Wäre Chernobyl auch dann hochgegangen, wenn die Steuerstäbe keine Graphitspitzen gehabt hätten?

Nein 44%
Das weiß man nicht 44%
Ja 11%

9 Stimmen

8 Antworten

Der Reaktor wäre so wie er war, niemals hochgegangen, wenn man, ganz banal gesagt, die Betriebsanleitung beachtet hätte und vor allem, diese vollständig gewesen wäre und nicht wichtige Informationen unter den Teppich gekehrt hätte!

Ursache war eine völlig falsche Bedienung im Vorfeld. Stichwort: Xenonvergiftung. Das auf der Annahme basierte, die Notausprozedur mit den Steuerstäben funktioniert in jedem Betriebszustand (Idiotensicherer als ein Lada). Das ist der Punkt der unter den Teppich gekehrt wurde.

Der Reaktortyp ist und war vernünftig. Der Tschernobylreaktor war von der 2. Gen und da laufen immer noch 6 Stück! Die Dinger sind robust und verzeihen viel. Ein beschissenes Politsystem und unzureichende Wartung inbegriffen. Ich weiß nicht, ob ein westliches Modell besser laufen würde unter diesen Bedingungen.

Nur mal zur Info, was so ein Russenreaktor alles mitmachen musste...

https://www.youtube.com/watch?v=XRpUBWqBSHM

Woher ich das weiß:Hobby

SalatAufemBrot 
Beitragsersteller
 27.10.2024, 02:09

Ja, natürlich wurde der Reaktor falsch bedient. Es stellt sich aber die Frage, ob der Reaktor unter diesen Konditionen (falsche Bedienung) auch dann hochgegangen wäre, wenn man nicht aus Kostengründen Graphitspitzen verwendet hätte.

Wahrscheinlich wussten die Mitarbeiter nichts davon, dass da Graphit verbaut wurde, sondern hatten sich auf Transparenz vonseiten ihrer Obrigkeiten verlassen, die die Problematik mit dem Graphit aber aus politischen Gründen verschwiegen hatten.

Rumpelric  27.10.2024, 02:16
@SalatAufemBrot

Soweit was ich gelesen habe, kam es bei der Bedienung zu so eklatanten Fehlern, dass die Konstruktion der Steuerstäbe nur eine Mitverantwortung getragen hat, durch die kurzzeitige leistungssteigernde Wirkung. Das war aber bekannt und wurde unter den Teppich gekehrt! Die Reaktorfahrer wussten das nicht.

SalatAufemBrot 
Beitragsersteller
 27.10.2024, 02:21
@Rumpelric

Ja, man wollte die eigenen Reaktoren als den westlichen überlegen darstellen und hat das daher verschwiegen. So habe ich das zumindest gelesen

Rumpelric  27.10.2024, 02:24
@SalatAufemBrot

Der Reaktor hat halt den Vorteil, dass man den nicht herunterfahren muss, um Brennstäbe zu tauschen.

Nein

hmm, könnte schon sein. Die BorCarbidStäbe sollten ja die Kernspaltung unterbrechen, während die GraphitSpitzen diese, bei sehr gefährlichen Vorbedingungen, noch angeheizt haben!

Allerdings ist die Diskussion ja müßig! Man hätte die Stäbe ja nicht während des Betriebs austauschen können!

Man hätte wohl nach den fehlerhaften Vorbedingungen NICHT den geplanten Test durchführen und die Kühlung abschalten dürfen. Danach war es zu spät, weil man keine andere Möglichkeit hatte, als den Reaktor herunter zu fahren, was ihn aber zur Explosion gebracht hat!


SalatAufemBrot 
Beitragsersteller
 27.10.2024, 02:07
Man hätte die Stäbe ja nicht während des Betriebs austauschen können!

Aber man hätte die Mitarbeiter über die Problematik mit dem Graphit informieren können. Natürlich haben die Mitarbeiter trotzdem sehr viele Fehlentscheidungen getroffen, aber vielleicht hätten sie nicht so leichtfertig gehandelt, wenn sie von dem Problem gewusst hätten.

Aus politischen Gründen wurde davon aber wohl abgesehen, man wollte die eigenen Reaktoren ja schließlich als den westlichen Reaktoren überlegen darstellen

SalatAufemBrot 
Beitragsersteller
 27.10.2024, 02:04
@Spikeman197
hatte er aber eben nicht

Aber das war ja nicht sein Verschulden, dass die Infos aus politischen Gründennicht weitergeleitet wurden. Trotzdem steht natürlich außer Frage, dass er die Schuld trägt

Edit: Ok, gutefrage spinnt wegen der Zeitumstellung komplett und zeigt den Kommentar einfach viel zu weit oben an

Spikeman197  27.10.2024, 02:40
@SalatAufemBrot

Weiß nicht, was hätte man denn dann machen sollen? Iwann gibt es einen Point-of-no-Return! Als der Reaktor durch ging, hat man die NotAbschaltung gestartet, was aber alles verschlimmert hat! DA war es jedenfalls sicherlich zu spät! Dazu hatten sich die eigentlichen SchichtVerantwortlichen erst geweigert, den Test überhaupt durchzuführen. Aber ihnen wurde mit Entlassung gedroht! Iwo zwischen dem Start und dem Durchgehen, das zur Notabschaltung führte, war es zu spät!

MMn war es in dem Moment weniger eine politische Entscheidung, als persönliche Macht und Prestige. Der stellvertretende Leiter war prinzipiell sehr erfahren und konnte es nicht vertragen, wenn seine Entscheidung angezweifelt wird, weshalb er sich durchgesetzt hat!

SalatAufemBrot 
Beitragsersteller
 27.10.2024, 02:48
@Spikeman197

Der Mitarbeiter hat vielleicht geglaubt, dass er zwar gegen Richtlinien verstößt, aber trotzdem alles unter Kontrolle hat, weil er ja wisse wie der Reaktor funktioniert und daher das Risiko einschätzen könnne. Das konnte er natürlich nicht, weil ihm der tatsächliche Aufbau der Steuerstäbe verschwiegen wurde. Wenn der Mitarbeiter gewusst hätte, dass da Graphit verbaut ist, dann hätte er vielleicht anders gehandelt.

Das rechtfertigt natürlich nicht die Richtlinienverstöße. Aber es erklärt, wie die intransparente Kommunikation ganz maßgeblich zum Unglück beigetragen hat

Spikeman197  27.10.2024, 02:55
@SalatAufemBrot

Es hat wohl schon vorher Beschreibungen des Effekts gegeben, die aber nicht weiter geleitet wurden. Klar, das hat etwas mit Politik und Prestige der UdSSR zu tun. Aber einen riskanten Test durchzuführen, obwohl vorher alles drunter und drüber ging und sogar der Schichtleiter ablehnt und auf Probleme hinweist, hat mMn etwas mit dem persönlichen Ego zu tun! Es war der letzte Moment, alles zu verhindern! Einfach den Test doch nicht starten, sondern warten, bis der Reaktor tatsächlich wieder vollständig unter Kontrolle ist. Der VizeChef wollte aber seinen Willen durchsetzen und den Test abschließen! Ja, er war prinzipiell kompetent und überzeugt, alles unter Kontrolle zu haben, hatte er aber eben nicht! UND es hat Warnungen gegeben, die er aber nicht hören wollte! Stattdessen hat er mit Entlassungen gedroht.

Ich würde den RBMK jetzt nicht unbedingt als "Billigreaktor" bezeichnen. Nur in dieser Größenordnung eher als voreilig zusammengesetzt zu ganz groß aus einem ganz frühen Entwicklungsprojekt in falschem Ehrgeiz damals.

Fukushima war auch in Ort und Lage gegenüber potenzieller Gefahr hin nicht "ausgereift".


Gnurfy  27.10.2024, 02:14

Gut, war auch eine Entwicklungssache Mitte der 1970er. Ich nehme die Entwickler des RBMK hiermit keineswegs in Schutz oder würdige die Japaner herab.

In kritischen Fällen versagten praktisch beide Prinzipien nun mal leider real. Und dafür würdige ich die Russen trotz Pitun jetzt nicht besonders herab.

Es sind Angelegenheiten, die nun mal leider unabhängig voneinander rund um das Thema Kernspaltung tatsächlich passierten.

Zivil kreide ich das weder den Russen undveren ingenieuren, noch dem Japanerm auf ihrer Seite an.

Kernspaltung ist und war halt immer eine höchstriskante Sache. Fusion haben wir noch nicht, und zur weltweiten Geburtenkontrolle haben wir noch keine Konzepte.

Selbst wenn ich es vermutlich nicht mehr selbst erlebe, so würde ich mir spätestens ab 2030 stagnierend, umd 2050 nur noch 5-6 Mrd. !enschen durch Geburternverweigerung und Protesten zu gerechterer Verteilung von Geld und kleinen Ressourcen wünschen.

Spätestens 2050 sollte jeder erwachsene Mensch von seiner eigenen Hände Schaffenskraft selbst Obdach und Sattheit in jedem Landstrich der Welt haben müssen.

Natürlich müssen auch nach 2050 weiter immer weniger Menschen immer gleicher von ihrer Hände Arbeit auf der Welt satt werden können.

Das soll den Ausbeutern, Gierhälsen und Spekulanten zu recht nicht passen. Aber dafür dann auch nur noch höchstens etwa 5-6 Mrd. mit absteigender Tendenz Menschen selbstversorgend auf dem Globus ohne Kinderarbeit und Ausbeutung Obdach und Sattheit erfahren.

Angeblich sind wir ja das "modernste" was die irdische Evolution gerade hervor brachte,.

Rumpelric  27.10.2024, 02:34
@Gnurfy

Also von den Japanreaktoren habe ich auch schon mal vor langer Zeit eine Doku gesehen. (Vor Fukushima) Die ersten waren wohl GE Lizenzbauten. Ein GE Techniker muss so ein Ding besichtigt haben und hat attestiert: "Die haben das Ding falsch zusammengebaut!" Der war überrascht, dass der so funktionierte.

Gnurfy  27.10.2024, 02:40
@Rumpelric

Ich würde mich hier auch aus Nippon nicht unbedingt auf zu viel Spekulatius verlassen.

Ich bin und war nie ein Totalgegner von Kernkraft. Sonst müsste ich mich selbst belügen. Gib' mir Energie, aber keine möglichen Nachteile damit.

Zu unserer Zeit war es eher die siffige und ständig verrußte Luft...

Aber im Gegenzug gaben mir solche Betriebe auch recht sicher immer eine Arbeit direkt, oder indirekt beim Zulieferer oder Versorger.

Selbst beim Bäcker konntest Du davon nachts noch Waren an die ganzen Büdchen und Trinkhallen fahren.

Oder Autoteile im nachts Express an die ganzen Autohäuser für Menschen, die sich selber was am Auto krambo fuhren.

Rumpelric  27.10.2024, 02:43
@Gnurfy

Strom aus Propellern. Das ist halt wie die Seefahrt vor dem Dampfschiff.

Gnurfy  27.10.2024, 02:53
@Rumpelric

Du begreifst es einfach nicht, worum es bereits seit Jahrzehnten wirklich geht.

Was meinst Du wohl, wie hart es schon damals für uns relativ einfache Arbeiter war, als die Autos ohne Kat plötzlich in Steuern mal eben doppelt so teuer wurden im reinen Unterhalt, nur weil sie keinen KAT hatten. So ein poop Golf II "Standard" kostete plötzlich das doppelte an Steuern, und nach Hubraum in der Versi-Haftpflicht wurde der dann auch empfindlich teurer. Schiete für alle die nicht mit ÖPNV oder F-Rad oder Moped mal eben nebenan zur Arbeit konnten.

Das zog natürlich auch die Zahl an freien Werkstatt-Kleinbetrieben deftig nach unten. Zur Werkstatt, oder andere Rechnungen nicht mehr zahlen können?

Daher beende ich hier an Dieser Stelle Deine Sache mit Deinen Nebeneinwürfen.

Rumpelric  27.10.2024, 08:45
@Gnurfy

Huch! Ich hoffe, Du bist danach ins Bett gegenagen... Ich glaube, Du warst nicht mehr ganz Threadsicher... 😉

Das weiß man nicht

Ein Grund von vielen. Das war eher eine Verkettung von mehreren Gründen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Maschinenbau
Das weiß man nicht

Außer den

  • Graphitspitzen der Steuerstäbe

trugen auch diese konstruktionsbedingten Ursachen zu dem Unfall bei:

  • Der graphitmoderierte Bautyp und sein positiver Dampfblasenkoeffizient
  • Das Fehlen einer automatischen Überwachung der Reaktivitätsreserve

Durch das Zusammenwirken dieser Faktoren konnten die von der Mannschaft begangenen Bedienungsfehler so schwerwirkende Folgen haben.