Haben wir in der Physik auch theoretische Modelle, die angewendet werden, weil sie funktionieren, deshalb nicht zwangsläufig der Realität entsprechen müssen?
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5 Antworten
Hallo kollundegah,
natürlich haben wir das. Du hast ziemlich sicher in der Schule einige Formeln gelernt, wie
(1) F› = m·a›,
"Kraft gleich Masse mal Beschleunigung", oder
(2) Eₖ = ½·m·v²,
wobei Eₖ die kinetische Energie und v das Tempo eines Körpers ist. Beide Formeln entstammen der NEWTONschen Mechanik (NM).
Letztlich sind beide Formeln "falsch", d.h., sie sind nur Näherungen für die korrekteren Formeln der Speziellen Relativitätstheorie (SRT), die ihrerseits die Gravitation unberücksichtigt lässt und daher nur eine Näherung der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) für schwache Gravitationsfelder darstellt.
Das macht sich aber erst bei Tempos bemerkbar, die im Vergleich zum Lichttempo c nicht verschwindend klein sind. Deshalb sind die Formeln sehr gut brauchbar.
Modelle in der Wissenschaft haben nicht den Anspruch, falsch oder richtig zu sein, sondern entscheidend ist nur, ob sie brauchbar oder unbrauchbar sind, um etwas zu erklären.
Das trifft auf sehr viele Modelle zu und eigentlich auf alle Quantenobjekte.
Niels Bohr (Begründer der Quantenphysik) erklärte:
Selbst die Physik weiß nicht zu sagen, wie die Welt wirklich ist. Sie kann nur diskutieren, wie die Welt (ihrem Verhalten nach) auf uns als Beobachter wirkt.
Der Astrophysiker Steven Hawking hat es so ausgedrückt:
Wir (und auch die Physik) haben keine modellunabhängige Vorstellung von der Wirklichkeit.
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Kurz: Was wir Realität nennen, ist unsere Vermutung, wie Wirklichkeit sein könnte.
Die Verwirrung entsteht durch die englische Sprache, die nur ,,Reality" kennt und kein Wort für Wirklichkeit.
Im Englischen steht das Wort "actuality" für "Wirklichkeit". Tatsache aber ist, dass Physiker es einfach nicht gebrauchen.
Letzteres muss uns nicht wundern angesichts der Tatsache, dass selbst Physik nur Realität diskutieren kann, aber eben nicht auch Wirklichkeit (wie Niels Bohr - aber vor ihm auch schon Kant - betonte).
Das ist der Ansatz. Das Modell von etwas ist etwas, was das Experiment erklärt, bzw. Die Gesamtheit der reproduzierbaren Experimente zu diesem Modell. Was ist dann die Wirklichkeit? Wir wissen es nicht.
Genau umgekehrt. Die Realität ist die Welt an und für sich (für uns nicht unmittelbar zugänglich) und die Wirklichkeit so wie sie auf uns wirkt (wie der Name sagt)
Ich könnte es so sagen: Was wir Wirklichkeit nennen, ist unsere Vermutung, wie die Realität sein könnte.