Meinung des Tages: Zwangsentsperrung von Handys durch Polizei rechtmäßig - was denkt Ihr darüber?
(Bild mit KI erstellt)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Polizei unter bestimmten Voraussetzungen das Smartphone eines Beschuldigten zwangsweise mittels Fingerabdruck entsperren darf. Diese Entscheidung wirft Fragen zum Verhältnis von Strafverfolgung und Grundrechten auf...
Hintergrund zur Entscheidung
Im Februar 2023 führte die Polizei in Bremen eine Wohnungsdurchsuchung bei einem Mann durch - er stand im Verdacht, kinderpornografisches Material verbreitet zu haben. Trotz seiner Aussage, kein Smartphone zu besitzen, entdeckten die Beamten ein Gerät. Der Beschuldigte weigerte sich, dieses zu entsperren schlug um sich und versuchte, zu fliehen, wurde er letztlich von dem Beamten fixiert. Unter Zwang entsperrten diese dann mit dem Finger des Beschuldigten dessen Smartphone. Dagegen wiederum ging der Beschuldigte vor und bezog sich dabei auf § 113 Abs. 4 StGB. Demnach wäre ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nicht strafbar, wenn deren Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Die Rechtmäßigkeit sahen jedoch sowohl das Amts- als auch das Landgericht Bremen und letztlich auch das OLG Bremen.
OLG erlaubt Zwangs-Entsperrung
Bestimmte Voraussetzungen müssen allerdings dennoch erfüllt sein. Es bedarf einer richterlich angeordneten Durchsuchung, welche die Sicherstellung elektronischer Geräte erfasst. Eine Verhältnismäßigkeit muss zudem gegeben sein - die Maßnahme muss also im Verhältnis zur schwere der Tat und der Relevanz der zu sichernden Beweise stehen. Das stützt sich dabei auf § 81b Abs. 1 StPO. Hier wird erlaubt, erkennungsdienstliche Maßnahmen wie die Abnahme von Fingerabdrücken durchzuführen - das zwangsweise Entsperren des Smartphones wird als vergleichbare Maßnahme angesehen.
Kritik zum Beschluss
Der Jura-Professor Mohamad El-Ghazi hält die Entscheidung für falsch. In seinen Augen greift diese Maßnahme in die Grundrechte ein - für ihn besteht ein großer Unterschied zwischen der Abnahme von Fingerabdrücken zur Identifizierung und der zwangsweisen Entsperrung eines Smartphones, welches er als "Datengoldschatz" bezeichnet. Er fordert vom Gesetzgeber eine klare Regelung, die eindeutig festlegt, wann die Polizei derartige Maßnahmen durchführen darf.
So sieht es auch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Den Beschluss hält sie für "verfassungsrechtlich problematisch".
Unsere Fragen an Euch:
- Wo endet für Euch der Schutz der Privatsphäre, wenn schwerwiegende Straftaten im Raum stehen?
- Seht Ihr eine Verhältnismäßigkeit zwischen der Abnahme eines Fingerabdrucks und dem zwangsweisen Entsperren eines Smartphones?
- Sollte neben Fingerabdrucksentsperrung auch eine biometrische erzwungen werden können?
142 Stimmen
57 Antworten
Meiner Meinung nach kann in schwerwiegenden Fällen wie Kinderpornografie eine zwangsweise Entsperrung unter klaren, rechtlich abgesicherten Bedingungen vertretbar sein.
Aber: das darf nicht zur Alltagsmaßnahme werden, sonst verlieren wir den Schutz unserer digitalen Privatsphäre.
Der Gesetzgeber ist gefragt, hier eine klare, grundrechtskonforme Regelung zu schaffen, statt der Justiz zu überlassen, wo die Grenzen sind.
Du musst berücksichtigen, dass er Polizist ist.
Für Polizisten sind Menschen, die sie verdächtigen, immer gleich Straftäter. "Verdächtiger" und "Schuldiger" sind deckungsgleiche Begriffe.
oje, darf ein solch schwerer Ausrutscher hier stehen bleiben?
Aber: das darf nicht zur Alltagsmaßnahme werden, sonst verlieren wir den Schutz unserer digitalen Privatsphäre.
Nö, denn die Rechtsgrundlage für die Durchsuchung bleibt die gleiche. Menschen die keine straften begehen, haben nichts zu befürchten.
Also verlieren „wir“ gar nichts, sondern die Ermittlungen gegen Straftäter können schneller und effizienter geführt werden
Gerade weil ich nichts zu verbergen habe, will ich selbst entscheiden, wer Zugriff auf meine privaten Daten hat. Der Staat darf nicht einfach alles durchsuchen, nur weil es bequemer ist. Effizienz ist wichtig, aber sie darf nicht über dem Rechtsstaat stehen. Sonst würden wir auch Folter erlauben, wenn’s schneller geht..
Wie gesagt du verstehst es anscheinend nicht.
An der Rechtsgrundlage, also wann ein Gerät durchsucht wird, hat sich gar nichts geändert. Das ist immer noch die gleiche.
Nur der Weg der Entsperrung hat sich geändert. Also ändert sich für jeden normalen Bürger rein gar nichts. Und selbst in der Realität wird sich kaum etwas ändern.
Denn Fingerabdruck nutzen viele nicht mehr und gerade die Straftäter nicht.
Also verlieren „wir“ gar nichts, sondern die Ermittlungen gegen Straftäter können schneller und effizienter geführt werden
Dann kannst du sicher erklären warum Polizei Datenträger, von jener Art Verdächtigen, immer wieder nach 2 Jahren Frist ungesichtet wieder herausgeben muss. Ich ja, weil die Polizei nicht genug Personal hat diese zu sichten. Das zeigt schon das die eigentlichen Probleme wie immer wo anders liegen.
So einen Fall hatte ich tatsächlich noch nicht.
Aber das würde das ganze ja nur bestärken. Dann könnte man die Beamten für die Auswertung nutzen, wo es auch tatsächlich notwendig ist.
Es erspart allen Beteiligten Geld und Zeit.
Passiert laut Polizei leider nicht selten, wie oft genau weiß ich nicht. Und nein selbst das hier genannte wohl würde nicht helfen, denn es fehlt Personal. Selbst wenn die Daten Frei zugänglich sind, muss ja alles gesichtet werden, zugeordnet, potentielle Zahl Opfer, Bezugsquellen, Orte und vieles mehr analysiert werden. Zudem werden sicher die selben Leute sich nicht nur um Pädophilen Datenträger kümmern, sondern auch andere. Sprich, ist wohl als wollte man einen Berg mit einer Schaufel abtragen.
Menschen die keine straften begehen,
Und jetzt Definiere mal Straftaten
Wenn es eine Straftat wird Weiß du sein, dann wirste wohl auch net dein Handy übergeben wollen
Vorweg. Die Abnahme von Fingerabdrücken ist in keiner Weise mit dem Zwangsentsperren eines Handys vergleichbar. Das eine ist eine Feststellung der Identität. Das Andere eine Durchsuchung privater Daten. Das ist etwa, als würde man eine Ausweiskontrolle mit einer Taschendurchsuchung gleichsetzen.
Ein Beschluss, der die Sicherstellung von elektronischen Geräten anweist, berechtigt nur zur Sicherstellung des Gerätes, nicht aber zur Auswertung der Daten.
Vor der Auswertung ist zwingend eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen. Hier sind die Schwere der Vorwürfe und die zu erwartenden Erkenntnisse vorab darzulegen und abzuwägen.
Von Fingerabdrücken im Sinne Identitätsfeststellung steht nichts im Artikel. Ist hier also gar nicht relevant. (strg+F) Es geht lediglich darum, das ein Smartphone mit einem Fingerabdruck entsperrt wird.
Das ist so nicht korrekt.
Das stützt sich dabei auf § 81b Abs. 1 StPO. Hier wird erlaubt, erkennungsdienstliche Maßnahmen wie die Abnahme von Fingerabdrücken durchzuführen - das zwangsweise Entsperren des Smartphones wird als vergleichbare Maßnahme angesehen.
... er sorgt nur für Irritationen in Bezug auf die Grundrechte, bringt im Ergebnis für die Zukunft aber nicht viel.
Im Gegenteil, für Leute, die Dreck am Stecken haben, hat der Beschluss eine Signalwirkung: sie werden auf das Entsperrverfahren per Fingerabdruck verzichten und die klassische Methode mit Entsperrcode bevorzugen. Dann kann man die Entsperrung nämlich nicht so einfach erzwingen.
Solche Kontrollen dürfen kein Freibrief werden, sonst haben wir irgendwann Verdachtskontrollen auf öffentlichen Plätzen.
In Verbindung mit einer ( richterlich angeordneten ) Wohnungsdurchsuchung sehe ich es als legitimes Mittel, vor allem in Verbindung mit dem Vorwurf Kinderpornografie.
Dann sollte man, als ErmittlungsBeamter aber auch Handies entsperren dürfen. (im Falle eines HauptverdachtMomentes)
Beweise sichern und vor Ort öffnen sind ja wohl zwei komplett andere Schuhe.
Die Polizei würde sich ja auch nicht vor Ort durch irgendwelche Aktenordner wühlen oder selbst einen Tresor aufbrechen.
Mitnehmen und von Fachleuten und am besten im Beisein des Anwalts des Beschuldigten öffnen.
Auch Dreckschweine haben Rechte.
Und gerade bei denen zeigt sich, was der Rechtsstaat Wert ist, wenn er diese Rechte auch hier ohne wenn und aber beachtet.
Die Polizei würde sich ja auch nicht vor Ort durch irgendwelche Aktenordner wühlen oder selbst einen Tresor aufbrechen.
Ähm... doch, würde sie. Das Aufbrechen abgeschlossener Schränke, Schubladen und notfalls auch Tresore ist Alltag bei polizeilichen Durchsuchungen. Im Weg stehen dem allenfalls faktische Hindernisse (sprich: Tresor zu massiv) - dafür wird dann das entsprechende Werkzeug und Personal herangeschafft, ggf. in Form der Feuerwehr.
Zur Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien verweise ich auf § 110 StPO.
Hast du dir die Frage überhaupt durchgelesen, um was es geht?