Hallo Radioactiveman5,
das Wort von der "Krümmung des Raumes" ist nicht ganz korrekt*), denn den Raum für sich allein gibt es eigentlich auch gar nicht, nur die Raumzeit.
Somit geht es auch nicht um Bahnen, sondern um Weltlinien (WL). Gerade WL sind die von Körpern, die keinen äußeren Kräften unterliegen und daher eine konstante Geschwindgkeit haben. Diese entspricht der Neigung der WL gegen die Zeitachse eines raumzeitlichen Koordinatensystems.
Die Krümmung der WL eines Körpers ist nichts anderes als die Beschleunigung, die dieser erfährt.
In einer gekrümmten Raumzeit können WL nicht wirklich gerade, sondern nur geodätisch **) sein. Solche WL sind die von Körpern, die höchstens der Gravitation unterliegen.
Und ja, die Krümmung der Raumzeit lässt sich im Alltag spüren, nämlich durch Gravitation: Man spürt sie nicht, wenn man ihr folgt (freier Fall). Steht man jedoch auf dem Boden, spürt man ein Gewicht bzw. die Kraft, mit der der Boden dagegen hält und sozusagen eine ständige Kurskorrektur vornimmt. In Abb. 2 ist dies durch ein Modell veranschaulicht.
Mit der Raumzeit ist auch der Raum gekrümmt, aber das macht sich fast nie bemerkbar, weil der "Krümmungsradius" riesig ist: Ist c das Lichttempo und g die Fallbeschleunigung auf der Erdoberfläche, ist der Krümmungsradius c²⁄g ≈ 9×10¹⁵ m, fast 1 Lichtjahr!
Details
Raumzeit vs. "Raum und Zeit"
Wir brauchen einen Bezugspunkt (einen Punkt, auf den wir Orte und Geschwindigkeiten beziehen, den wir daher als ruhend betrachten) O***), um die Raumzeit in Raum und Zeit zerlegen zu können. Die Zeit macht aus dem Punkt eine Linie (O zu verschiedenen Zeitpunkten), seine Weltlinie (WL). Die WL von Punkten, in denen keine Kräfte wirken, sind Geraden oder, etwas allgemeiner Geodätische Linien. Die WLn zweier relativ zueinander Punkte verlaufen parallel.
Allerdings ist O als Bezugspunkt nicht verbindlich; man kann ebensogut einen relativ zu O mit konstanter Geschwindigkeit v› bewegten Punkt O' als ruhend und dafür O als mit −v› (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) bewegt interpretieren, und dann ist die Zerlegung der Raumzeit eine andere.
Eigentlich gilt dies schon in der NEWTONschen Mechanik (NM), denn die obige Aussage stammt schon von GALILEI und heißt Relativitätsprinzip (RP). Eine Schlussfolgerung daraus ist die Relativität der Gleichortigkeit zeitlich aufeinanderfolgender Ereignisse E₁ und E₂, d.h., finden sie an derselben Stelle relativ zu O' statt, liegen sie relativ zu O um
v∙Δt = v∙(t₂ − t₁)
auseinander. Dabei sind t₁ und t₂ die von O aus ermittelten Zeiten von E₁ und E₂, und Δt heißt auch O- Koordinatenzeit. In der NM gilt sie allerdings als von der Wahl des Bezugspunktes unabhängig.
Die Spezielle Relativitätstheorie (SRT) beruht freilich auf der Erkenntnis, dass das Ausbreitungstempo c der elektromagnetischen Wellen ("Lichtgeschwindigkeit") unabhängig von der Wahl des Bezugspunktes ist.
Daraus folgt die Relativität der Gleichzeitigkeit räumlich getrennter Ereignisse.
Abb. 1: Ein Raumfahrzeug B' zieht an drei im Abstand d in einer Linie liegenden Raumfahrzeugen A, B und C vorbei respektive umgekehrt. In Grün sind diejenigen Licht- oder/und Funksignale von A und C in Richtung B dargestellt, die B und B' im Augenblick ihrer Passage erreichen. Interpretieren wir A, B und C als ruhend, müssen A und C auch beim Absenden des jeweiligen Signals dieselbe Entfernung zu dieser Stelle (wo B und B' sind) gehabt haben und sind daher als "gleich alt" zu interpretieren. Interpretieren wir B' als ruhend, muss C beim Absenden seines Signals um den Faktor (1 + v⁄c)/(1 − v⁄c) =: K² weiter von B' entfernt gewesen sein als A bei Absendung seines Signals – und ist daher um den Faktor K² "älter" zu interpretieren.
Die Raumzeit wird in der NM und SRT als geometrisch "flach" beschrieben. Dies bedeutet nicht etwa zweidimensional, sondern hat etwas mit dem Verhalten Geodätischer Linien zu tun. In einer geometrisch flachen Fläche sind Geodätische, die an einer Stelle in dieselbe Richtung verlaufen, überall parallel.
EINSTEIN verallgemeinerte die SRT zur Allgemeinen Relativitätstheorie (ART). Sie beschreibt Gravitation als Krümmung der Raumzeit.
Abb. 2: Die Reise zwischen zwei auf demselben Breitenkreis liegenden Orten als Modell für einen vertikalen Sprung. Der Äquator steht in diesem Bild für die Weltlinie des Erdmittelpunktes, jeder Breitenkreis für die Weltlinie einer bestimmten Entfernung von ihm. Nun ist von allen Breitenkreisen nur der Äquator ein Großkreis, also eine Geodätische. Alle anderen sind Kleinkreise, d.h., die Reise entlang eines Breitenkreises verlangt ständige Kurskorrektur. Das entspricht der Kraft, die der Fußboden ausüben muss, um mich an der Oberfläche zu halten, und die entgegengesetzte Kraft, die ich dadurch auf den Boden ausübe, ist mein Gewicht. Wenn ich springe, entspricht das einer Reise auf dem Bogen eines Großkreises, meine WL ist geodätisch und ich spüre für kurze Zeit mein Gewicht nicht.
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*) Vielleicht hast Du das Gummituch- Bild vor dem geistigen Auge, mit einer Boccia- Kugel als "Sonne" und Murmeln als "Planeten". Vergiss dieses Bild, es führt Dich von einem richtigen Verständnis der Sache nur weg.
Murmeln werden im Zweifelsfall der echten Gravitation der echten Erde unter dem Tuch folgen, nicht der Krümmung des Tuches. Insbesondere würde sich die Murmel komplett anders verhalten, wenn man das Tuch nach oben ausbeulen statt nach unten eindellen würde, obwohl dies an der Krümmung des Tuches nichts ändert.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist es, sich stattdessen aufs Geradeausgehen programmierte Roboter-Ameisen vorzustellen, die an der Fläche haften und denen die Schwerkraft daher egal ist. Sie stellen dann z.B. Lichtsignale dar.
**) Eine Geodätische (Linie) ist eine Linie innerhalb einer Fläche oder allgemeiner einer Mannigfaltigkeit (wie der Raumzeit), die so gerade ist, wie es die Geometrie der Fläche oder Mannigfaltigkeit gerade erlaubt. Auf einer Kugeloberfläche zum Beispiel sind die Geodätischen Linien Großkreise wie der Äquator oder die Längenkreise.
***) Zum Beispiel der Schwerpunkt eines Körpers.