Sind unsere Gesetze eigentlich nur eine Ansammlung verschiedener Ideologien, da sie nicht rein auf die Wissenschaft basieren?
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7 Antworten
Gesetze sind immer das Ergebnis eines Zusammenspiels von Wissenschaft, Ethik, Politik und gesellschaftlichen Werten. Sie sind nicht nur Ausdruck von Ideologien, sondern versuchen, eine Balance zwischen verschiedenen Interessen und Perspektiven zu finden. Eine rein wissenschaftliche Grundlage für Gesetze ist unrealistisch, da viele gesellschaftliche Fragen nicht allein durch wissenschaftliche Erkenntnisse beantwortet werden können.
LG aus Tel Aviv
Es fehlt eine Antwort dazwischen oder ein Sonstiges.
Unsere Gesetze sind vor allem erst mal eine große Ansammlung aus Erfahrungen. Diese Erfahrungen bestimmen, wie wir denken, dass eine Gesellschaft überhaupt auf Dauer vernünftig zusammenleben kann.
Ein simples Beispiel ist das Verbot des Betruges. Man könnte halt auf dem Standpunkt stehen (und viele Jahrhunderte/Jahrtausende war das in Gesellschaften so), dass Menschen bei Abschluss eines Vertrages selbstverantwortlich sind, was sie tun. "Pacta sunt servanda" ist ein dazu gehöriger Grundsatz aus dem Mittelalter.
In der Antike bzw. im alten Rom gab es das so noch nicht. Da durften Verträge nur in engen Rahmen geschlossen werden. Heute kann man sich das vorstellen wie Musterverträge und davon durfte im Prinzip nicht abgewichen werden.
Im Mittelalter dann entwickelte sich die auch heute noch bekannte Vertragsfreiheit. Aber es entstand dadurch das Problem, dass Verträge beliebig ausgestaltet werden konnten und viele Betrüger nutzten das aus und - nun ja - hauten unerfahrene Menschen richtig übers Ohr. Somit entstand immer mehr die Erkenntnis, dass man abstrakte Regeln braucht und eine der Regeln ist, dass der Betrug (also im Prinzip die Täuschung) strafbar ist und zur Nichtigkeit von Verträgen führen kann.
Man kann das natürlich auch wissenschaftlich alles begründen und ja, es gibt auch eine Wissenschaftsdisziplin (Rechtswissenschaft), aber oftmals ist es simple Erfahrungssache, die dem zugrundeliegt. Man kann viele unserer Gesetze daraufhin durchleuchten und findet immer wieder etwas, was sich im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende entwickelt hat und was immer wieder verändert und optimiert wurde, um mit dem Leben und der Gesellschaft Schritt zu halten. Nicht immer geht es dabei streng wissenschaftlich zu.
Das andere Extrem, also die reine Ideologie, findet man bei uns nur an einem Punkt: Wir heben die Demokratie, den Rechtsstaat und die Menschenrechte auf ein Niveau, über das nicht diskutiert wird. Dem ordnen wir letztendlich alles unter. Vielleicht findet man irgendwo ein einzelnes Gesetz, dem auch mal eine reine Ideologie ohne wissenschaftliche Grundlage zugrunde liegt. Bei abertausenden Gesetzes ist das durchaus wahrscheinlich. Aber die große Masse ist nicht rein ideologisch getrieben.
Danke. Ich erkläre gerne an Beispielen, damit man sich das gut vorstellen kann.
Die Antwort von @Stressika ist sozusagen der abstrakte allgemeingültige Oberbau zu meinem Praxis-Beispiel.
Ich finde, sie schreibt sehr oft hervorragende Antworten! Ergänzt durch deine Praxisnähe noch einmal anschaulicher.
"Wir heben die Demokratie, den Rechtsstaat und die Menschenrechte auf ein Niveau, über das nicht diskutiert wird. Dem ordnen wir letztendlich alles unter"
Also, der Satz macht das ganze zu einer Ideologischen Sache. bzw. das erklärt die Demokratie zu einer Ideologie.
Und, die große Masse nutzt den Begriff auch ideologisch.
Wenn die USA behauptet, dass wir die Demokratie im Nahen Osten verteidigen, dann ist der Begriff 'Demokratie' ideologisch gemeint.
Eine nicht-ideologische Nutzung wäre, wenn man einfach alle Leute fragt ob man Krieg will, und daraus eine Mehrheit entsteht. - Allerdings, die meisten wollen kein Krieg, und trotzdem entstehen Kriege.
Demokratie ist meistens ein Glaubensbekenntnis, dem man alles zuschreibt was man aus dem Medien gesagt bekommt. Befehl-Gehorsam ist eigentlich nicht wirklich ein demokratischer Grundgedanke.
Du hast gleich mehrere Denkfehler:
A) die Ukrainer und die Israelis wurden deswegen nicht gefragt, weil nicht sie es waren, die einen Krieg begonnen haben. Er wurde ihnen schlichtweg durch nicht-demokratische Elemente aufgezwungen. Bei den Ukrainern ganz direkt und bei den Israelis durch abscheulichen Terror etwas indirekter.
Dein Maßstab ist also fehlerhaft.
B) das Verteidigen der Demokratie im nahen Osten oder in Afghanistan oder in der Ukraine ergibt eine völlig andere Argumentation, als du sie zugrunde legst.
Tatsächlich ist es so, dass eine moderne Demokratie mit Menschenrechten u.ä. (Man könnte Vertragstreue und Völkerrecht noch hinzunehmen) Angriffskriege u.ä. im Grunde als Gegensatz ausschließen.
Terror, Angriffskriege und Imperialismus gehen eher mit Diktaturen und mindestens Autokratien einher.
Der Kampf gegen solche ist automatisch ein Verteidigen drr Demokratie, denn lernen Terroristen.und Imperialisten, dass sie alles mit Gewalt bekommen, machen sie einfach weiter.
Siehe Toleranz-Paradoxon.
C) Das mit den Medien ist eine vollkommen wirre Vetschwörungsverschwurbelei. In dieser gilt der Widerstand als einzig wahre eigenständige Erkenntnis.
Insofern Blödsinn als man damit stets gegen alles sein muss auch gegen sich selbst. Denn sobald "die Medien" die eigene Position übernehmen, ist man ja wieder in der wirren Befehl-Gehorsam-Diktatur.
Das Leben kann deutlich simpler sein: Wenn ich es gut finde, dass Mann und Frau gleich behandelt werden, dann ist es so. Wenn dann "die Medien" zufällig mehrheitlich derselben Meinung sind, dann ist es einfach so. Dann ist es total wirr, würde ich dagegen sein, nur weil mir irgendwer eingeredet hat, dass es eine Diktatur sei, "den Medien" zu folgen.
Das Grundgesetz, das wichtigste Gesetz, basiert zu einem grossen Teil auf Inhalte der Bibel.
Da die Anhänger der Religionen alle auch Bewohner eines Staates sind, machen sie also die Gesetze des Staates. Oft übernehmen sie dabei absichtlich oder unbewusst vieles von den vertrauten Geboten ihrer Religion. So ist es auch in Deutschland. Hier leben vor allem Christen. Daher sind viele Grundrechte und Gesetze den Anweisungen ähnlich, die in den Zehn Geboten stehen.
https://www.hanisauland.de/wissen/spezial/religionen/einfuehrung-christentum/christentum-kapitel-7.html
Wer sagt, dass es nicht auch eine Ideologie ist, wenn man rein der Wissenschaft folgt?
Ich würde es so sagen: Es gibt Grundwerte in unserer Verfassung, wie z.B. die Würde des Menschen, Religionsfreiheit, Gewaltenteilung, die ein Wertefundament bilden und die auf eine bestimmte Ethik zurückgehen.
Die einzelnen Gesetze dann im Speziellen sind doch eher teils aus politischen Machtkämpfen hervorgegangen oder werden aufgrund von Wahlkämpfen gemacht. Gerade in Deutschland ist ja alles reguliert, was man irgendwie regulieren kann. Das kann dazu führen, dass man die eigentliche Ethik hinter den Gesetzen gar nicht mehr spürt, weil man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.
Deshalb ist es dann auch gut, wenn Gerichte manchmal bestimmte Gesetze kippen, wenn sie der eigentlichen Ethik der Verfassung widersprechen.
Ideologie bedeutet nicht wissenschaftsfern. Eine Ideologie ist mehr oder weniger dasselbe wie eine Weltanschauung. Und eine Weltanschauung kann doch aus rational begründet sein.
Sehr schön erklärt, danke :)