Die indogermanischen Sprachen hatten sich ca. vor 5400 Jahren aufgeteilt, aber die Besiedelung Nordamerikas liegt ca. 15.000 Jahre zurück (und die von Südamerika 12.000 bis 14.000 Jahre), insofern ist es einleuchtend, dass die sprachlichen Unterschiede in Nord- und Südamerika größer gewesen sein dürften als in Europa (wenn man mal nicht-indogermanische Sprachen wie Baskisch, Etruskisch und die finno-ugrischen Sprachen ausklammert).
Außerdem sind die Unterschiede auch heute noch groß, wenn man die überlebenden Sprachen auf dem amerikanischen Kontinent betrachtet (es haben mehr überlebt, als man manchmal denkt, auch wenn die Sprecherzahlen bei vielen Sprachen gering sind).
Viele Wörter, die Einzug in die englische Sprache gefunden haben, stammen aus der Algonkin-Sprachfamilie. Dazu gehören (wenn ich mich recht erinnere) moose (Elch), skunk (Stinktier), Skalp, Opossum und chipmunk (neben vielen anderen). Aus der Salish-Sprachfamilie stammen Sasquatch (Bigfoot) und Seattle (ehemaliger Häuptling Seattle).
Auch in Südamerika gibt es zahlreiche Sprachfamilien. In Quechua (Peru) heißt der Berglöwe "Puma", so nennen wir ihn auch. In Guaraní (Paraguay) heißt er "ku-guar" (daher englisch "cougar"), passend zum "ja-guar" (das ist die Tiefland-Raubkatze).
Der "Jaguar" (wir haben das Wort aus Guaraní) heißt in der Sprache Bora "höku" (Nord-Peru) und in einer anderen "amana".
Das weiß ich auch nur aus dem Dictionary von Ruhlen (das Wörter aus etlichen indigenen Sprachen hat). Das Wort für "Auge" hat 13 verschiedene Wortstämme, und entsprechend gibt es 13 * x einzelne Wörter in den verschiedenen Sprachen. Das dürfte auch deutlich mehr als in Europa sein.
Vermutlich wurde Nordamerika dreimal unabhängig voneinander besiedelt. Nach der ersten Besiedlung gab es noch die Inuit und die Bewohner der Aleuten (die im Norden blieben), und die Völker der Na Dené-Sprachfamilie (die Ruhlen gar nicht erwähnt in seinem Dictionary). Dazu gehören die Apache (und die Navajo). Diese sind etwa bis zur Grenze USA/Mexiko gekommen. Dené fehlen in Mittel- und Südamerika (sind aber in Westkanada und Alaska relativ häufig).
Hübsch ist, dass man heute etliche Ortsnamen deuten kann. So bedeutet der Ortsname "Punxsutawney" (bekannt aus "Täglich grüßt das Murmeltier") punkwës- 'mosquito' + -utènay 'town' (wikipedia), also "Moskito-Stadt". Das ist wieder aus einer Algonkin-Sprache (Pennsylvania).