Verändern Medien das Gehirn und ist auch die Verarbeitung verändert?

6 Antworten

Neuropsychologe & Psychotherapeut hier:

Klar verändert dies etwas im Gehirn. Beinahe alles, was du tust verändert dich und dein Gehirn und selbstverständlich haben Menschen, die mit weniger technischen Geräten aufwachsen andere Fähigkeiten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – BSc + MSc Psychologie + Approbation + WB Neuro

Alles, was du regelmäßig und lange tust, prägt die Strukturen deines Gehirns. Auf diesem Prinzip basiert jedes Training und auf dem gleiochen Prinzip basiert auch die Abstumpfung, wenn du dich dauerhaft berieseln lässt.

Wer dauerhaft ein Navi benutzt, wird nur noch äußerst selten einen vernünftigen Orientierungssinn entwickeln.


Ja, die Medien verändern das Gehirn im Denken und Handeln.

Alles verändert das Gehirn, das Gehirn passt sich permanent an.

Kann es sein, das betreffende Menschen irgendwann die Eindrücke aus dem Leben nicht mehr aufnehmen, es nicht mehr verarbeitet wird und demzufolge die Träume ausbleiben und es auch zu Schlafstörungen kommen kann?

Man nimmt immer noch alles um sich herum wahr, aber die Art, wie wir es wahrnehmen, bewerten oder einschätzen, das verändert sich.

Ist die Veränderung im Gehirn dauerhaft oder kann es irgendwann wieder wie vorher werden?

Keine Veränderung im Gehirn ist dauerhaft, aber die Plastizität des Gehirns nimmt mit dem Alter ab, es wird also schwerer, sich an Veränderungen zu gewöhnen. Außerdem kann es bei besonders lange "festgetretenen" Pfaden auch besonders schwer oder lange dauern sein, sie wieder zu ändern.

Allerdings wirst Du im Hirn keine Pfade für's Computer spielen habe, die Zusammenhänge sind nicht so deutlich oder einfach.

Wenn man nach einen halben Jahr immer noch keine Eindrücke aus dem Leben aufnimmt und es kommt trotzdem zu ausbleibenden Träumen, woran könnte so etwas liegen?

Es geht nicht um totale Abstinenz von Videospielen, sondern was Du stattdessen tust und um die Intensität des Erlebten. Es gibt Videospiele, die eine emotional sehr intensive Geschichte transportieren, ähnlich auch bei Filmen oder Serien, wenn sie dich bewegen, bleiben sie mehr in Erinnerung und müssen eher in Träumen verarbeitet werden. Es gibt aber auch Videospiele, die sehr eintönig sind und eher Beschäftigungstherapie, häufig würde ich auch sagen, dass sie nicht wirklich Spaß machen, aber sie sind eine Beschäftigung und somit spannender, als nichts tun.

Wenn Du nun komplett den PC aus lässt und stattdessen einfach nur im Kreis läufst, dann bedeutet das für dein Gehirn vermutlich nur, dass Du mittlerweile sehr geübt darin bist, Langeweile zu ertragen, aber deine Erlebnisse sind immer noch quasi nicht vorhanden, entsprechend bleibt nichts in Erinnerung oder muss verarbeitet werden.

Ähnlich können auch so furchtbare Plattformen wie TikTok (sofern Du sie nutzt) deine Wahrnehmung verändern. Die sind ganz bewusst darauf ausgelegt, deine Aufmerksamkeit zu binden, allerdings sind die Inhalte an sich sehr "leer" und Du erinnerst dich häufig wenige Minuten später nicht mehr an das Gesehene. Sowas ist für dein Gehirn vergleichbar mit Glücksgefühlen, während Du stumpf im Kreis läufst.

In dem 90er sind viele Träume ausgeblieben

Nur weil Du dich nicht an deine Träume erinnerst, heißt das nicht, dass Du nicht träumst. Deine Träume verschwinden nicht einfach, ihr Inhalt verändert sich nur. Und ob Du dich daran nach dem Aufwachen daran erinnerst ist sehr individuell. Aber die Intensität des Erlebten beeinflusst vermutlich auch die Intensität der Träume, wenn Du also den ganzen Tag nur da hockst und effektiv nichts Neues machst, gibt's für das Gehirn auch nicht viel zu verarbeiten.

ist so etwas auch ein Zeichen einer Sucht?

Als Kind war meine Mutter der Meinung, dass ich süchtig bin.
Ich saß in dem Moment im Wohnzimmer, ein Nachbar war zu besuch, sie hat ihm von ihrer Sicht erzählt. Er meinte daraufhin nur: Wenn er süchtig wäre, würde er nicht so lange hier sitzen und ruhig zuhören.

Sucht bedeutet, dass Du den Konsum nicht mehr vollständig unter Kontrolle hast, wenn Du konsummieren musst und dich nicht mehr dagegen entscheiden kannst. Die Grenze ist aber schwer zu erkennen, es kann z.B. sein, dass Du dich dagegen entscheidest und dann die nächsten Stunden nach Gründen suchst, doch zu konsumieren, bis Du dich dann scheinbar bewusst wieder dafür entscheidest. Das würde ich als Sucht bezeichnen.


Timo3681 
Beitragsersteller
 23.05.2025, 12:00

Palladin007

Was ist mit:

Was passiert, wenn Betroffene ein halbes Jahr lang kein Computer spielen, kein Fernseh gucken und auch keine Handys benutzen und man es nur alle 4 Wochen oder länger an einen Tag benutzt? Wie lange kann es dauern, bis man wieder die Eindrücke aus dem Leben aufnehmen kann?

Also wenn man vorher jede Nacht immer intensiv und lebhaft geträumt hat und durch das viele Computerspielen und Fernseh gucken hat sich die Verarbeitung verändert und man träumt weniger, da man auch weniger vom Leben aufnimmt, wollte ich wissen, ob das intensiv und lebhafte Träumen jede Nacht irgendwann wiederkäme, wenn man eine bestimmte Zeit kein Computer spielt und auch kein Fernseh guckt und wie lange es dauern könnte, bis die Verarbeitung wieder so wäre wie vorher und man wieder mehr vom Leben aufnimmt.

Palladin007  23.05.2025, 13:51
@Timo3681
Was passiert, wenn Betroffene ein halbes Jahr lang kein Computer spielen, kein Fernseh gucken und auch keine Handys benutzen und man es nur alle 4 Wochen oder länger an einen Tag benutzt?

Videospiele sind keine Droge, die nach einmal Konsumen sofort wieder süchtig macht. Es passiert also einfach nichts, außer dass Du einmal alle vier Wochen ein Videospiel spielst.

Wie lange kann es dauern, bis man wieder die Eindrücke aus dem Leben aufnehmen kann?

Da Videospiele und Co. an sich nicht dazu alleine führen, gibt's darauf auch keine Antwort. Viel eher sind übermäßiger Medienkonsum ein Symptom bzw. eine Fluchtmöglichkeit, die mit der Zeit zu eine Sucht führen können.

Die Ursache ist eine Andere, z.B. ein generell langweiliges oder abwechslungsarmes Leben, Midlife-Crisis, etc. Diese Ursache musst Du finden.

Aber egal was es ist, mit ca. 44 Jahren dauert es seine Zeit, etwas zu verändern, besonders wenn es sich vorher Jahre oder Jahrzehnte lang festgesetzt hat.

wollte ich wissen, ob das intensiv und lebhafte Träumen jede Nacht irgendwann wiederkäme

Es geht nicht um totale Abstinenz von Videospielen, sondern was Du stattdessen tust und um die Intensität des Erlebten. Und ob Du dich daran nach dem Aufwachen an die Träume erinnerst ist sehr individuell.

Wenn Du dich nicht an deine Träume erinnerst, heißt das nicht, dass Du am Tag nichts vom Leben wahrnimmst. Ich träume fast nie, aber es gibt Momente im Leben (auch sehr kurze), die hab ich Monate oder Jahre später noch klar im Kopf.

Oder anders formuliert:
Das menschliche Gehirn ist sehr viel komplexer, als Du das hier beschreibst. Die Zusammenhänge "Videospiele = keine Wahrnehmung" und "keine Videospiele = viel Wahrnehmung" gibt es nicht. Viel eher ist das, was Du beschreibst ein komplexes Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Dingen. Entsprechend kann man dir auch nicht sagen, ob oder wann sich was ändert, wenn Du die vermeindliche Ursache beseitigst.

Überleg dir doch, was Du bisher machst, was nicht und was Du immer machen wolltest, oder probier was Neues/Anderes aus, neue Hobbys, etc. Und das auch nicht nur einmal, sondern regelmäßig - vorausgesetzt, es macht auch Spaß.

In dem 90er sind viele Träume ausgeblieben

Das ist falsch. Du hast auch in dem Zeitraum geträumt, kannst dich nur nicht an die Träume erinnern. Jeder Mensch träumt in jeder Nacht - nur an die wenigsten Träume kann man sich erinnern.