Macht der „Mainstream" die Gesellschaft kaputt (2023)?
Guten Tag zusammen.
Mainstream heißt in wörtlicher Übersetzung Hauptstrom und bezeichnet, die oft etwas abfällig gemeinte Orientierung (an) der Masse. Die Masse, die Gesellschaft, der Zeitgeist, sie alle sind Begriffe, die mit dem Mainstream assoziiert sind, am ehesten die Masse. Gemeinsam ist ihnen, dass die Masse gefühlt die Anderen sind, man selbst gehört in aller Regel nicht dazu. Jedoch:
„Diese Anderen sind dabei nicht bestimmte Andere. Im Gegenteil, jeder Andere kann sie vertreten. Entscheidend ist nur die unauffällige, vom Dasein als Mitsein unversehens schon eingenommene Herrschaft der Anderen. Man selbst gehört zu den Anderen und verfestigt ihre Macht. „Die Anderen“ die man so nennt, um die eigene wesenhafte Zugehörigkeit zu ihnen zu verdecken, sind die, die im täglichen Miteinader zunächst und zumeist „da sind„. Das Wer ist nicht dieser und nicht jener, nicht man selbst und nicht einige und nicht die Summe Aller. Das „Wer“ ist das Neutrum, das Man.“
Da niemand die Anderen repräsentiert, sondern eben jeder, ist man auch selbst einer, der dazu gehört. Noch deutlicher wird es hier:
„In der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, in der Verwendung des Nachrichtenwesens (Zeitung) ist jeder Andere wie der Andere. Dieses Miteinandersein löst das eigene Dasein völlig in die Seinsart „der Anderen“ auf, so zwar, dass die Anderen in ihrer Unterschiedlichkeit und Ausdrücklichkeit noch mehr verschwinden. In dieser Unauffälligkeit und Nichtfeststellbarkeit entfaltet das Man seine eigentliche Diktatur. Wir genießen und vergnügen uns, wie man genießt; wir lesen, sehen und urteilen über Literatur und Kunst, wie man sieht und urteilt; wir ziehen uns aber auch vom „großen Haufen“ zurück, wie man sich zurückzieht; wir finden empörend, was man empörend findet. Das Man, das kein bestimmtes ist und das Alle, obzwar nicht als Summe, sind, schreibt die Seinsart der Alltäglichkeit vor.“
In den Beispielen wird klar, dass es sich um einen älteren Text handelt, der Ausschnitt stammt aus Martin Heideggers erstem Werk „Sein und Zeit“ veröffentlicht im Jahr 1927, klar wird aber auch, dass er an Aktualität nicht verloren hat, zumindest scheint es so. Denn den Mainstream gibt es immer noch und kaum jemand drückt ihn treffender aus, als Heideggers Zeilen, die großartig sind. Vielleicht mit der Einschränkung, dass man eine leise Abwertung in den folgenden Zeilen spüren kann:
„Das Man hat seine eigenen Weisen zu sein. Die genannte Tendenz des Mitseins, die wir die Abständigkeit nannten, gründet darin, dass das Miteinandersein als solches die Durchschnittlichkeit besorgt. Sie ist ein existenzialer Charakter des Man. Dem Man geht es in seinem Sein wesentlich um sie. Deshalb hält es sich faktisch in der Durchschnittlichkeit dessen, was man gelten läßt und was nicht, dem man Erfolg zubilligt, dem man ihn versagt. Diese Durchschnittlichkeit in der Vorzeichnung dessen, was gewagt werden kann und darf, wacht über jede sich vordrängende Ausnahme. Jeder Vorrang wird geräuschlos niedergehalten. Als Ursprüngliche ist über Nacht als längst bekannt, geglättet. Alles Erkämpfte wird handlich. Jedes Geheimnis verliert seine Kraft. Die Sorge der Durchschnittlichkeit enthüllt wieder eine wesenhafte Tendenz des Daseins, die wir die Einebnung aller Seinsmöglichkeiten nennen.“
Die Formulierungen lassen erahnen, warum Heideggers Sprache gefürchtet ist. Was an Heidegger ansonsten verstört, ist der scharfe Kontrast zwischen der Hellsichtigkeit seines Befundes und zugleich seiner Verstrickung in die Ideologie des NS-Regimes, die tiefer reicht, als man sich schönreden kann. Am besten ist er wörtlich zu verstehen. Durchschnittlich, das will niemand sein, das schiebt man von sich weg. Jeder andere aber auch. Doch man hat auch zuweilen gute Gründe dafür, dass man selbst tatsächlich anders ist und überhaupt, hat sich seit Heideggers Zeiten nicht doch einiges geändert?
| Bericht: Der Mainstream wird zugleich gehasst und gesucht (psymag.de)
| Eigene Meinung:Der „Mainstream" wird durch kleine Gruppen zu einer rational „ Riesen Macht“ bekräftigt. Menschen, die sich heutzutage nicht im Mainstream befinden, stehen, nicht mehr im Mittelpunkt der Gesellschaft, sondern traurigerweise im Schatten und denken oft infolgedessen, dass sie weniger wert sind.
Dieses Gefühl „Ich muss dabei sein, um in der Gesellschaft zu überleben“ macht auch viele Personen zu einem anderen Menschen, der sie normalerweise nicht sind. Wer sich nicht dem Mainstream anpasst, hat verloren.
Und das ist einfach nur traurig.
| Frage: Macht der Mainstream die Gesellschaft kaputt?
| Mit freundlichen Grüßen: Robin - TechBrain. :)
Das Ergebnis basiert auf 32 Abstimmungen
12 Antworten
Okay, ich schreibe das mal so, wie ich das verstehe.
Mainstream = die Kultur einer Gruppe zu einer bestimmten Zeit. Alles, was eine bestimmte Gruppe als kulturelle Norm erlernt.
Davon weichen wenige nach unten ab, das sind die Verlierer der Gesellschaft, diejenigen, die nicht genug gesellschaftliche Regeln erlernt haben, um Anerkennung zu erringen oder einen Beruf auszuüben, der ihnen mehr als das Existenzminimum beschert.
Davon weichen ebenso wenige nach oben ab, das sind in der Regel die Höchstbegabten, die Kreativen, die Erfinder, die sozialen und politischen oder technologischen Vorreiter, diejenigen, die aufgrund ihrer Genetik oder weil sie sich das beigebracht haben gelernt haben, anders, intensiver, kreativer zu denken als die anderen und anders, innovativer und oft auch mehr zu arbeiten (oft merkt das diese Gruppe gar nicht, weil sie gern arbeitet, weil sie ihre Berufung ausübt).
Der Rest macht also das, was seine Gesellschaft, seine Kultur, seine Bildung, seine Erziehung für ihn vorgesehen hat und bewegt sich in engen Bahnen.
Tut er das nicht, gilt er oft als verrückt oder wird aus anderen Gründen von der Gesellschaft ausgeschlossen.
Jetzt leben wir in einer Zeit mit einem Paradoxon: Jeder möchte zusätzlich zu seiner kulturell bestimmten Position BESONDERS sein. Es wird als Schande erlebt, durchschnittlich, normal (=wie die meisten anderen Menschen in dieser Gruppe) zu sein, man möchte Höchstleistungen erbringen, außergewöhnlich kreativ sein, außergewöhnlich intelligent, außergewöhnlich engagiert, außergewöhnlich reich, außergewöhnlich innovativ.
Das schaffen di meisten Menschen per Definition aber nicht, weil ja immer nur ganz wenige außergewöhnlich sein können.
Dabei wird vergessen, dass auch innerhalb des sogenannten Mainstreams, also der Kultur, in der wir aufgewachsen sind, individuelle "Spitzenleistungen" möglich sind. Dass JEDER auf irgendeine ganz kleine Weise besonders ist, irgendetwas anders macht, denkt, wahrnimmt, versteht, umsetzt als die anderen. Dass KEINER Mainstream ist, genau wie alle anderen - dass immer, wenn man das so wahrnimmt, etwas übersehen wird.
Lies 10 beliebige Biografien von Menschen, die heute und bis vor 500 Jahren gelebt haben. Du wirst in JEDER Biografie Aspekte finden, die diesen Menschen von den Menschen seiner Zeit abheben. Nein, nicht weil er so außergewöhnlich und ein Genie war, sondern weil der Biograf sich Mühe gegeben hat, Details aus dem Leben der Person auszugraben, die im Leben der meisten anderen Personen übersehen oder vergessen werden!
Mainstream ist nicht schlecht, Mainstream ist normal. Normal bedeutet, es is das, was einfach die meisten Menschen umsetzen, denken, machen, schaffen. Wir KÖNNEN nicht alle komplett anders als der Rest der Gesellschaft sein. Meines Wissens gibt es in der gesamten Menschheitsgeschichte KEINE EINZIGE Gesellschaft von lauter Individualisten, weil sonst die Gesellschaft nicht funktionieren würde. Aktuelles Beispiel: Die "systemrelevanten" Berufe sind nicht gerade hoch angesehen oder gut bezahlt. Das sind nicht die Genies, die man später erinnern wird.Trotzdem würden ohne sie die Genies gar nicht funktionieren können!
Ja, viele Menschen geben sich - gerade heute - große Mühe, etwas zu erreichen, sich abzuheben und merken irgendwann, dass sie das nicht schaffen. Ihnen fehlt Begabung, Anleitung und Zeit. Viele Geigenschüler möchten so wie die großen Solisten spielen, die meisten schaffen das nicht. Übersehen wird, dass auch die meisten Profimusiker dieses Level halt nicht erreichen.
Wenn man das aber als Versagen betrachten würde, müsset jeder Mensch beschämt zu Hause unter der Bettdecke hocken.
Besser wäre es doch, die Punkte hervorzuheben, in denen sich einzelne Menschen wirklich abheben, die Punkte, in denen sie erfolgreich oder kreativ sind, auf die sie stolz sind und zu akzeptieren, dass, wenn die Norm das ist, was die meisten Menschen einer Gesellschaft denken, tun umsetzten, schaffen - dass diese eben keine Schande ist. Und dass man selbst innerhalb dieser Norm seine kleine, individuelle Besonderheit hat, dass wir nicht alle Fließbandkopien sind.
Das merken wir übrigens, wenn jemand stirbt, der uns wichtig war. Plötzlich erinnern wir vieles an ihm, was wir bewundern, was besonders war. Das würden wir von anderen Menschen auch erinnern, nur die kannten wir nicht gut genug.
Und oft werten wir sie deshalb als "nur Durchschnitt oder sogar darunter" ab.
Auf der anderen Seite zeigt uns bspw. Social Media, dass auch Durchschnittsmenschen vieles Interessante zu bieten haben, Talente besitzen, die wir bewundern (wir schauen uns deren Videos an und speichern deren Fotos, lernen von deren Blogbeiträgen etc.), die aber eben nur auf einem eng definierten Gebiet sind und nicht Weltspitze, aber schon besser als die Leistungen derjenigen, die so etwas weniger ambitioniert ausüben.
Das ist ja ein Widerspruch in sich. In einer Demokratie ist der "Hauptstrom" logischerweise derjenige, der völlig zurecht die Geschicke des Landes mitbestimmt, da in einer Demokratie die Mehrheit entscheidet, nicht die Minderheit.
Und dennoch ist eine Demokratie viel mehr als Mehrheitsentscheidungen, denn die Rechte von Minderheiten werden geschützt (sexuelle Minderheiten, ethnische und religiöse Minderheiten, Behinderte, kranke Menschen usw.). Nur weil die Mehrheit bestimmt, heißt dies nicht, dass die Minderheit keine Rechte hätte - die hat sie durchaus.
Und durch Koalitionen haben auch eher kleine Gruppen (wie aktuell die FDP) eine Gelegenheit, ihren politischen Beitrag zu leisten.
Heidegger schrieb vor dem Zweiten Weltkrieg.
Und das zeigt, dass es wichtig ist, eine "Diktatur der Mehrheit" zu unterlassen, und das geht u.a. dadurch, dass man eben - wie oben beschrieben - auf die Rechte der Minderheiten achtet und diese schützt. Mein Eindruck ist, dass die meisten Menschen sehr wohl auf Minderheiten Rücksicht nehmen.
Und Menschen, die das Wort "Mainstream" in verächtlicher Weise benutzen, sind meist die, die zumindest verbal hart gegen Minderheiten vorgehen. Man sollte die Mehrheit nicht verächtlich machen, Minderheiten aber auch nicht.
"Der Mainstream" ist rein von Medien, Werbung und der Politik gepraegt. Es gibt eine Masse an Einfluessen, die die Regierung und Reiche Firmen etc. in die Gesellschaft herausstreut. Sie bestimmen was wir sehen und was nicht. Ein viel zu grosser Einfluss m.M.n.
Nicht der Mainstream, sondern die Dummheit und Leichtgläubigkeit des einzelnen.
Der Mainstream sagt der Masse wo es lang geht, zu gehen hat. Und wer dabei ein ABER äußert der ist dann der Außenseiter und man sieht sich in der Pflicht, mit merkwürdigen Argumenten, diese verirrten Schafe, wieder auf den richtigen Weg zu führen. Es ist somit ein Korsett, das alles zusammenhalten soll und somit auch Richtungsweisend als politische Agenda bezeichnet wird.
Du hast doch in deinen Statement, lang und breit alles erklärt, somit ist dazu keine Ergänzung mehr von Nöten.
"und wenn sie sichtbar daneben liegt und es rückwärts geht, dann"
ist das deine Meinung, und man muss auch damit klarkommen, wenn andere Menschen (derselben Kultur) das eben anders sehen. Auch muss man damit klarkommen, dass man eine Minderheitenmeinung vertritt. Mache ich ja auch.
Die meisten Leute sehen die Dinge anders als ich.
Das stört mich aber nicht.
Ist nicht der Mainstream einfach das, was die meisten Menschen tun, denken, erreichen?
Ich denke es ist das was den Menschen halt durch Medien und Poltik vorgekaut wird, es wird einem vermittelt, dass nur das der richtige Weg ist. Dazu werden halt verschiedene Instrumente benutzt, am besten ist anscheinend, wenn die Person die den Mainstream nicht folgt, ausgegrenzt wird. Da viele aber ein Teil sein wollen, weil sie Aufmerksamkeit oder Erfolg wollen, fühlen sie sich gezwungen halt daran teilzunehmen. Aus meiner Sicht werden so bewusst die Menschen gelenkt. Eine eigenständige Meinung und Ansicht zu Dingen ist doch meistens gar nicht erwünscht. Am besten man ist ein Roboter, der das macht, was einem täglich beigebracht wird. Es gibt doch kaum noch Menschen mit eigenem Charakter und einer eigenen Meinung/Ansicht. Die meisten kopieren einfach nur das was sie täglich konsumieren, ohne sich mal damit zu befassen, Dinge zu hinterfragen oder zu prüfen, um dann zu einer eigenen Meinung zu kommen. Man sollte halt wissen, das nicht immer die Wahrheit erzählt wird, das bewusst getäuscht wird usw. Seit social media, vor allem Instagram, ist es ein Trend geworden, voll auf Mainstream zu sein, guck dir an wie künstlich diese Menschen sich dort präsentieren, wie sie alle auf gewisse Themen raufspringen, wenn ein Skandal war, muss sofort reagiert werden mit einer vorgefertigten Meinung, warum tun sie das? Na wegen Aufmerksamkeit und Erfolg. Man hat es geschickt angestellt, das Menschen die den "Mainstream- Richtlinien" folgen, dann auch Erfolg und Aufmerksamkeit bekommen und andere abstraft die eine andere Meinung haben. Sieht man z.B. sehr gut auch bei YouTubern. Immer schön die Themen ansprechen, die die Medien und Poltik für richtig halten und in eine bestimmte Richtung gehen. Keiner der erfolgreichen YouTuber würde es sich trauen eine gegenteilige Meinung offen auszusprechen, dann kommt ein Shitstorm und die Karriere ist aus. Sie machen halt mit, weil der Kuchen gut schmeckt.
Ist nicht der Mainstream einfach das, was die meisten Menschen tun, denken, erreichen? Also, es gibt keine Leitlinie, kein Ziel, sondern man beobachtet einfach, was fast alle machen?
Ja, sie werden dabei auch beeinflusst, oft von der Kultur/ Norm, die gerade herrscht. In den 70ern wurde andere Musik gespielt als heute, daher gefiel den Menschen im Schnitt andere Musik. Aber keine hat damals gesagt "hey, wir enthalten der Masse klassische Musik und Techno vor, damit sie nur das mögen, was im Radio gespielt wird", sondern man hat beobachtet, wie sich die Musik entwickelt hat und was davon gemocht wurde.
Ja, "wir" werden auch gelenkt, durch viele kleine Puzzelsteine, Gesetze, Bildung, Einfluss der Menschen in unserem Umfeld, Werbung, Angebote (was kann man kaufen, was gibt es überhaupt, wie kann man das nutzen), Trends. Aber da ist nicht einer oder eine Gruppe, die uns lenkt, sondern das ist ein soziologisches Phänomen.
Wer sich gar nicht lenken lassen will, ist entweder Vorreiter oder verrückt. Das sollte man immer bedenken. Wer die Gesellschaft, also den Mainstream 100%ig ablehnt, wird meist aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Wer nackt draußen herumläuft, weil er die Bekleidungsindustrie und Modeindustrie boykottieren möchte, wird eher ausgelacht und ggf. eingesperrt werden. Einige wenige Menschen sind Vorreiter, bspw. Selbstversorger, aber die meisten anderen Menschen können halt mit denen auch nichts anfangen, weil sie im Rahmen der Gesellschaft, der Kultur, der Normen glücklich leben wollen und nicht ständig kämpfen und auf Dinge verzichten, die sie als wichtig (kennen-) gelernt haben.
Einfaches Beispiel: In Japan wird anders gegessen als in Österreich. Das hat sich so ergeben, das lenkt keiner, das ist einfach die kulturelle Norm. Wer als Japaner japanisch isst, ist kein "Schaf", sondern einfach ein normaler Japaner. Einige essen auch komplett anders, aber das sind halt diejenigen, die anderen Einflüssen ausgesetzt waren und diesen folgten.