Meinung des Tages zum Literaturnobelpreis: Welchen Stellenwert hat Literatur in Eurem Leben?

29 Antworten

Einen recht hohen, da ich einerseits viel lese (zumindest versuche ich, jeden Tag so an die 30 - 50 Seiten zu lesen, wobei ich mehrere Bücher parallel lese), andererseits aber auch versuche, schriftstellerisch tätig zu sein.
Allerdings lese ich eher LITEratur, also eher Romane, die für den Eskapismus gedacht sind, für die Entspannung, weniger jene, die "schwere" Kost sind (und von mir deswegen liebevoll Heavyratur genannt werden, aber das ist eher intern für mich so). Zwar wage ich mich hin und wieder auch mal an einen Klassiker (allerdings nur, wenn er mich wirklich interessiert).
Ansonsten findet man in meinen RuB sehr unterschiedliche Genre und Autoren: Horror und Fantasy, Krimi und Thriller, Polit- und Psychothriller, Humor (sehr wichtig für mich!!) und Sachbücher, Klassiker und Fachbücher, Historische Romane und Jugendliteratur (die ich teilweise sogar besser geschrieben finde als Literatur für Erwachsene. Ausnahme: Harry Potter: Band 1 gelesen, das hat mir schon gereicht!). Und um jetzt noch einen weiteren Shitstorm auf mich zu ziehen: Ich lese sogar noch Groschenromane aus den 1980ern (allerdings mehr, um mich über den damaligen Schreibstil zu amüsieren).
Zählen eigentlich Rollenspielbücher auch zur Literatur? Also Regelbücher und Abenteuer?

Ein Bekannter von mir ist übrigens stolz drauf, dass er in seinem Leben nur jene Bücher gelesen hat, die er in der Schule lesen musste und ansonsten nicht ein einziges.

Nachdem man als Schüler jeglicher Individualität, Freude, Bereitschaft zu lernen und der Selbstständigkeit, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, beraubt wurde, brauchte es bei mir, wie bei vielen meiner Freunde auch, ein Jahrzehnt der Abstinenz und ausreichend Distanz zu einer Bildungseinrichtung, bis ich mich überwinden konnte, wieder ein Buch in die Hand zu nehmen.

Heute lese ich wieder gerne, nur muss man die Literatur als solche differenziert betrachten. Vor allem solche Werke, die einen hohen kulturellen Stellenwert in der Gesellschaft besitzen.

Man nehme "Faust" im Jahre 2023...

Semantik, Syntax und Wortwahl sind zwar für die damalige Zeit fortschrittlich, aber der übertriebene Einsatz von Rhetorik führt leider dazu, dass die meisten Textpassagen schlecht gealtert sind und ihre Bedeutung für die heutige Zeit eingebüßt haben, bestes Beispiel "Der Fürst" von Machiavelli. Was dort als fortschrittlich galt und mit vielen Worten sorgfältig umschrieben wurde, entspricht heute dem Politikverständnis eines Grundschülers! Auch wenn natürlich andere Werte wie Moral, Ethik etc. im Vordergrund stehen.

Werke, bei denen jedoch der Tenor der Aussage und die Wirkung auf den Leser im Vordergrund stehen, verlieren nie ihre Wirkung, so sind Werke wie "Der große Gatsby", "Der Prozess", "1984" usw. durchaus zu empfehlen. Auch Bücher wie "Das Kapital" von Karl Marx verlieren nie ihre Wirkung und ihre Daseinsberechtigung.

Warum man aber unbedingt "Moby Dick", "Harry Potter" oder ähnliches gelesen haben muss, bleibt mir ein Rätsel. Wer diese Geschichten mag, kann damit mehr Zeit verbringen als mit einem Film oder einer Serie, auch weil die Umsetzung manchmal sehr unterschiedlich ist, aber dafür liest man mehrere hundert Seiten von etwas, dessen Epos nichts anderes besagt, als dass eine Welt, in der Magie existiert, nicht automatisch perfekt ist.

Ich weiß nicht, ob das einen Mehrwert bringt...

Claud18  10.10.2023, 22:33

Deine ersten Zeilen haben mich erschüttert. Ich wusste nicht, dass die Freude an der Literatur heute noch in den Schulen zunichte gemacht wird, so wie vor 50 Jahren durch endlose Aufgaben (Erörterung mit Gliederung oder Gedichtinterpretationen), die das Ganze zerpflückten.

In der Satirezeitschrift "Eulenspiegel" erschien vor Jahren eine Karikatur (von Barbara Henninger) mit Schülern, die vor dem Goethe-und-Schiller-Denkmal in Weimar ihre Zeugnisse der 10. Klasse und Blätter mit "Erörtern Sie..." hinwarfen und dem Denkmal eine lange Nase drehten. Und Goethe sagte zu Schiller auf dem Sockel: "Ich fürchte, für die sind wir gestorben". Schade, dass sich daran nichts geändert hat.

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M4RC3LL0  10.10.2023, 23:06
@Claud18
so wie vor 50 Jahren durch endlose Aufgaben (Erörterung mit Gliederung oder Gedichtinterpretationen)

Im Grunde genommen besteht die ganze Oberstufe aus nichts anderem...

Und doch verlassen am Ende ⅓ der Schüler die Schule und können laut Statistik nicht richtig lesen und schreiben.

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Ja, Hundert Jahre Einsamkeit hab ich damals wegen des Nobelpreises für Marquès gelesen. War ein Erlebnis, kann ich empfehlen.

Jahrzehntelang habe ich sehr viele Bücher gelesen. Allerdings hab ich das nicht im sozialen Kontekt genutzt, d.h. ich hatte keine Leute, mit denen ich darüber sprach oder hätte sprechen können. So kam es, dass ich mir Titel und Autoren i.d.R. gar nicht merkte. Das Leseerlebnis an sich, war es, was ich suchte.

Als ich älter wurde und Internet für mich gut verfügbar war, las ich nach einem Buch gern Artikel darüber oder Rezensionen, da kam das mehr in mein Bewusstsein.

Bin aber nicht immer der gleichen Meinung wie Kritiker oder Mainstream.

Es ist schade, dass das Bücher lesen doch mehr verschwindet. Sogar bei mir selbst, nachdem mich das den größten Teil meiner Lebenszeit begleitet hatte!

Mit Kind finde ich keine Zeit für Büchereien, neue Bücher sind teuer und die Bücherregale sind übervoll. Die Konzentration ist abends für mich kaum noch übrig, da bleibt es bei Internetartikeln oder Videos zum Einschlafen...

Trotzdem bin ich froh, so viel gelesen zu haben. Das Erlebnis ist ein ganz anderes als der Konsum im Internet. Ich wünschte, junge Leute würden noch lesen. Nicht, um ihnen was zur Bildung reinzudrücken, sondern weil es mir so viel Vergnügen bereitet hat, das viele gar nicht kennen.

Losona  11.10.2023, 20:38

Vor kurzem las ich Der Schimmelreiter und war sehr verblüfft, wie modern sich das teilweise liest, wie die Charaktere angelegt sind. Ein komplexes Buch, das keine einfache Deutung hat und über das ich noch manchmal nachdenke.

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Claud18  11.10.2023, 23:06
@Losona

Den hatten wir in der 8. Klasse und sollten dann als Hausaufsatz eine Charakteristik von Hauke Haien anfertigen. Damit war ich mit 14 heillos überfordert. Die Charakteristik hat dann mein literaturbewanderter Vater angefertigt, ich habe sie abgeschrieben und ein wenig an meinen Stil angepasst und hatte die beste Arbeit der Klasse.

Einige Jahre später las ich den "Schimmelreiter" noch einmal und war fasziniert. Vor allem, weil ich ein Jahr lang an der Ostsee lebte und die düstere Stimmung des Romans in den Nebelnächten nachempfinden konnte. Und bei Stürmen, die den ganzen Strand überspülten, wurde uns die Wichtigkeit der Deiche ebenfalls bewusst.

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verreisterNutzer  29.10.2023, 13:58
@Losona

Oh, den Schimmelreiter..haben wir in der Schule gelesen und habe heute noch das kleine Reclam-Heft...ich liebe dieses Buch...

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Ich hatte jahrelang keinen Fernseher, und deshalb spielten Bücher für mich eine große Rolle. Ich habe auch jetzt noch einen ganzen Stapel Bücher zu liegen (viele habe ich durch meine Arbeit als Zeitungszusteller gefunden), die ich auch noch lesen möchte. Jetzt schaue ich jedoch oft fern, und so bin ich mit dem Lesen etwas in Rückstand geraten (Ich habe oft auch mehrere Zeitungen, die wir bei meiner Arbeit als Freiexemplare erhielten, gelesen. Aber jetzt trage ich keine Zeitungen mehr aus, und die Lust, diese zu lesen, ist mir durch die ständige Genderei und falsche Grammatik vieler Zeitungen so ziemlich vergangen).

Ich gehe nicht danach, wer den Nobelpreis bekommt, sondern, ob mich das Thema interessiert. Da fand ich schon Doris Lessing interessant. Auch Swetlana Alexijewitsch. Die beiden haben ebenfalls den Nobelpreis für Literatur bekommen, aber da kannte ich einige ihrer Bücher schon. Ein Interview mit Herta Müller hatte ich in den 90ern in der "taz" gelesen und fand es sehr aufschlussreich. Sie hat später auch den Nobelpreis für Literatur bekommen.

Ansonsten: Klassiker wie Maupassant, Dostojewski (schwer zu lesen), Turgenjew, Garschin, Puschkin, Kleist, Gerstäcker, Mark Twain, Jules Verne, Jack London usw., und natürlich auch Karl May. Letzterer wurde in der DDR lange Zeit verrissen und erst in den 80er Jahren wieder aufgelegt. Da hatte ich aber schon längst die alten Bücher von Onkel und Tante ausgeliehen und gelesen.

In der DDR waren Bücher das Tor zur Welt, die wir nicht betreten durften. In den Zeitungen standen oft die üblichen Phrasen: Der Vorsitzende des Staatsrates und Vorsitzender der SED (dann kamen alle anderen Titel) Erich Honecker - dann kam seine Rede mit den immer gleichen Phrasen (gähn). Natürlich waren wir der beste Staat, und über Probleme, sofern sie nicht privat waren, wurde meist geschwiegen. Schriftsteller versuchten damals schon, die Lücken im Gesetz auszuloten und Kritik zwischen den Zeilen anzubringen.

Nach der Wende wurde dann erst einmal psychologische Literatur wichtig, die Probleme ansprach und sich damit auseinandersetzte (Joachim Maaz oder Alice Miller). Wir mussten uns mit den Wunden, die uns das restriktive System geschlagen hatte, erst einmal auseinandersetzen.

Ich lese auch gern Autobiographien von Frauen aus Entwicklungsländern. Diese Frauen sind oft bewundernswert, da sie sich gegen Widrigkeiten durchsetzen müssen, die für uns unvorstellbar sind.

Vielleicht lese ich mal etwas von Fosse - ich kenne ihn nicht. Aber wenn mir sein Schreibstil nicht gefällt (bei modernen amerikanischen Autoren ist das z. B. der Fall), lese ich nicht weiter. Der Geschmack des Nobelpreiskomitees muss nicht unbedingt mit meinem übereinstimmen, kann es aber (s.o.)

Aus meiner Sicht (M42) müsste die Frage eher lauten was hat sie für einen Stellenwert im Leben der kommenden Generationen. Selbst für mich, einen Lesemuffel hat sie einen sehr hohen Wert. Aber wenn ich mir so ansehe was hier manchmal für Fragen gesetllt werden und was so auf TikTok und ähnlichen Plattformen abgeht, habe ich da echt Bedenken was die Jüngeren betrifft.

Auch bei vielen Antworten sieht es nicht besser aus, da wird meist nur die Headline gelesen. Aber gut ich nicht lügen, das ist mir auch 1-2 mal passiert. Doch die Häufigkeit in der das vorkommt ist schon erschreckend. Es gibt ja einen Grund warum Viele sagen die Menschheit verblödet immer mehr und vieleicht kann ich mich da gar nicht von ausnehmen. Aber gut ich bin auch nicht so wichtig für die Menschheit, anders sieht es da mit unsren Gesetzeshütern aus.

Wenn man sich deren Konversationen durchliest, fragt man sich ob die überhaupt mal ein einziges Buch gelesen haben ...

(Vorsicht +18 und sehr verstörend mit Altersabfrage)

https://itiotentreff.chat/

Ich wünschte die würden mal etwas über unsere Geschichte lesen. Dann würden sie vieleicht begreifen wie falsch ihr Verhalten ist und das es bei ihrer Stellung absolut nicht tragbar ist. Naja aber um erlich zu sein, denke ich da ist hopfen und Malz verloren. Ich glaube in der Zukunft ist die Neue Literatur eher keine Literatur. Ich denke in Zukunft werden die Meisten wohl ihr Wissen von Influencern beziehn, davon gibt es immer mehr. Wenigstens lesen von denen ein paar ...

Ich denke es gibt einen Grund warum ihr diese Frage gestellt habt :-/

Peace ;-)