Hallo zusammen,
ich bin Mitte 20 und nehme jetzt seit knapp einem Jahr Ritalin. Anfangs war es ein echter Gamechanger. Dinge erschienen auf einmal naheliegend, die mir sonst nie leicht fielen. Ordnung halten, Struktur in den Alltag und ins Leben/Planung bringen, Dinge nicht ewig aufschieben, Gesprächen folgen können etc. Es war nicht perfekt, aber ich war alltagsfähig. Damit konnte ich umgehen bzw. damit "ließ sich arbeiten".
Nun habe ich ein halbes Jahr vollstationäre Therapie hinter mir. Mir geht es das erste Mal im Leben richtig gut, ohne dass äußere Faktoren eine Rolle spielen. Sonst ging es mir auch immer mal wieder kurzzeitig gut, aber dann eher weil neuer Job, neue tolle Leute um einen rum, neuer Mann etc. Aktuell ist es eher andersrum: Von den äußeren Faktoren ist nicht wirklich groß was da, was mir eine so große Freude beschert, aber ich kann diese Freude irgendwie aus mir selbst ziehen. Diesmal fühlt sich meine Stimmungslage einfach "stabiler/langfristiger" an.
Vor 4, 5 Wochen habe ich gemerkt, dass mich auf einmal wieder Ängste plagen. Ich bekam immer mal wieder Panikattacken(hatte ich früher schon, aber nach einer Traumatherapie nur noch 2 Mal vorgekommen), immer häufiger kam ich in Angstspiralen rein, ich wurde irgendwie immer ernster und "straighter". Situationen bewertete ich automatisch als negativ/bedrohlich. Kleinigkeiten brachten mich lange auf die Palme. Ich wollte in schlechten Momenten nicht reden, war in meinem Film. Gespräche wollte ich kurz halten. Aufmunterungsversuche oder Ideen, die Situation zu klären fand ich störend. Ich kapitulierte/resignierte direkt, wenn was nicht so lief, wie ich wollte.
Dann kam von anderen Leuten, denen ich das berichtet hatte der Impuls, ob es nicht vielleicht am Ritalin liegen könnte. Ich dachte zuerst, dass das Quatsch ist. Dann habe ich mit meiner Psychiaterin gesprochen und sie meinte, bei Ängsten kann das Ritalin diese schon verstärken. Ich könnte es ja mal auslassen und schauen was passiert.
Und siehe da:
Ja, ich war mal auf 180, aber das kühlte schnell ab. Ja, ich wollte auch mal nicht reden, aber nach 1 Stunde habe ich doch das Gespräch gesucht. Über Aufmunterungsversuche habe ich mich gefreut. Meine "Albernheit" hat mich oft aus unangenehmen Situationen gerettet bzw. dadurch konnte ich für mich einer negativen oder neutralen Situation doch was positives abgewinnen. Ich finde eine Lösung für ein Problem, auch wenn es nicht Schema F ist und habe auch Lust diese auszuprobieren. Meine Neugier und meine Abenteuerlust sind zu groß, um Dinge direkt hinzuschmeißen. Situationen die ich mit Ritalin definitiv negativ bewertet hätte (wie z.b. Dunkle Straße, Auto hält neben mir, 2 Männer schauen mich an) bewerte ich neutral bzw. in dem Fall musste ich selber zu mir lachen, weil ich es albern fande, wie sie auf einmal ihre Musik hochdrehen um Aufmerksamkeit zu bekommen, diese haben auch gelacht und die Situation war gut. Ein Freund meinte auch zu mir, er empfindet mich ohne viel zugänglicher. Meine Laune ist einfach eine ganz andere. Ich leg nicht alles auf die Goldwaage und kann über dumme Kommentare z.b. eher hinwegsehen.
Dann habe ich es für 2 Tage wieder genommen, um zu gucken, ob es nicht einfach "Zufall" oder andere Tagesform etc. war. Und tatsächlich war alles wieder so, wie die letzten Wochen mit Ritalin. Ich habe es nach den 2 Tagen sein lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viel mit dem Ritalin zusammenhängt.
Nun meine Frage: Kann es sein, dass durch die Therapie das Ritalin einfach zu viel ist? Dass ich davor bei einer -50 von "Struktur" im Kopf war, durch das Ritalin bei einer -20, durch die Therapie ich jetzt aber ohne Ritalin bei einer -20 bin und das Ritalin mich jetzt auf eine +10 bringt und ich es deswegen als so "unpassend" zu meiner Persönlichkeit erlebe? Jetzt mal plakativ ausgedrückt.
Ist viel Text geworden...Vielleicht liest sich ja jemand aber doch alles durch und kann dazu was sagen