Frage zur Zeitdilatation - wieso wirkt sie so, wie sie wirkt?

8 Antworten

Wenn sich zwei Bezugsysteme aneinander vorbeibewegen, erscheint immer die eigene Zeit "normal" und die Zeit des andern gedehnt. Die verzerrte (in der SRT jedoch flach bleibende) Raumzeit (Raum und Zeit gehören zusammen) ist aber eher mathematisch als bildlich zu verstehen (verschiedene Koordinatensysteme), damit der absolute Wert c (Lichtgeschwindigkeit) aus Weg durch Zeit immer gleich bleibt.

Von annähernd lichtschnellen Teilchen (kosmische Strahlung) aus gesehen, die auf die Erde zurasen, erscheinen wir verzerrt und annähernd lichtschnell. Merkst du was bezüglich Relativität?

Wenn jedoch ein Raumschiff von der Erde (die sich gleichförmig weiterbewegt) startet, beschleunigt (also Energie hineinsteckt), einen Bogen fliegt (Kreisbeschleunigung), verzögert (ist auch Beschleunigung) und wieder auf der Erde landet, wird sich beim Vergleich mit der Erde herausstellen, dass im Raumschiff weniger Zeit vergangen ist.

Woher ich das weiß:Recherche
SlowPhil  03.08.2023, 08:08

Hier scheint es nicht um das Zwillingsparadoxon zu gehen, sondern die beiden Beobachter bewegen sich mit konstanter 1D-Geschwindigkeit v (in x-Richtung eines von B definierten Koordinatensystems Σ) bzw. -v (in x'-Richtung eines von B' aus definierten Koordinatensystems Σ') aneinander vorbei. Niemand kehrt um. Daher ist es auch reine Interpretationssache, wessen Uhr langsamer geht.

Wenn sich zwei Bezugsysteme aneinander vorbeibewegen,...

Zwei Koordinatensysteme. Das Bezugssystem ist ja grade dasjenige, auf das Orte und Geschwindigkeiten bezogen werden, also dasjenige, das in diesem Zusammenhang als ruhend betrachtet wird.

...erscheint immer die eigene Zeit "normal" und die Zeit des andern gedehnt.

Sie ist als gedehnt zu interpretieren, nämlich genau dann, wenn sich der Beobachter selbst als ruhend ansieht. Er kann jedoch auch den anderen als ruhend ansehen, und dann muss er dessen Uhr als schneller gehend als seine eigene interpretieren, und zwar mit denselben Beobachtungsdaten (s. meinen Abschnitt "Der optische DOPPLER-Effekt").

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Hallo S1LH0UTT3S,

der Denkfehler rührt daher, dass das Wort "Zeitdilatation" irreführend ist, ebenso wie "Längenkontraktion".

Am besten betrachtet man Zeit als Dimension der Raumzeit. Den Weg eines Körpers (genauer: seines Schwerpunkts) durch diese heißt seine Weltlinie (WL). Berücksichtigt man die räumliche Ausdehnung des Körpers, könnte man von einer "Weltstraße", einem "Weltstrang" oder auch einer "Weltwurst" sprechen, im Vergleich mit einer (prinzipiell endlosen) Salami; für den Körper zu einer bestimmten Zeit steht dabei ein Querschnitt bzw. eine dünne Scheibe.

Vorzugsweise ist der Körper natürlich ein Raumfahrzeug. Ein längerer Salami- Abschnitt entspricht in diesem Bild einem Vorgang begrenzter Dauer an Bord des Raumfahrzeugs.

Bild zum Beitrag

Abb. 1: Vergleich zwischen der räumlichen Situation (z-x-Ebene, zwei Salamis gleicher Länge, von der eine parallel zur z-Achse liegt und eine mit ihr den Winkel θ bildet) und der raumzeitlichen Situation (t-x-Ebene, zwei z.B. Raumfahrzeuge, auf denen ein Vorgang gleicher Eigenzeit (s. Text) stattfindet.

"Zeitdilatation" ist der Unterschied zwischen

  • der Eigenzeit, gewissermaßen der Weglänge zwischen zwei Ereignissen E₁ und E₂ entlang einer WL, die sie verbindet, und
  • einer Koordinatenzeit, der Weglänge zwischen den Projektionen von E₁ und E₂ auf eine WL, die nicht unbedingt durch beide verläuft. Letztere ist, wie der Name schon sagt, eine Koordinatendifferenz, und von solchen ist zu erwarten, dass sie in unterschiedlichen Koordinatensystemen unterschiedlich ist.

Wenn wir ein Raumfahrzeug B als stationär ansehen (Bezugskörper), dient seine WL als Zeitachse eines von ihm aus definierten Koordinatensystems Σ.

Die 1D-Geschwindigkeit v (in x-Richtung von Σ) eines zweiten Raumfahrzeugs B' relativ zu B ist die Neigung seiner WL, der Zeitachse des Koordinatensystems Σ', gegen die WL von B. Wenn wir uns Σ' räumlich genauso ausgerichtet denken wie Σ, hat B in x'-Richtung die 1D-Geschwindigkeit −v.

Im Unterschied zur NEWTONschen Mechanik (NM) ist gemäß der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) auch die x'-Achse (und ihre Parallelen mit t'=const.) gegen die x-Achse (und ihre Parallelen mit t=const.) geneigt.

Das Relativitätsprinzip und die Relativität der Gleichortigkeit
Albert Einstein sagte, dass ein ,,ruhender" und ein gleichmäßig bewegter Körper nicht voneinander zu unterscheiden sind.

Nicht erst EINSTEIN hat das gesagt; die Aussage ist als GALILEIs Relativitätsprinzip (RP) bekannt.

Das RP sagt vor allem aus, dass die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) unabhängig davon sind, ob wir die Größen in Σ oder in Σ' ausdrücken.

Zwei Ereignisse E₁ und E₂ an Bord von B' finden in Σ im Abstand Δx = v∙Δt statt; dabei ist die Δt = t₂ − t₁ die von B aus ermittelte Zeitspanne zwischen E₁ und E₂, die B- Koordinatenzeit. Es ist sozusagen die Projektion eines mit E₁ beginnenden und mit E₂ endenden Vorgangs auf die WL von B.

In Σ' finden E₁ und E₂ praktisch am selben Ort statt. Das Konzept der Gleichortigkeit muss daher verallgemeinert werden: Wenn es ein Koordinatensystem gibt, in dem zwei gegebene Ereignisse gleichortig sind (wie E₁ und E₂), heißen sie zeitartig getrennt. Die von einer lokalen Uhr Ώ direkt gemessene Zeitspanne Δτ = τ₂ − τ₁ ist die Eigenzeit.

Bis hierher haben wir in diesem Abschnitt nichts gesagt, was in der NM nicht auch gelten würde. Die NM- Umrechnung zwischen Σ und Σ', die GALILEI- Transformation, lässt sich als raumzeitliche Scherung auffassen, die Zeitspannen invariant (unverändert) lässt.

GALILEI meets MAXWELL

Zu den oben erwähnten Naturgesetzen gehören auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit auch die elektromagnetische Wellengleichung, die unmittelbar aus ihnen folgt.

Nach dem RP muss sie in Σ und Σ' gleichermaßen gelten. Da sie allerdings nicht GALILEI- invariant ist, gilt entweder das RP nicht allgemein, oder an der GALILEI- Transformation stimmt etwas nicht.

Im 19. Jahrhundert glaubte man, dass sich elektromagnetische Wellen (also Licht im weitesten Sinne) mit dem Tempo c ≈ 3×10⁸ m⁄s durch eine Art Supermedium namens Äther ausbreiten und das RP nur für v << c gelte, und das auch nur näherungsweise. Wenn man nur genau genug messe, müsste die Bewegung der Erde um die Sonne mit 10⁻⁴c durch Vergleich der Lichtgeschwindigkeit in verschiedene Richtungen nachweisbar sein.

Entsprechende Experimente ergaben allerdings keine Abweichungen vom RP.

Was würde man sehen/ messen?

Wir betrachten wieder B und B' und verwenden die Abkürzung β := v⁄c. Ein besonders schönes, weil leicht zu rechnendes Zahlenbeispiel ist β = 0,6.

Es gibt oft das Beispiel mit der Lichtuhr im Raumschiff [B']. Die Lichtuhr läuft für den ruhenden Beobachter [auf B] langsamer ...

Diese Aussage ist nicht ganz korrekt, denn auch ein Beobachter auf B kann zwar sich selbst, aber auch B' als ruhend ansehen. Sieht er sich selbst als ruhend an, kommt er durch Rechnen zu dem Schluss, dass die Lichtuhr auf B' um den Faktor

(1) 1⁄γ := √{1 − β²} (hier = 0,8)

verlangsamt sein müsse. Es ist nicht etwa das, was er sähe oder mäße. Deshalb ist das Lichtuhr- Gedankenexperiment auch kein besonderes gutes Beispiel, es schafft mehr Verwirrung als sonstwas.

Ebenfalls bemerkt der ... [Beobachter auf B'], dass ... [die Uhr auf B schneller geht], als seine eigene.

Nein. Das ist nicht, was er sieht. Vielmehr sieht

  • jeder die Uhr des jeweils anderen um einen Faktor K schneller ticken, solange sie aufeinander zukommen, und
  • jeder die Uhr des jeweils anderen um einen Faktor 1⁄K langsamer ticken, wenn sie sich wieder voneinander entfernen.

Dieser Faktor hängt mit dem optischen DOPPLER-Effekt zusammen und damit, dass er laut RP symmetrisch sein muss.

Der optische DOPPLER-Effekt

Dass während der Annäherungsphase jeder die Uhr des anderen um den Faktor K schneller ticken sieht, geht damit einher, dass jedes Signal des einen mit einer um K höheren Frequenz beim anderen ankommt ("Blauverschiebung").

Nach der alten Äthertheorie wäre diese Blauverschiebung aber asymmetrisch. Nehmen wir an, B ruhe relativ zum Äther. Dann kämen

  • Signale von B bei B' mit um den Faktor 1 + β (hier = 1,6) erhöhten Frequenz und
  • Signale von B' bei B mit um den Faktor 1/(1 − β) (hier = 2,5) erhöhten Frequenz

an. Das Echo eines der beiden Raumfahrzeuge kommt in beiden Fällen mit einer um den Faktor (1 + β)/(1 − β) (hier = 4) zurück.

Nun ist aber der optische DOPPLER-Effekt symmetrisch, d.h., jedes Signal muss beim anderen um denselben Faktor gestaucht ankommen, und das ist gerade

(2) K = √{(1 + β)/(1 − β)} (hier = 2).

Dieser Faktor ist gerade um den Faktor γ größer als 1 + β und um den Faktor 1⁄γ kleiner als 1/(1 − β).

Sieht z.B. der Beobachter auf B sich als ruhend an, interpretiert er die Frequenz der Signale von B' als um den Faktor 1⁄γ niedriger als nach der Äthertheorie erwartet; daher muss die Uhr von B' um diesen Faktor langsamer laufen.

Sieht er B' als ruhend an, interpretiert er die Frequenz als um den Faktor γ höher an, woraus er schließt, dass auch die Uhr von B' entsprechend schneller als seine eigene gehen muss.

Relativität der Gleichzeitigkeit

Nehmen wir an, es gibt zwei weitere, relativ zu B ruhende Raumfahrzeuge, A bei x = −d und C bei x = d. Ein Zahlenbeispiel wäre d = 2 lmin = 120 ls. Auch sie senden Signale richtung B. Uns interessiert der Augenblick t₀ bzw. t'₀, zu dem B und B' einander passieren. Der Einfachheit halber wollen wir t₀ = t'₀ = 12:00 Uhr setzen.

Falls der B- und der B'- Beobachter A und C auch sehen, sieht B in diesem Moment A und C in der Entfernung d; auf B' hingegen sieht man A in der Entfernung d⁄K (hier = 60 ls) und C in der Entfernung K∙d (hier = 240 ls).

Sieht er A, B und C als ruhend an, interpretiert er dies als Aberrationseffekt (wie Regen, durch den man fährt, scheint auch Licht stärker von vorn zu kommen) an, also als rein optischen Effekt. Er stimmt mit dem B- Beobachter überein, dass beide Signale zur Zeit t₀ − d⁄c (hier: 11:58 Uhr) abgeschickt haben müssen.

Sieht er sich selbst als ruhend und A, B und C als an ihm vorbeiziehenden Konvoy an, interpretiert er das, was er sieht, als Retardierungseffekt an, d.h., er sieht jedes der Raumfahrzeuge in der Entfernung, in der es war, als es das Signal abgeschickt hat. Das führt ihn zu dem Schluss, dass C sein Signal schon zur Zeit t'₀ − Kd⁄c (hier: 11:59 Uhr) und A seines erst zur Zeit t'₀ − d/(Kc) (hier: 11:59 Uhr) abgeschickt haben muss.

Bild zum Beitrag

Abb. 2: Raumzeit- Diagramm der Begegnung der Raumfahrzeuge

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
 - (Physik, Chemie, Wissenschaft)  - (Physik, Chemie, Wissenschaft)
Albert Einstein sagte, dass ein ,,ruhender" und ein gleichmäßig bewegter Körper nicht voneinander zu unterscheiden sind.

da war Einstein nicht der erste. das haben auch schon ein Galilei und ein Newton verstanden.

Fährt ein Zug ab, kann man genau so gut sagen, der Zug bleibt stehen und die Erde unter dem Zug bewegt sich.

gerade wenn der zu abfährt kannst du das nicht sagen. denn dann beschleunigt der zug, und das ist absolut feststellbar. aber wenn sich der zug inertial bewegt, dann sind die aussagen zug-bewegt, erde-ruhe und erde-bewegt, zug-ruhe gleichwertig.

Die Lichtuhr läuft für den ruhenden Beobachter langsamer als für den gleichmäßig bewegten Raumschiff-Passagier.

wenn die uhr im raumschiff ist, ja.

Ebenfalls bemerkt der Raumschiff-Passagier, dass sich die Zeit des ,,ruhenden" Beobachters schneller fortbewegt, als seine eigene.

nein. für den raumschiff-passagier geht die uhr des anderen natürlich auch langsamer.

zeitdilatation zwischen inertialsystemen ist symmetrisch.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)

die Zeitdilatation wird vom jeweils anderen System aus gesehen. Für den Beobachter auf dem Bahnsteig geht die Uhr im Zug langsamer, für den Beobachter im Zug geht die Uhr auf dem Bahnsteig langsamer. Die Systeme sind insofern gleichberechtigt.

Der Raumschifffahrer weiß, dass seine Uhr schneller als die des Beobachters geht.

Der Beobachter im Raumschiff weiß auch nur, dass die Uhr des anderen Beobachters langsamer als die eigene geht. Die Situation ist völlig symmetrisch und somit kann keiner von beiden entscheiden, wer sich denn nun bewegt. Jeder bewegt sich relativ zum anderen und jeder misst, dass die Uhr des Gegenübers langsamer als die eigene geht.

Worin Dein Denkfehler wirklich besteht, kann ich Dir nicht sagen, habe aber das Gefühl, dass Du doch implizit ein absolutes Koordinatensystem annimmst, in dem gerade Du dann der absolute Beobachter bist. Das Sprechen vom "ruhenden Beobachter" ist diesbzgl. extrem gefährlich und führt sehr schnell in die Falle, doch ein absolutes System anzunehmen, in dem einer ruht und der andere sich bewegt. Man muss aber stets bedenken, dass auch ein zur Beschreibung verwendetes Bezugssystem gleichwertig zu einem Bezugssystem jedes anderen Beobachters ist.

LoverOfPi  02.08.2023, 17:04

Aber: Der Grund, warum definitiv immer ein Raumfahrer jünger zurückkommen wird, ist, dass er dafür beschleunigen und damit das Inertialsystem wechseln muss.

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Kelec  02.08.2023, 18:13
@LoverOfPi

Es gibt das Beispiel auch so ähnlich ohne Beschleunigungsphasen.

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Reggid  02.08.2023, 21:34
@evtldocha

das hat nichts mit ART zu tun. SRT ist ART für den spezialfall einer flachen raumzeit (d.h. ohne gravitation).

solange keine gravitation im spiel ist, ist eine situation vollständig im rahmen der SRT beschreibbar. selbstverständlich auch das zwillingsparadoxon mit beschleunigten teilnehmern.

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SlowPhil  03.08.2023, 08:14
@evtldocha

Beschleunigung kann auch die SRT beschreiben (RINDLER- Koordinaten). Sie kann nur keine gekrümmte Raumzeit und damit z.B. nicht eine schraubenförmige Weltlinie als die geradeste mögliche (Geodätische) beschreiben.

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