Wie zeitgemäß ist der Gottesbezug im Grundgesetz?

Das Ergebnis basiert auf 36 Abstimmungen

Gottesbezug im Grundgesetz belassen. 67%
Gottesbezug streichen. 33%

11 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Gottesbezug im Grundgesetz belassen.

Anscheinend wussten die Autoren der Präambel noch, dass wir Menschen mit unseren Entscheidungen nicht nur ggf. vor Gericht, sondern auch vor Gott stehen und uns rechtfertigen müssen. Dieses Wissen und die entsprechende Akzeptanz ist bei vielen Menschen nicht mehr vorhanden. Das bedeutet aber nicht, dass es a) keinen Gott gibt und b) dass wir uns vor Ihm nicht eines Tages rechtfertigen müssen.

Es gibt auch im Alltag viele Regeln, z.B. bei der Qualitätssicherung im Produktionsprozess. Nur weil man diese Regeln nicht (mehr) kennt, bedeutet das nicht, dass es diese Regeln nicht gibt oder diese ungültig seien.


vanOoijen 
Fragesteller
 25.05.2024, 18:31

Danke für Deine interessanten Gedanken.

1
ErklaerBaerfair  26.05.2024, 17:01

Wäre es aber nicht anmaßend zu behaupten das Grundgesetz sei "Verantwortungsvoll im Bezug auf Gott" schließlich kann nur Gott selbst entscheiden was Verantwortungsvoll ist und was nicht.

0

Es hängt immer davon ab, wie man den Begriff "Gott" interpretiert.

Ist damit der alte Mann mit dem langen, weißen Bart gemeint, der wie der Nikolaus die Braven belohnt und die Bösen bestraft? Eine durchaus zornige, gewalttätige Person, die Angst und Schrecken verbreitet, wenn man sich nicht anständig verhält, vor der man in Ehrfurcht und Demut niederknien muss?

Oder ist mit dem Begriff "Gott" eher eine universelle, erhabene, göttliche Energie gemeint, die größer ist als die Menschheit selbst und der man die Macht der Liebe und die Fähigkeit zum moralischen Urteil zuschreibt?

Im Grunde geht es bei dem Bezug auf Gott darum, dass man seinem eigenen Gewissen verpflichtet ist und gewissenhaft/ verantwortlich handeln sollte. Man könnte es demnach moderner ohne den Begriff "Gott" formulieren.

In Zeiten zunehmender Kirchenferne

Auch wenn viele aus der Kirche austreten wegen der Missbrauchsskandale, des Umgangs damit, sowie generell wegen des Umgangs mit Frauen und Sexualität, bedeutet das nicht automatisch, dass sich die Menschen von einem Gott oder einer Gottesvorstellung abwenden. Wer Gott mit Liebe, Gewissen und Moral verbindet, wird sich vielleicht sogar dazu verpflichtet fühlen unter den gegebenen Umständen aus der Kirche auszutreten!


vanOoijen 
Fragesteller
 25.05.2024, 18:09

Das Problem dass ich sehe ist, dass Gott tatsächlich jemand ist vor dem man in Furcht und Demut niederknien muss, wenn auch kein alter weißer Mann mit langem Bart. Baum oder Dornbusch sein geht für ihn genauso. Gleichzeitig ist er überwältigende Liebe.

Er ist nicht zur abstrakten universellen Energie abzuschwächen.

Gott - der Gott des Christentums und auch der Gott der Juden und der Muslime, ist schon etwas Anderes.

Und darauf bezog sich Theodor Heuss wohl auch.

Deine Idee klingt hingegen eher esoterisch und hat mit dem klassischen Monotheismus nicht viel zu tun.

1
orangade  25.05.2024, 18:12
@vanOoijen
Deine Idee klingt hingegen eher esoterische und hat mit dem klassischen Monotheismus nicht viel zu tun.

Ich lehne den Begriff "esoterisch" als abwertend ab und bevorzuge die Bezeichnung "moderne Gottesinterpretation mit philosophischem und psychologischem Bezug".

1
vanOoijen 
Fragesteller
 25.05.2024, 18:18
@orangade

Nun ja, typisch zeitgeistig evangelisch theoretisch würde ich das nennen.

Ich durfte ihn hingegen kurz persönlich erleben und lehne solche Interpretationen daher ab - auch wenn die sicher mehrheitsfähig sind.

Was Du da beschreibst trifft vielleicht den heiligen Geist, aber nicht Gottvater.

0
vanOoijen 
Fragesteller
 25.05.2024, 18:26
@orangade

Außerdem belohnt Derjenige den ich kurz erleben durfte nicht die Braven und bestraft angeblich Böse.

Im Gegenteil vergibt er ungefragt und ist pure Liebe - so sehr, dass man es kaum glauben und aushalten kann.

Und gleichzeitig ist er furchteinflößend - aber nicht wie ein Tyrann oder Diktator. Ganz anders. Unsere Sprache reicht leider nicht dafür aus ihn zu beschreiben.

Ein Wesen voller überwältigender Liebe und gleichzeitig unglaublich autoritär und eben allmächtig. Das weiß man in der Sekunde in der man ihm gegenwärtig wird. Das muss nicht erklärt oder bewiesen werden. Das weiß man dann sofort.

0
orangade  25.05.2024, 18:28
@vanOoijen

Ich nehme keine Drogen. Ich habe einen anderen Zugang zu gewissen Dingen.

Ich finde, dass solltest du anderen Menschen zugestehen.

1
vanOoijen 
Fragesteller
 25.05.2024, 18:38
@orangade

Das ist ebenfalls abwertend.

Von allen Drogenerfahrungen in meinem Leben - die ich nicht zählen kann, hat genau eine einzige zu einer persönlichen Gotteserfahrung geführt.

Das kannst Du eher mit einem Mönch vergleichen der 10 Jahre meditiert und dem so etwas dabei einmal vergönnt ist.

Ich habe das lange überprüft und in Selbstreflexion und Recherche immer und immer wieder infrage gestellt.

Das Ergebnis ist: Es war eine echte Gotteserfahrung.

Es ist zudem müßig das zu diskutieren.

Aber ich habe seitdem einen anderen Zugang dazu und bei mir verfängt der Zeitgeist-Kram daher nicht mehr.

Zudem reden wir hier in der Rubrik "Religion&Glaube" und nicht in "Politik&Gesellschaft", wo diese Frage ebenso stehen könnte.

0
orangade  25.05.2024, 18:41
@vanOoijen

vor 19 Minuten:

Ich lass das mal so stehen.
Das ist besser für uns.
1

Ich finde schon gut, dass da festgehalten wird, dass die Menschen sich das Gesetz selbst geben und dass sie Verantwortung tragen. Auch als Atheist kannst du das Wort 'Gott' abstrakt verstehen als 'Harmonie, welche die Welt zusammen hält'. Auch viele Leute, die sich gläubige Christen nennen, verstehen Gott etwa so.

Ich bin Atheist. Aber ich finde diese Präambel nicht störend.

Gottesbezug im Grundgesetz belassen.

https://reli-ethik-blog.de/wie-kommt-gott-in-das-grundgesetz-eine-spurensuche/

In Zeiten zunehmender Kirchenferne und unterschiedlichsten Weltanschauungen, wie zeitgemäß ist dieser Gottesbezug noch?

Aktuell bekennen sich immer noch 50 % aller Bewohner von Deutschland zum christlichen Glauben. Die Atheisten machen um die 15 % aus. Nicht-Religiöse sind noch einmal 15 %.

Was würdest Du sagen, wenn Christen nur 15 % Anteil hätten und verlangen würden, dass ein Gottesbezug rein müsste? Jeder würde den Kopf schütteln.

Das Grundgesetz, aber auch sämtliche Menschenrechte basieren auf "Naturrecht", d.h. sie sollen aus der Natur oder eben aus Gott heraus ableitbar sein, d.h. fundamental, zeitlos, ewig, universell. Naturrecht ist aber nicht bewiesen, sondern einfach nur als ein Ideal geglaubt, dass diese Gesetze aus der Natur oder eben aus Gott ableitbar sind. Das Gegenteil zum Naturrecht ist der sogenannte Rechtspositivismus. Dieser bringt gesetztes, ausschließlich vom Menschen geschaffenes Recht hervor, was verschiedenen Gerechtigkeitstheorien (weil Gerechtigkeit an sich nicht abschließend definierbar ist) nah kommen soll.


diderot2019  25.05.2024, 17:39

Das gerade nicht. Die Menschen geben sich die Gesetze. Sie sind nicht zeitlos, ewig und universell, sondern sie müssen ständig neu überdacht und begründet werden. Die Menschen tragen die Verantwortung, dass sie die Gesetze gut gestalten.

0
EVYTNG  25.05.2024, 17:40
@diderot2019

Das Grundgesetz und die Menschenrechte sind oder sollen ja eben nicht verändert werden können, weil sie immer und ständig gelten sollen. Das ist ja der Gedanke des "Naturrechts".

1
diderot2019  25.05.2024, 20:32
@EVYTNG

Doch, auch das Grundgesetz und auch die Menschenrechte müssen immer wieder hinterfragt und ausgehandelt werden. Kürzlich wurde die Schweiz vom Europäischen Gericht für Menschenrechte verurteilt, weil sie zu wenig gegen den Klimawandel gemacht habe. In den Menschenrechten war der Klimaschutz aber überhaupt nie vorgesehen.

Die Schweiz hätte die Menschenrechte vermutlich auch gar nie unterschrieben, wenn bekannt gewesen wäre, dass es zu solchen Urteilen kommen könnte. Denn in der Schweiz ist es ja immer das Volk, das über Klimamassnahmen abstimmt und sie annimmt oder ablehnt. Das Volk kann auch weitere Massnahmen fordern.

Nun haben zehn Richter über den Volkswillen hinweg entschieden, was recht und was unrecht ist. Das darf nicht sein. Die Richter haben nicht nach geltendem Recht entschieden, sondern sie haben das Gesetz so weit ausgedehnt, dass sie dieses Urteil fällen konnten. Sie waren also der Ansicht, die Menschenrechte genügen nicht und der Klimaschutz gehöre da auch rein. Diese Meinung kann man haben. Dann müssen aber die Menschenrechte ergänzt werden. Sie sind dann eben nicht ewig und unveränderlich. Und es sind weder Götter noch Richter, die über diese Änderungen entscheiden, sondern es ist das Volk.

1