Haben alle Familien Probleme? Oder gibt es Familien, wo es harmonisch verläuft?
Guten Tag,
ich möchte wirklich niemanden zu nahe treten.
Jeder kennt den Spruch: es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Privat läuft alles schief, wirklich alles, von schwerer Krankheit, Berufsunfähigkeit, Scheidung, finanziell Armut, Behinderung...... selbst Freunde, die das hautnah erleben, sind sprachlos, wie ein Schicksalsschlag nach dem anderen passiert.
Nun, jeder kennt flüchtige Bekannte, die dieses Modell leben: Mann und Frau, verheiratet seit 50 Jahren, Tochter, Sohn, Schwiegerkinder, Enkelkinder, alle vernünftige Berufe, leben in Ordnung, Gesundheit stimmt großenteils usw. Keine Krankheiten, keine Behinderungen, kein Armut, keine Berufsunfähigkeit, arbeiten bis zum Rentenalter, jährliche Urlaube, gesellschaftliches Leben und all das.
Bei solchen Familien stelle ich mir so oft die Frage, ob sie schwerwiegende Probleme haben, die ihnen auch den nächtlichen Schlaf raubt? Wo sie extreme Existenzängste ausstehen? Oder riesen Streit?
Es sei ihnen gegönnt, aber kann man das glauben, dass es bei ihnen hinter verschlossenen Türen die Welt wirklich so heil ist, wie man es von außen diesen Eindruck von ihnen hat?
2 Antworten
Zuerst sollten wir uns auf einheitliche Bewertungs-Kriterien für "Probleme" und "Harmonie" einigen. Nur so ist eine halbwegs objektive Einschätzung überhaupt möglich!
Was verstehst Du unter Harmonie? Wo hört Harmonie auf? Was sind für Dich Probleme? Ein paar Beispiele hast Du ja bereits genannt.
Hier nun eine kleine (authentische) Geschichte aus meinem Bekanntenkreis:
Ein studierter Akademiker hatte die Nase voll von diesem (Zitat:) "...Halsabschneider-System - genannt Soziale Marktwirtschaft..." und beschloss zum Aussteiger zu konvertieren und absofort autark zu leben. Von seinem letzten Geld kaufte er sich ein Gartengrundstück mit einer (Winterfesten) Laube - das war fortan sein "Robinson-Island". Er hatte kein Strom, kein Wasser aus dem Hahn und kein Geld für Einkäufe. Er lebte praktisch am offenen Feuer , von den Spenden der Laubenpieper drumherum, aber ohne zu betteln! Ansonsten pflanzte er Obst und Gemüse für den Eigenbedarf und für Tausch-Geschäfte. Er versuchte - soweit wie möglich - auf Alles zu verzichten, wofür er fremde Dienstleistungen in Anspruch hätte nehmen müssen...
Ich glaube aus unserer Sicht, hatte der Mann reichlich Probleme: Keinen Job, keine Familie, keinen ordentlichen Wohnsitz, kein Strom, keinen Wasserhahn, keine Dusche, wenig bis kein Geld, keine Waschmaschine, keinen Herd, kein Handy etc. etc.pp. Und trotzdem war der Mann glücklich und zufrieden. Ja, ich wage soger zu behaupten, dass er harmonisch - oder besser - mit sich selbst im Reinen war.
Was also definieren wir als problematisch oder harmonisch in einer Familie? Ist das wirklich vorgegaukelt, wenn irgendwer behauptet, in seiner Familie läuft alles harmonisch? Oder ist das nur eine "andere Harmonie" wie wir sie uns vielleicht vorstellen?
Hinzu kommen ja noch die gesellschaftlichen Zwänge und Wertungen! In jeder Gesellschaft herrschen andere Wertevorstellungen und somit auch unterschiedliche Vorstellungen von Harmonie und Problemen. Den afrikanischen Hirten-Vater plagen ganz andere Sorgen und Nöte, als den deutschen Manager-Dady. Wenn der afrikanische Hirte von Harmonie spricht, dann meint er das letzte Wild, das er erlegt hat, damit sein ganzer Stamm etwas zu essen hat. Wenn Dady von Harmonie spricht, dann meint er seinen Tagesgewinn und seinen Aktienkurs.
FAZIT: Bewertung ist immer subjektiv! Ein-und-derselbe Sachverhalt (z.Bsp. Harmonie in einer Familie) bekommt von 100 verschiedenen Personen exakt 100 verschiedene Bewertungen! Hier sollte man vorsichtig mit Zweifeln und/oder Verurteilungen umgehen!
Der erste Satz von Tolstois Roman "Anna Karenina" lautet: "Alle glücklichen Familien ähneln sich. Die unglücklichen Familien sind je auf ihre eigene Weise unglücklich."