Wieso finden es viele so unrealistisch, dass Kinder/Jugendliche mit Migrationshintergrund Arzt/Ärztin werden könnten?
Hallo,
Wieso finden es viele so unrealistisch, dass Kinder/Jugendliche mit Migrationshintergrund Arzt/Ärztin werden könnten?
Gerne mit Begründung und eigene Beobachtungen/Erfahrungen teilen!
Ich hab hier schon öfters Kommentare dazu gesehen. Da hieß es z.B., dass dieser Berufswunsch bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sehr präsent sei, sogar überrepräsentiert, aber die zu faul oder nicht intelligent genug dafür seien und der Druck eher von den Eltern kommen würde. Die Aussagen bezogen sich vor allem auf Araber, Türken, Albaner und Nordafrikaner.
Klar, die Eltern von denen sind meistens nicht mit der deutschen Sprache aufgewachsen. Vielleicht kommen die Kinder aus keiner Akademikerfamilie und sind auch nicht auf dem Gymnasium. Ein 1er Abitur kriegt man auch nicht so leicht hin, obwohl es andere Möglichkeiten gibt. Keine Ahnung, ob solche Aussagen von Leuten für die eher pushend oder erniedrigend sind.
Es ist meistens so, dass wenn die Eltern Ärzte sind, die Kinder von denen das auch werden oder werden wollen, unabhängig davon, ob die einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Wir hatten auch solche Leute in der Schule oder auch viele mit 1er Abis, von denen ich aber viele sozial inkompetent fand.
LG!
Bitte versteift euch nicht auf das Wort "viele". Es geht eher darum, wie solche Meinungen überhaupt zustande kommen. Danke!
71 Stimmen
37 Antworten
Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, wird es schwierig, zu studieren und einen erfolgreichen Abschluss zu erreichen.
Und diese Bedingungen sind bei Migranten oft schwieriger als bei Deutschen.
Das fängt bei beengten Wohnverhältnissen an, die ein Lernen für die Schule zu Hause erschweren, geht bei Sprachbarrieren und mangelnder Bildung der Eltern weiter, die den Kindern entsprechend keine Unterstützung geben können, und hört bei kaum vorhandenen finanziellen Möglichkeiten noch nicht auf, denn ein Studium kostet (auch für die Eltern) auch heute noch viel Geld, wie ich aus eigener Erfahrung von meinen beiden Kindern weiß, für die ich immer noch Unterhalt für ihr Studium bezahle.
Unter gleichen Bedingungen sind Deutsche aber sicher nicht erfolgreicher als Migranten, was einen guten Studienabschluss betrifft.
Gerade was Ärzte betrifft, so arbeiten aber auch schon viele mit Migrationshintergrund in Deutschland, so meine Erfahrung.
Unter gleichen Bedingungen sind Deutsche aber sicher nicht erfolgreicher als Migranten, was einen guten Studienabschluss betrifft.
Doch, weil Rassismus sehr präsent ist. Den Alis und Özlems wird weniger zugetraut, da ein arabischer/türkischer/... Background mit einer geringeren Intelligenz assoziiert wird und unterbewusst (oder gar bewusst) schlechter benotet wird.
Wenn Papi Arzt ist, bekommen die Kinder hingegen nachweislich bessere Noten, zum einen, weil sie die Intelligenz ja geerbt hätten und zum anderen damit sie mal die Praxis übernehmen können. So ein Kassenarztsitz ist ganz schön teuer. Ein Arbeiterkind kann sich den nicht leisten, die meisten werden "vererbt". In Zeiten, in denen selbst Privatpatienten schon Schwierigkeiten haben, einen Arzt zu finden, verärgert man zudem lieber nicht die bestehenden Ärzte bzw. die Zukünftigen, die notfalls nach Ungarn gehen. Verärgert man hingegen den Bauarbeiter, dann muss man eher weniger befürchten.
Realistisch ist es immer, dass Kinder mit Migrationshintergrund Ärzte werden. Sie bringen genauso viel oder wenig Intelligenz, Empathie und Durchhaltevermögen mit ins Leben wie alle anderen Kinder auch,
Das Problem ist eher, dass die Gesellschaft ihnen bis in das Alter, wo sich solche Berufswege öffnen, nicht selten mit Vorurteilen entgegentritt und ihnen ganz objektiv betrachtet bei gleicher Eignung und gleicher Motivation nicht die gleichen Möglichkeiten gibt, sich selbst zu entfalten und zu entwickeln.
Diese Ungleichberechtigung beginnt jedoch nicht erst an der Schwelle zum Migrationshintergrund sondern findet auch zwischen Kindern aus Akademikerhaushalten und Arbeiterhaushalten statt. Akademikerkinder mit Migrationshintergrund haben eigentlich noch höhere Chancen auf ein Studium als Arbeiterkinder ohne Migrationshintergrund.
Unserer Uniklinik beweist, dass das keine Seltenheit ist.
Da wimmelt es von Ärzten mit Migrationshintergrund.
Da wimmelt es von Ärzten mit Migrationshintergrund.
Weil kein Absolvent mit deutschem Examen dort anfangen möchte. Wer Personal mit deutscher Approbation/Examen findet, möchte keine "Ausländer" einstellen. Offiziell darf das natürlich nicht gesagt werden, inoffiziell weiß ich diesen Fakt aber aus Erfahrung.
Unikliniken sitzen direkt an der Quelle der Absolventen, d.h. sie sollten eigentlich die wenigsten Schwierigkeiten haben, Personal zu finden. Wenn sie keines finden, dann sollte man sich Gedanken machen.
Es kommt darauf an, würde ich sagen.
Kinder / Jugendliche mit Migrationshintergrund haben ebenso eine gute Chance Karriere im medizinischen Bereich hinzulegen. Es ist aber abhängig davon, aus welchem familiären Background diese stammen. Es ist leider oft hin und wieder so, dass nicht wenige unter einem enormen Druck stehen. Manche Familien spielen da verschiedene Karten:
Die eine Familie möchte, dass ihre Tochter eher den traditionellen Weg als Hausfrau / Mutter / Ehefrau einschlägt - daher empfindet man die mögliche Karriere und das mögliche Potenzial nicht so wichtig. Bei der anderen Familie möchte jemand z.B den Weg bestreiten, steht aber unter dem Druck, dass er auf seine jüngeren Geschwister aufpassen muss - gleichermaßen aber auch für die Eltern da sein muss / soll und dann geht irgendwann der Fokus auch verloren. Andere wiederum haben das Potenzial, aber es fehlt die Förderung.
Grob gesagt ist bei einigen auf jeden Fall das Potenzial vorhanden - aber die kriegen die PS / Power nicht auf die Straße, um es mal so auszudrücken.
Mit der Zeit merkt man aber trotzdessen, dass es viele junge Menschen mit Migrationshintergrund trotzdessen geschafft haben. Also es ist nicht mehr so drastisch, wie früher. Wenn man z.B in manchen Unikliniken reinschaut, erlebt man oft sehr junge Assistenzärzte, die noch in Facharztausbildung sind, die es geschafft haben (unabhängig von der Nationalität, da ist alles dabei).
lg
Wenn man z.B in manchen Unikliniken reinschaut, erlebt man oft sehr junge Assistenzärzte, die noch in Facharztausbildung sind, die es geschafft haben
Es ist eben NICHT so, dass es soo viele schaffen wie impliziert. Als ich noch studiert habe, hatte ich schon einige Kommilitonen mit einem Migrationsbackground, die meist selbst erst vor Kurzem nach Deutschland gekommen sind. Ihren Platz haben sie über die Ausländerquote erhalten, d.h. sie mussten nicht mit mit den "Deutschen" konkurrieren. Sucht man allerdings diejenigen, die es "normal" geschafft haben, muss man mit der Lupe suchen. Die gut integrierten Menschen, deren Vorfahren einen Migrationshintergrund haben, die aber hier aufgewachsen, gut integriert und nur an einem etwas dunklerem Aussehen und dem Namen erkennen kann, werden benachteiligt. Ein Trauerspiel!
Diejenigen, die du an den (Uni-) Kliniken findest, haben nahezu alle im Heimatland studiert und sind hierher aufgrund "besserer" Lebensbedingungen gekommen.
Hier sei allerdings angemerkt, dass Ärzte mit ausländischem Abschluss nur dann eine Stelle bekommen, wenn sich kein anderer finden lässt... Chefärzte lecken sich die Finger nach deutschen Absolventen... Ich persönlich verstehe auch nicht, was viele bei dem Punkt mit ihren "Kommunikationsfähigkeiten" oder ihrer "Sprachbarriere" wollen. Wer hier arbeiten (oder studieren) will, muss ein gewisses Sprachniveau nachweisen. Sprachbarrieren gibt es nicht nur zwischen Personen mit Migrationshintergrund/Migranten und "Deutschen", sondern auch zwischen Akademikern und Nicht-akademikern aus Nichtakademikerfamilien. Und gerade da ist der Standesdünkel enorm...
Meines Erachtens hängt, ob jemand Arzt/Ärztin werden kann, nicht direkt mit dem Migrationshintergrund zusammen, also nicht die Herkunft ist das Problem. Die Leute sind ja nicht dümmer, nur, weil sie in einem anderen Land geboren sind.
Was eher Faktoren wären, sind mangelnde Unterstützung zu Hause, keine Akademikereltern und andere Lernkultur. Mit anderer Lernkultur meine ich, dass Schule vielleicht im Ursprungsland nicht so eine hohe Bedeutung hatte. Das käme aber auf das Land an, es kann auch das genaue Gegenteil der Fall sein.
Mangelnde Unterstützung und keine Akademikereltern zu haben gehen oft Hand in Hand und betrifft Einheimische wie Migranten. In diesen Fällen ist es tatsächlich unwahrscheinlicher, Medizin zu studieren, bei diesem (ungerechtfertigten Monster-)NC. Da ist sogar das Gymnasium, also überhaupt das Abitur, unwahrscheinlicher.
Alles in allem lässt sich sagen, es gibt Faktoren, die das Medizinstudium unwahrscheinlicher machen können, die haben aber nichts mit der Herkunft an sich zu tun, sondern können Begleitfaktoren sein, die auch Einheimische betreffen.
Vielleicht treten hinderliche sozio-kulturelle und familienspezifische Faktoren bei Menschen mit Migrationshintergrund gehäuft auf. Aber dazu müsste ich erst recherchieren, ob das wirklich zutrifft. Das ist erst einmal nur Spekulation.
Die Leute sind ja nicht dümmer, nur, weil sie in einem anderen Land geboren sind.
Man unterstellt es ihnen aber - bewusst oder unterbewusst. Nennt man Rassismus.
Mehrere Muttersprachen zu haben, ist ja auch nur dann etwas Positves, wenn die Zweitsprache Französisch und nicht Türkisch/Arabisch ist.