Boris Pistorius will Ende August einen Gesetzentwurf für den neuen Wehrdienst ins Kabinett einbringen. | Ist das Gesetz verfassungsrechtlich tragbar?
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Neuer Wehrdienst: Wohin es gehen könnte
Die globale Sicherheitslage wird immer kritischer - die Bundeswehr muss deutlich wachsen.
Das Ressort von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rechnet beim neuen Wehrdienst ab 2031 mit bis zu 40.000 Rekruten pro Jahr. Wie das ZDF aus Kreisen des Verteidigungsministeriums erfuhr, sollen ab 2028 auch alle 18-jährigen Männer zu einer Musterung verpflichtet werden - auch wenn sie sich nicht für den freiwilligen Wehrdienst entscheiden.
Pistorius will Ende August seinen Gesetzentwurf für den sogenannten neuen Wehrdienst ins Kabinett einbringen. Er sieht vor, dass ab dem kommenden Jahr an alle jungen Männer und Frauen ein Fragebogen versandt wird. Männer müssen ihn ausfüllen, für Frauen ist das freiwillig. Dabei soll das Interesse am Dienst in der Bundeswehr abgefragt werden. Geeignete Kandidaten werden dann zur Musterung eingeladen.
Diese soll ab 2028 aber für alle 18-jährigen Männer verpflichtend werden, auch wenn sie kein Interesse am Wehrdienst bekundet haben. Ziel ist den Angaben zufolge, ein "Lagebild" über die gesundheitliche Eignung. Denn im Spannungs- oder Verteidigungsfall würde die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht nach aktueller Rechtslage automatisch wieder in Kraft treten.
Ziel der Pläne von Pistorius ist es, Vorgaben der Nato für den Konfliktfall zu erfüllen. Diese sehen einen Bedarf von etwa 460.000 deutschen Soldaten vor. Derzeit gibt es nur gut 182.000 Soldaten bei der Bundeswehr sowie gut 49.000 aktive Reservisten. Pistorius strebt nun mindestens 260.000 Soldaten an sowie eine Gesamtzahl von 200.000 Reservisten.
Quelle: ZDF
(Der übermäßig dargestellte Genderwahn wurde entfernt, da es die Aussagen verfälschte.)
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Wie lässt sich dieses geplante Vorhaben mit dem Gleichbehandlungssatz vereinbaren?
Artikel 3 des Grundgesetzes sieht eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen vor.
Ein Gesetzentwurf vorzuschlagen, der verfassungswidrig ist, wäre wenig hilfreich.
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Ausführungen dazu von Frau Prof. Kathrin Groh (Professorin für Öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München. Zu ihren Forschungsgebieten gehört unter anderem das nationale Militärrecht), verkürzt dargestellt, Original über den Link am Ende.
Der EuGH erklärte sich in Sachen nationaler Organisationsformen von Streitkräften für unzuständig. Das BVerwG fand zumindest tragfähige, weil gewichtige Gründe für die Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung: Da Frauen typischerweise im familiären Bereich stärkeren Belastungen ausgesetzt werden als Männer, ist auch ihre völlige Herausnahme aus jeglichen Dienstverpflichtungen in Friedenszeiten gerechtfertigt. Dieser binäre Blick des Grundgesetzes auf die Wehrpflicht verstößt nicht gegen die Menschenwürde und produziert auch bereits deswegen kein verfassungswidriges Verfassungsrecht, weil es verfassungswidriges Verfassungsrecht jenseits des Art. 79 Abs. 3 GG nicht gibt. Art. 12a Abs. 1 GG und die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 GG stehen auf derselben Normenstufe. Die Wehrpflicht allein für Männer ist eine verfassungsrechtliche Bereichsausnahme zu den besonderen Gleichheitssätzen. Sie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Frauen zum Dienst mit der Waffe verpflichten zu wollen, setzt folglich eine Verfassungsänderung voraus. Teile der Literatur halten den Gesetzgeber bereits heute aus Art. 3 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 GG für verpflichtet, auch Frauen verfassungsrechtlich zum Wehrdienst heranzuziehen. Nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist eine unmittelbare Differenzierung zwischen Frauen und Männern nämlich nur zulässig, wenn damit Probleme gelöst werden sollen, die ihrer Natur nach entweder nur bei Männern oder nur bei Frauen auftauchen. Hier werden biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern adressiert, die im Hinblick auf den Dienst mit der Waffe natürlich nicht vorliegen. Eine Wehrpflicht, die ausschließlich Männer trifft, verstieße also gegen den besonderen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, wenn sie nicht durch Art. 12a Abs. 4 S. 2 GG auf derselben Rechtsebene verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre. Zugleich würde sich eine solche Wehrpflicht auch für Frauen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG mit dem Gleichbehandlungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG beißen, der verlangt, dass faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen ausgeglichen werden sollen. Solche Nachteile liegen mit dem gender care gap, dem gender pay gap und auch dem gender pension gap vor, die – je nach Dauer und Ausgestaltung einer Wehrpflicht – sogar noch vertieft statt beseitigt würden. Eine genderneutrale Wehrpflicht auf Verfassungsebene würde allerdings als Ausnahme zum Gleichbehandlungsauftrag zulässig sein. Ob das gesellschaftspolitisch klug und durchsetzbar wäre, steht auf einem anderen Blatt, obwohl sich nach einer ersten Umfrage in Deutschland – anders als in Österreich – Zweidrittel der befragten Frauen für eine Wehrpflicht aussprechen, die auch sie trifft.
Quelle: Verfassungsblog, Frau Prof. Kathrin Groh
