Warum wird angenommen, dass Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung angeboren sind - obwohl dies auf andere Orientierungen nicht zutrifft?
Beispiele: Man denke an Religion, Weltanschauung, politische Einstellung, soziale und kulturelle Zugehörigkeit, Interessen, Geschmack, Bildungsniveau etc. - Dinge, die die Identität eines Menschen ausmachen.
Niemand würde behaupten diese Eigenschaften seien angeboren oder genetisch bedingt. Vielmehr geht man davon aus, dass sie im Lauf des Lebens, insbesondere in der Kindheit und Jugend, erlernt und erworben werden, wobei sich jederzeit auch Veränderungen ergeben können.
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Warum soll es nun ausgerechnet bei der Geschlechtsidentität (Gender) oder bei der sexuellen Orientierung (hetero, homo, bi, pan, a ...) eines Menschen anders sein?
Warum ist es derzeit modern zu behaupten, dass diese Dinge starr und unveränderlich angeboren wären - und Erziehung, persönliche Erfahrungen und kulturelle Prägungen hier keine Rolle spielen würden?
Gegenthesen:
Ist es z. B. nicht denkbar, dass ein Mann, der nur unter Männern lebt (z. B. im Gefängnis, beim Militär, im Kloster) deswegen homosexuell wird?
Eine Frau, die in ihrer Jugend viele negative oder traumatische Erfahrungen mit Männern gemacht hat, deswegen nur noch erotische Beziehungen mit Frauen will?
Ein Kind, das in einer sexuell liberalen Familie aufwächst, in der traditionelle Geschlechter-Normen nichts zählen, sich deswegen als nicht-binär definiert, also sich keiner männlichen oder weiblichen Geschlechtsidentität zuordnet?
Ein Mädchen, das ohne Mutter und sonstige weibliche Bezugspersonen in einer harten Männerwelt aufwächst, deswegen eine männliche Geschlechtsidentität entwickelt und sich nicht mehr als Frau empfindet?
Ein Junge, der in einer sehr konservativen Familie mit traditionellen Geschlechter-Normen aufwächst, deswegen seine männliche Geschlechtsidentität als selbstverständlich ansieht?
Wie sind Genderfluide zu erklären, die im Lauf ihres Lebens zwischen verschiedenen Geschlechtsidentitäten wechseln?
14 Antworten
Ganz simpel: Die von Dir genannten Beispiele...
Religion, Weltanschauung, politische Einstellung, soziale und kulturelle Zugehörigkeit, Interessen, Geschmack, Bildungsniveau
...sind durch uns beeinflussbar. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität hingegen sind es nicht. Genauso wie wir nicht beeinflussen können, ob wir mit rechts oder links schreiben. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind daher viel eher mit solchen Dingen vergleichbar als mit Deinen oben zitierten Beispielen.
Ich finde dein Argumentationsmuster bemerkenswert:
Warum soll sowas angeboren, also nicht veränderbar sein? Weil wir sie nicht beeinflussen können.
Das hat schon was von einem Zirkelschluss.
"Eine Frau, die in ihrer Jugend viele negative oder traumatische Erfahrungen mit Männern gemacht hat, deswegen nur noch erotische Beziehungen mit Frauen will" Nein, auch wenn diese sich wünschen, lesbisch zu sein, können sie es nicht werden. Sie verzichten dann lieber ganz auf Erotik.
E"in Kind, das in einer sexuell liberalen Familie aufwächst, in der traditionelle Geschlechter-Normen nichts zählen, sich deswegen als nicht-binär definiert, also sich keiner männlichen oder weiblichen Geschlechtsidentität zuordnet?" Nein, non-binäre Kinder mit Eltern, die eine eher Wert auf traditionelle Geschlechter-Normen legen, bekommen deshalb Probleme mit ihren Eltern.
Ein relevanter Unterschied ist hier, dass es sich bei der Sexualität um primitive Triebe handelt, welche wir nicht aktiv bestimmen können. Wir können lediglich ihnen nachgehen oder eben nicht. Das sollte also insbesondere auf die sexuelle Orientierung einen Einfluss haben.
Bei dieser konnte man auch einen genetischen Anteil feststellen, dieser erklärt aber nicht vollständig die sexuelle Orientierung.
Bei der Geschlechtsidentität handelt es sich ja im Normalfall nur um die Wahrnehmung und Identifizierung das biologischen Geschlechts. Daher ist davon auszugehen, dass diese auch eng mit dem biologischen Geschlecht zusammenhängt welches natürlich angeboren ist.
Bei der geschlechtsidentitätsstörung ist das wahrscheinlich nicht so einfach. Es gibt aber Indizien, dass diese Störung zumindest teilweise auf biologische Faktoren zurückgeführt werden kann, das ist aber alles andere als klar.
Das ist Inhalt von Forschung seit Jahren.
Die Ergebnisse sind ziemlich eindeutig: Was man sexuell attraktiv findet, wird bereits im Mutterleib festgelegt. Hat mit einiger Wahrscheinlichkeit mit Hormonspiegeln zu verschiedenen Entwicklungsstufen zu tun.
Es ist weder so, dass männliche Kinder, die von schwulen Paaren großgezogen werden, statistisch häufiger schwul werden, noch dass reine Männergesellschaften heterosexuelle Männer umprogrammieren. Bei Fischen geht sowas, bei Menschen nicht.
Sexuelle Orientierung ist nicht abhängig vom sozialen Umfeld. Was sicher abhängig ist vom Umfeld, ist wie sehr man jeweilige Triebe ausagiert. Und wie offen man dazu steht. Es gibt ja auch einen nicht unerheblichen Anteil Menschen, die sowohl Männer als auch Frauen attraktiv finden können. Da führt sozialer Druck dann sicher zu einer Beeinflussung, welche Beziehungen man eingeht.
Dein Fußfetisch ist keine sexuelle Orientierung, sondern eine Vorliebe, die sexuelle Orientierung ist keine Vorliebe und überhaupt nicht miteinander zu vergleichen.
<nur schwer nachvollziehen
Du betreibst Küchenpsychologie.
Die Ursache von Kinks (bzw von Fetischen) ist unbekannt. Einige Kinks dürften biologische Ursachen haben, und einige kann man sich aneignen: manche unbewusst in der Kindheit. Vermutlich ist es ein Mix aus Nature und Nurture (Nurture = soziale Umgebung, nature = biologische Faktoren wie Genetik).
Man kann manchmal einen Kink sogar bewusst konditionieren (bewusst erlernen), zB einen sexuellen Fetisch auf Penny-Gläser (sehen wie Gurkengläser aus):
Some explanations invoke classical conditioning. In several experiments, men have been conditioned to show arousal to stimuli like boots, geometric shapes or penny jars by pairing these cues with conventional erotica.
https://en.wikipedia.org/wiki/Sexual_fetishism#Cause
Nur kann man mit Konditionierung nicht alles erklären.
Dann frag dich mal, warum es zwillinge gibt, die nicht die gleichen sexuellen Orientierungen haben. Weil einer mehr hormone abbekommen haben als andere? Es gibt keine Hormone, die die Sexualität bestimmen. Woher die Sexualität kommt, ist gar nicht geklärt, es gibt nur Indizien.
Studien an eineiigen und zweieiigen Zwillingen weisen darauf hin, dass Vererbung dabei einen wesentlichen Faktor darstellt. Zahlreiche Forschungen belegen inzwischen, dass Einflüsse wie Erziehung, Bildung und Umwelt komplett von der Genetik überlagert werden.
So deuteten Untersuchungen an männlichen Zwillingen darauf hin, dass bis zu 60 Prozent ihrer sexuellen Orientierung genetisch bedingt sind. Andere Studien ergaben, dass eineiige Zwillinge sich mit größerer Wahrscheinlichkeit zum selben Geschlecht hingezogen fühlen als zweieiige Zwillinge oder herkömmliche Geschwister.
2017 gaben Wissenschaftler die Entdeckung von zwei Genvarianten bekannt, die bei homosexuellen Männern häufiger auftreten als bei heterosexuellen. Die Wissenschaftler in Illinois verglichen die DNA von 1077 homosexuellen und 1231 heterosexuellen Männern. Die Forscher identifizierten zwei Gene, deren Varianten höchstwahrscheinlich mit sexueller Orientierung in Zusammenhang stehen. Das heißt nicht, dass eine Person zwangsläufig homosexuell sein muss, nur weil sie oder er bestimmte Genvarianten besitzt.
Insgesamt lassen die Forschungsergebnisse auf allen Ebenen durchaus darauf schließen, dass es sich nicht um eine bewusste Entscheidung handelt, die man willentlich oder durch Maßnahmen aus dem Umfeld beeinflussen kann.
Hast du schön kopiert, es sind aber trotzdem eben nur Indizien und keine Beweise.
Die Forscher identifizierten zwei Gene, deren Varianten höchstwahrscheinlich mit sexueller Orientierung in Zusammenhang stehen. Das heißt nicht, dass eine Person zwangsläufig homosexuell sein muss, nur weil sie oder er bestimmte Genvarianten besitzt.
Genau das meine ich.
Bist du da einer Anekdote aufgesessen? Selbstverständlich haben zweieige Zwillen u.U. von Geburt an zwei unterschiedlioche Geschlechter. Von gleichgeschlechtlichen Zwillingen ist mir nicht bekannt, dass sich eins davon mit dem nicht biologischen Geschlecht identifiziert bzw. sich dann eben auch sexuell gleichgeschlechtlich orientiert. Aber das ist doch jedem selbst überlassen, auch ohne "Genderei."
Sexualität hat doch nichts mit gendern zu tun. Sexualität ist selbstverständlich angeboren, bzw. ist eine natürlich Eigenschaft des Menschen. Im Männergefängnis gibt es auch Sex. Männer mkt Männer. Da sind die wenigsten homosexuell. Und auch in frauengesellschaften ist Sex nicht tabu. Aber die wenigsten sind lesbisch.Es gibt sogar sexuelle Beziehungen zwischen Mann und Frau. Obwohl beide sexuell auf das eigene Geschlecht fixiert sind (das aber gerade nicht, bzw, schon länger nicht, vorhanden ist. Was kann man daraus schließen? ;-)
Nein. Aber mit dem "bi" ist es wie mit dem gut oder böse sein. Beides ist den Menschen zuzutrauen. Du hast eine dritte sexuelle Orientierung unterschlagen. Was ist "Sex mit sich selbst? Ist immer homosexuell. Oder eine Präferierung zu einer Puppe? Müsste man da nicht eine weitere Form der Sexualität erfinden? Denn eine Puppe ist weder eine Sie noch ein ER. Eine Puppe ist eine Sache, sächlich. Hat kein Geschlecht, also "Es". ;-)
Wenn Homosexualität nicht angeboren ist (bzw biologische Faktoren hat), dann muss es erlernt sein (nature versus nurture).
Wie soll das in homophoben Umgebungen möglich sein, in denen Homosexualität geächtet und bestraft wird? Sowohl mit Höllenfeuer, Gefängnis als auch Todesstrafe.
Man hat männlichen Babys den Penis chirurgisch in eine Vagina umoperiert und als heterosexuelle Frau erzogen:
Many surgeons believed such males would be happier being socially and surgically reassigned female.
...
They show how difficult it is to derail the development of male sexual orientation by psychosocial means.
Sie standen sexuell trotzdem auf Frauen. Die sexuelle Orientierung ließ sich nicht durch Erziehung bzw soziales Umfeld verändern.
Es gibt keine Belege, dass Kindheitserfahrung oder Erziehung eine Rolle spielen. Ein deutlicher Hinweis, dass es biologische Gründe gibt:
There is no substantive evidence which suggests parenting or early childhood experiences play a role with regard to sexual orientation
https://en.wikipedia.org/wiki/Homosexuality
Konversionstherapien, um die sexuelle Orientierung zu ändern, funktionieren nicht und sind potenziell schädlich. Ein deutlicher Hinweis, dass es biologische Gründe gibt:
There is no reliable evidence that such practices can alter sexual orientation or gender identity, and medical institutions warn that conversion therapy is ineffective and potentially harmful
https://en.wikipedia.org/wiki/Conversion_therapy
Besonders bei Schwulen gibt es gute Hinweise für biologische Ursachen:
There is considerably more evidence supporting nonsocial, biological causes of sexual orientation than social ones, especially for males.
https://en.wikipedia.org/wiki/Homosexuality
Schwule Schafe haben eindeutig eine Präferenz für Hammel:
Homosexualität ist unter Schafen recht verbreitet: Etwa acht Prozent aller domestizierten Hammel ziehen gleichgeschlechtliche Partner vor. Forscher aus Oregon, USA haben jetzt Hinweise auf anatomische und hormonelle Ursachen für die Vorliebe gefunden.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/schwule-schafe-bock-auf-boecke-a-289713.html
Das ist kein zufälliges Gerammel.
Ein schwules Pinguinpaar brütet gemeinsam ein Ei:
Ein schwules Pinguinpaar hat ein Ei adoptiert, das die Mutter vernachlässigt hatte.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/schwule-pinguine-adoptieren-ei-4656013.html
Wenn Homosexualität nicht angeboren ist, dann muss es erlernt sein.
Das ist keine korrekte Implikation. Wenn es nicht angeboren ist, dann gibt es Umweltfaktoren. Das muss nichts mit erlernen zu tun haben
Ich beziehe mich auf nature versus nurture:
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Nature_versus_nurture
Nature is what people think of as pre-wiring and is influenced by genetic inheritance and other biological factors.
Nurture is generally taken as the influence of external factors after conception e.g. the product of exposure, experience and learning on an individual.
Zum Beispiel. Da gibt es unzählige Möglichkeiten.
naja, Delta45 schrieb "logisch". Da ist aber nix unlogisch.
Das würde bedeuten, dass Psyche und Umwelt voneinander unabhängig wären und sich nicht gegenseitig beeinflussen würden. Was ich mir nur schwer vorstellen kann.
Unabhängig vom Geschlecht: Ich finde Füße sexuell attraktiv. Dass mein Fußfetischismus schon im Mutterleib entstanden ist, klingt wirklich abenteuerlich 😉
Nein, ich kann konkret die Situationen und Erlebnisse in meinem Leben benennen, durch die mein Fetisch entstanden ist. Im Mutterleib war das nicht.
Ähnlich verhält es sich mit anderen sexuellen Vorlieben, die jeder Mensch hat. Ich glaube nicht, dass die Neigung für BDSM, Lack und Leder, Exhibitionismus u. a. vorgeburtlich entsteht.
Deswegen kann ich nur schwer nachvollziehen, dass es bei der Vorliebe für ein bestimmtes Geschlecht völlig anders ist.