Hintergrund solltest Du Deine Ernährung ebenfalls reflektieren, um dahin zu gelangen, Deinem Körper Nahrung & Genuss anzubieten, mit denen ein Körper „natürlich“ umgehen kann!

Was du beschreibst, ist sehr verständlich und vor allem ganz typisch für den langen Weg der Recovery. Eine Essstörung verschwindet selten von einem auf den anderen Tag. Auch wenn das Gewicht wieder im Normalbereich ist, heißt das noch nicht automatisch, dass man komplett “raus” ist. Körperlich stabil zu sein ist ein wichtiger Schritt, aber die Gedanken und das Verhalten brauchen oft länger.

Ein paar Hinweise, dass du noch nicht ganz frei bist:

  • Du hast oft das Gefühl, emotional oder aus Langeweile zu essen, nicht aus echtem Hunger.
  • Es gibt noch Schuldgefühle oder Angst vor Gewichtszunahme.
  • Du kompensierst manchmal noch mit Sport oder hast das Bedürfnis, dich einzuschränken.
  • Du überlegst oft, ob du “zu viel” isst oder ob dein Körper sich “falsch” verändert.
  • Der Wunsch, wieder „dünner“ zu sein, ist noch ziemlich präsent.
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung