Hallo Hilkowitz,
möglicherweise erlaubt uns der kosmische Mikrowellenhintergrund (engl. cosmic microwave backgound, kurz CMB), trotz der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) eine absolute Gleichzeitigkeit zweier räumlich getrennter Ereignisse zu konstatieren.
Die Quantik macht über die Zeit nicht viele Aussagen. Es gibt eine nicht-relativistische Version (SCHRÖDINGER), die auf der NEWTONschen Näherung beruht, und es gibt eine relativistische (DIRAC), aus der ganz natürlich auch die Existenz der Eigenschaft 'Spin' und von Antiteilchen hervorgeht.
Die SRT ist im Wesentlichen die Anwendung von GALILEIs (!) Relativitätsprinzip (RP) auf MAXWELLs Elektrodynamik, mit besonderem Blick auf das Ausbreitungstempo c ≈ 3×10⁸ m⁄s elektromagnetischer Wellen aka Licht.
Im Folgenden werde ich räumliche Entfernungen durch die Zeiten angeben, die Licht dafür braucht. Dadurch wird c = 1. Das macht Formeln übersichlicher.
Ein Gedankenexperiment zur Verdeutlichung
Drei Raumfahrzeuge A, B und C ruhen relativ zueinander bei x = −d, x = 0 und x = d eines von B aus definierten Koordinatensystems Σ und haben synchronisierte Uhren. Ein weiteres Raumfahrzeug B' zieht mit konstanter 1D-Geschwindigkeit v an ihnen vorbei.
Die Raumfahrzeuge stehen in Sicht- und Funkkontakt stehen und können auch mit der Parallaxen- Methode Entfernungen messen. Sie schicken einander auch Signale mit Zeitstempel; u.a. erreichen zwei Signale von A und C mit demselben Zeitstempel B und B' in dem Moment ihrer Begegnung, und B' synchronisiert seine Uhr in diesem Augenblick mit der von B.
Ich setze konkrete Zahlen ein, damit man sich das besser vorstellen kann: d = 2 Lmin, v = 0,6; der Zeitstempel ist '10:00:00'.
Freilich kann man auch von B' aus ein Koordinatensystem Σ' definieren, das B' als ruhend und A, B und C als mit −v (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) bewegten Konvoy beschreibt.
Das macht schon mal die Gleichortigkeit zweier aufeinander folgender Ereignisse zur Interpretationssache:
- In Σ zieht B' erst bei x = −d = −2 Lmin an A und dann bei x = 0 an B vorbei.
- In Σ' kommt zuerst A und dann B an B' vorbei, beides bei x' = 0.
Das Konzept der Gleichortigkeit muss daher verallgemeinert werden: Zwei Ereignisse, für die es ein Koordinatensystem gibt, in dem sie gleichortig sind, heißen zeitartig getrennt.
Das RP sagt aus, dass die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) in Σ und Σ' identisch sind. Zur Umrechnung zwischen Σ und Σ' verwendet die NEWTONsche Mechanik (NM) die GALILEI- Transformation (GT), die geometrisch betrachtet eine raumzeitliche Scherung ist und Zeitspannen zwischen Ereignissen invariant (unverändert) lässt.
GALILEI meets MAXWELL
Zu den Naturgesetzen gehören freilich auch die im 19. Jahrhundert entdeckten Gesetze der Elektrodynamik, die elektromagnetische Wellen vorhersagen, die sich durch den materiefreien Raum mit dem konstanten Tempo c bzw. 1 ausbreiten. Die elektromagnetische Wellengleichung ist daher auch ein Naturgesetz und muss in Σ und Σ' gleichermaßen gelten.
Deshalb muss die GT durch eine Transformation ersetzt werden, die sie noch als Näherung für v<<1 enthält, aber das Lichttempo stets invariant lässt. Eine solche Transformation gibt es, und sie heißt LORENTZ- Transformation (LT).
Das macht es notwendig, zwischen Differenzgeschwindigkeit und Relativgeschwindigkeit zu unterscheiden: In Σ beträgt die Differenzgeschwindigkeit zwischen B' und einem von vorn kommenden Signal natürlich 1 + v, die zwischen B' und einem von hinten kommenden Signal 1 − v.
Als Geschwindigkeit eines Signals relativ zu B' bezeichnen wir aber die Geschwindigkeit, die es in einem Ruhesystem von B' hat, etwa in Σ'. Und die ist immer gleich 1.
Aberration vs. Retardierung
Wenn sich B und B' begegnen, sind natürlich beide gleich weit von A und C entfernt, und von B aus kommt man bei einer Parallaxenmessung für beide Raumfahrzeuge auf d = 2 Lmin.
Eine solche Messung von B' aus im Moment der Begegnung würde aber für C eine
(1) (1 + v)/(1 − v) =: K² (in unserem Beispiel 4)
mal größere Entfernung herauskommen als für A; genauer würde sich für C die Entfernung K∙d = 4 Lmin und für A die Entfernung d⁄K = 1 Lmin ergeben.
Je nachdem, welches Koordinatensystem man verwendet, ist dies unterschiedlich zu interpretieren:
- Verwenden wir Σ, interpretieren also A, B und C als ruhend, müssen wir das als optischen Effekt namens Aberration interpretieren, d.h., C sieht nur weiter entfernt aus als es ist und A näher als es ist, weil durch die Bewegung von B' das Licht stärker von vorn kommt.
- Verwenden wir Σ', interpretieren also B' als ruhend, müssen wir es stattdessen als Retardierungseffekt interpretieren; von B' aus sieht man A und C nicht da, wo sie gerade sind, sondern wo sie waren, als sie das 10-Uhr-Signal abgeschickt haben.
Relativität der Gleichzeitigkeit
Wann wurden die 10-Uhr-Signale abgeschickt?
In Σ ist das schnell ausgerechnet: Beide Nachrichten müssen also von t₂ − d stammen, also tatsächlich von Punkt 10 Uhr.
In Σ' ergibt sich aus den unterschiedlichen Entfernungen, dass C sein Signal schon um 09:58 und A seines erst um 10:01 abgeschickt haben muss.
Deshalb muss wie schon das Konzept der Gleichortigkeit aufeinander folgender Ereignisse auch das Konzept der Gleichzeitigkeit räumlich getrennter Ereignisse verallgemeinert werden: Zwei Ereignisse, für die es ein Koordinatensystem gibt, in dem sie gleichzeitig sind, heißen raumartig getrennt.
Kann es also keine absolute Gleichzeitigkeit geben?
Das RP sagt aus, dass in unterschiedlichen Koordinatensystemen dieselben Naturgesetze gelten, und die SRT sagt aus, dass man deshalb nicht verbindlich sagen kann, welche Ereignisse gleichzeitig sind – jedenfalls nicht durch physikalische Experimente allein.
Das schließt freilich nicht aus, dass sich ein Körper mit höherem Recht als ruhend bezeichnen ließe als ein anderer, z.B. anhand astronomischer Beobachtungen. In den 1960er Jahren fand man den ganz oben erwähnten CMB. Er ist ziemlich isotrop, d.h. aus allen Richtungen kommt in etwa die gleiche Strahlung. Allerdings gibt es einige Schwankungen und eine ausgeprägte Dipol- Anisotropie, d.h., in einer bestimmten Richtung erscheint der CMB noch etwas kälter als die durchschnittlichen 2,7K, und in der entgegengesetzten Richtung geringfügig wärmer. Das die Richtung, in die sich die Erde bewegt – mit rund 1,2×10⁻³c.
Ein Körper, von dem aus diese Anisotropie verschwindet, kann mit gutem Grund als relativ zum Kosmos als Ganzem ruhend betrachtet werden.
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