Sind Straftäter für ihre Taten verantwortlich?
Die Frage gilt eigentlich für jedes menschliche Verhalten, besonders brisant ist es aber im Strafrecht.
Ich persönlich würde sagen, dass es zwei Arten von Verantwortung gibt:
- Sozial-funktionale Verantwortung: Verantwortung wird in Gesellschaften dann zugeschrieben, wenn dies sinnvoll dazu beiträgt, dass die Bedürfnisse derjenigen, die die Macht in der Gesellschaft innehaben (das Volk in einer Demokratie, der Diktator,...) erfüllt werden können. Dies ist meines Erachtens der Verantwortungsbegriff des Strafrechts. Es kommt nicht darauf an, ob jemand in einem tieferen Sinne verantwortlich ist, z.B. wird schwer psychisch kranken Menschen deshalb keine Verantwortung zugeschrieben, weil es nichts bringt, sie zu bestrafen. Hier ist Forensik besser geeignet. Umgekehrt bedeutet die Zuschreibung von Schuldfähigkeit nicht, dass man behauptet, dass sich jemand auch anders hätte entscheiden können. In diesem Sinne sind Straftäter verantwortlich.
- Metaphysische Verantwortung: Hier spielt die Frage nach der Willensfreiheit im Sinne eines anders handeln Könnens eine große Rolle. Ich selber glaube zwar nicht an Willensfreiheit, objektiv gesehen ist die Frage aber umstritten. Hier bleibt also objektiv gesehen offen, ob Straftäter für ihr Tun verantwortlich sind.
Würdet ihr dem so zustimmen oder habt ihr eine andere Sicht auf die Dinge?
22 Antworten
Die Bestrafung von Täter hat in Deutschland das Ziel, die Gefahr für folgende Taten bestmöglich zu reduzieren ohne die Menschenrechte zu verletzen.
Die persönliche Verantwortung ist dabei weniger wichtig. Die "Schuldfähigkeit" entscheidet über den Aufenthalt in Gefängnis oder Psychiatrie, da "Schulunfähige" im Gefängnis kaum ihr Verhalten ändern werden.
Ja, hmm, gutes Beispiel.
Wenn kein Vorsatz vorliegt, z.B. bei einem Autounfall, weil man in den Rückspiegel schaute und vor einem jemand auf die Straße lief, ist man auch zu 100% für das Führen des Fahrzeugs verantwortlich. Man wird sich ja auch "schuldig fühlen". Eine absichtliche Tötung erfordert aber eine heftigere Strafe, um zukünftiges Verhalten positiv zu beeinflussen.
Ist man weniger verantwortlich, wenn der andere eine Mitverantwortung trägt?
Interessant ist auch die Strafe für Regelverstöße auch ohne Schuldanteil: Wer betrunken völlig unverschuldet von einem anderen Auto gerammt wird, bekommt auch Ärger.
Je länger ich drüber nachdenke, desto schwammiger werden die Ideen von Schuld, und Verantwortung. Die gesellschaftliche Idee dahinter ist die Reduktion von Schäden für andere. Wenn dann noch die "gefühlte Verantwortung" dazu kommt, z.B. wenn man ein Kind unverschuldet überfährt, wird es noch kniffliger. Und als Sahnehäubchen noch das "schlechte Gewissen", das viel zu oft reines Suhlen im Selbstmitleid ist.
Ich denke noch mal über meine Antwort nach. Danke für den Einwand.
Ja, die sind selbst verantwortlich. Man kann die eigene Schuld nicht der Allgemeinheit in die Schuhe schieben, auch wenn das soziale Umfeld zweifellos eine Rolle spielt.
Hallo Physiker97!
Das Strafrecht nimmt einen bestimmten Fall als Grundlage für seine Existenz: Den Verstoß gegen geltendes Recht und dessen Sühnung (durch eine Bestrafung) in Normen zu beschreiben und durchführbar zu machen.
Alle anderen Betrachtungsweisen der Verantwortung von Straftätern und -täterinnen werden ausgeblendet. Spezifischere, wie die Frage der Schuldfähigkeit, sind impliziert.
LG
gufrastella
Wenn jemand in einem Elternhaus aufwächst, bei dem rechtswidriges Verhalten bewusst oder unbewusst an den Tag gelegt wird, wird das ohne Korrektur automatisch dazu führen, dass sich dieses Verhalten über die Generationen überträgt. Wer hier die Verantwortung trägt, ist nicht leicht zu beantworten. Jedoch ist nicht nur einer daran Schuld.
Man ist das Produkt seiner Umwelt und einprägsamsten Momente. In den seltensten Fällen ist ein unkonformes Verhalten auf Krankheit zurückzuführen. Jemand, der sich dem gesellschaftlichen Regelwerken nicht hingibt, wird als ungesundes Verhalten dargestellt.
Selbstverständlich. Mag sein, dass teilweise auch noch andere Faktoren daran schuld sind, aber das mindert ihre Schuld nicht
Unlogisch. Wie kann sich die Schuld anderer Faktoren mehren, ohne die Schuld des Täters zu mindern?
Ich hab's wohl falsch formuliert. Daran beteiligt, meine ich.
Wobei ich denke, dass die Justiz auch einen Unterschied macht zwischen "vorsätzlich" und "fahrlässig". Eine Straftat mit Vorsatz wird ja härter bestraft als ein Unfall/ein Versehen/eine Nachlässigkeit. Und das müsste eigentlich schon etwas mit Verantwortung zu tun haben.