Warum ist dieses Klischee so wahr?

8 Antworten

Von Experte Angel1112 bestätigt

Ich weiß schon, was du meinst. Oft kommen solche Mädchen aus sehr einfachen, wenig gebildeten und finanziell nicht auf Rosen gebetteten Familien, wo die Eltern zwar auch nur auf der Hauptschule waren, aber generell nach Höherem streben und sich über den Filius definieren. Das beginnt, dass sie die Kinder dermaßen auf selbstbewusste Arroganz nach dem Schema "meine kleine Prinzessin" trimmen, dass so etwas dann das Resultat der Erziehung ist. Abi und Studium müssen sein, Jura oder Medizin, und alle sollen zu einem aufschauen; man macht noch Erasmus und geht für ein Jahr ins Ausland, lässt sich das Kindergeld ausbezahlen, um mit den "Reichen" mithalten zu können und beantragt jeden Zuschuss, der möglich ist; man walzt jeden Schritt so gnadenlos und omnipräsent auf Instagram und Facebook aus, dass die meisten nur noch genervt sind und wenn das Geld verbraucht ist, klimpert man mit den Augen oder droht mit "nicht mehr Heimkommen", dann geht die Show weiter.

Es sind in der Tat gerade die "Erstakademiker" aus Arbeiterfamilien, die sich so richtig was auf sich einbilden und scheinbar auf ihrer einen Wolke Sieben schweben, es allen zeigen, in ihrem Heimatdorf bei jeder Visite auf dicke Hose machen und groß reüssieren wollen, meist viel schlimmer als diejenigen, bei denen diese Karriere vorprogrammiert war, weil der Vater schon Arzt oder Anwalt oder Publizist gewesen ist. Ich habe eine Cousine, die als "Erstakademikerin" Jura studiert und bei der das ganz extrem ist - und schon deutlich über der Grenze des guten Geschmacks und dessen, was tolerabel ist.

Wenn du auf "migrantische Familien" anspielst so sei gesagt, dass in diesen Kulturen Berufe wie Arzt, Jurist, Theologe oder Ähnliches sowie die Laufbahn als "guter Beamter" bzw. locker formuliert als "Staatsdiener" sehr hohes Ansehen genießen. Ich kenne sehr arme Familien muslimischer oder aramäischer Prägungen, wo es dem Vater sehr wichtig war, dass aus den Kindern "was wird" und unter größten Entbehrungen für die Eltern zumindest dem/der Ältesten das Abitur und ein Studium ermöglicht wurden. Aber da wird das Studium wirklich ernst genommen und nicht hinausposaunt, sondern wirklich gelernt und studiert, dass man möglichst früh fertig wird und die Familie ggf. mit Geld unterstützt.

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In vielen Arbeiterfamilien ist es nach meiner Beobachtung aber meistens so, dass solche "Karrieren" weder erwünscht sind, weil es ganz andere Schwerpunkte gibt und es nicht auf Titel ankommt oder auf Abschlüsse, Zertifikate oder besonderes gesellschaftliches Ansehen, sondern darauf, dass eine "anständige" Arbeit ausgeführt wird, man nicht Vater Staat auf der Tasche liegt und am besten schön unauffällig und geduckt, ohne Konflikte mit Gesetzen usw. durch das Leben kommt und "sein Zeug schafft", bis man eines Tages ins Gras beißt - mehr ist es nicht.

Ich stamme aus so einem Milieu, stamme als einer der wenigen dort nicht aus einer Arbeiterfamilie und habe es bei Mitschülern etwa oft erfahren, dass Kindern die Talente eher abqualifiziert und Träume in Richtung Abitur oder Studium usw. ausgeredet wurden - weil andere "reden könnten". Es ist nicht gern gesehen, dass man ausbricht und andere Vorstellungen hat, als im Handwerk oder in der Landwirtschaft tätig zu sein, bis man in Rente geht. Auch Ehrenamt ist, sofern es nicht der Schützenverein oder der Bauernbund oder die IG Metall ist (wobei deren Akteure meist als "Krawallmacher" gelten, wenn man den "ehrbaren kleinen Arbeiter" schreien hört), nicht gern gesehen; wenn ein Auftritt vom Schulchor angekündigt wird, schnalzt der Vater genervt mit der Zunge und findet vernichtende Worte, während die Mutter zwar freundlicher wirkt, aber am Ende auch nur mit den Augen rollt und sich fragt, warum das Kind sie so "blamiert" bzw. das Kind wird vor dem Auftritt hören, dass es die Eltern "ja nicht blamieren" soll "und dass es dann aber auch gut ist" -----> und wer da z.B. als Jugendlicher Interesse an Politik zeigt, bekommt vom Vater im besten Fall so was wie "hör auf mit dem Parteigequatsche" in Anschnauzton an den Latz geknallt und im schlimmsten Fall eine fette Backpfeife als Vorgeschmack für das, was passiert, wenn er sich weiterhin mit Politik beschäftigt. Genau so habe ich das erlebt und auch selber gesehen, es war erschreckend.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Was eher stimmt ist das Arbeiterkinder, vorzugsweise Migranten, erstmal weniger häufig eine Empfehlung für's Gymnasium bekommen. Und wenn sie sich in der Mittelstufe für Medizin interessieren legt man ihnen eine Ausbildung als Pflegekraft nahe.

Wahr ist auch, dass z.B. Familien aus dem Iran zwei Traumjobs für ihre Kinder haben: Entweder Arzt oder Ingenieur.

Wahr ist auch, dass Migranten mehr und verbissener nach materiellem Wohlstand streben, weshalb unsere Wirtschaft ja so händeringend Migration will.

Es gibt eben diese zwei Extreme. Einerseits wären da Menschen, die durch schulischen Fleiß aus dem Stress des Prekariats ausbrechen wollen, weil sie schon ihre eigenen Eltern darunter leiden sehen. Und andererseits hast du den angesehenen und gutverdienenden Arztberuf, der zwar anstrengend ist, abrer eine gewisse finanzielle Sicherheit verspricht, die das Prekariat nicht hat.

Materieller Wohlstand ist ab einem gewissen Grad kein Motivator. Aber ich selbst als jemand, der sich seinen Lebensunterhalt seit dem Abitur selbst erarbeitet, kann mit Erfahrung sagen, dass es bei der Lebenszufriedenheit einen großen Unterschied macht, ob man von der Hand in den Mund lebt und kaum Rücklagen bilden kann, mit denen man bspw. eine Zahnfüllung bezahlen könnte, oder ob man so viel Geld verdient, dass man Rücklagen hat, mit denen man sofort ein neues Auto kaufen könnte, wenn das alte einen spontanen Totalschaden erleiden würde.

Tatsache ist ja, dass diese Leute, die du beschreibst, ein hartes Studium und einen strengen Beruf anstreben. Der Arztberuf ist ebenfalls durchaus harte Arbeit. Diese Leute sind also nicht vom Kapitalismus verblendet sondern streben nach Wohlstand durch Leistung.

Aber ob das Klischee so wahr ist? Zumindest ist die Idee plausibel, durch Anstrengung in der Schule und in der Ausbildung Zugang zu einem gut bezahlten Beruf zu erarbeiten. Fakt ist doch, dass das Klischee der Arztkinder, die selbst ein Medizinstudium aufnehmen, viel häufiger Realität.

Ist doch prima:

Dann weißt Du immer, mit wem Du es zu tun hast!

Allerdings: Mein Tipp: Deine Frage ist nicht beantwortbar, weil es eben genau nicht IMMER so ist, sondern weil Dir diese Migrantenarbeiterkinderkapitalistenärztinnen Dir besonders auffallen und Du deshalb Dein Augenmerk besonders auf sie richtest!

Man kann doch auch Ärztin werden, weil man einen sinnerfüllten Job darin sieht anderen Menschen zu helfen!

Angesichts der langen Studienzeit und der hohen Verantwortung für das Wohlergehen von Patienten, ist ein höheres Gehalt auch gerechtfertigt.

Frauen haben tendenziell eine Präferenz für helfende Berufe. Das ist aus meiner Sicht nicht zu beanstanden (doch obwohl es eine Mehrheit an weiblichen Ärzten gibt, findet man höchst selten eine weibliche Klinikleitung. Seltsam!)