Gibt es echt Leute, die es in der DDR wirklich besser fanden?
Ich (wohne in NRW) hab einen neuen Mitschüler in der Klasse, der aus Sachsen kommt. Und der hat mir neulich von seiner Oma erzählt, die wohl dauernd „der guten alten DDR“ hinterhertrauert und davon schwärmt. Sie beschwert sich anscheinend (zumindest laut ihm) die ganze Zeit und sagt, dass es ihr und den anderen Leuten in der DDR besser ging.
Meint ihr, die meint das ernst? Bzw. gibt es echt (mehrere, so wie sie anscheinend sagt) Leute, die es in der DDR wirklich besser fanden? Kann ich mir eigentlich kaum vorstellen, aber ich kannte die Zeit natürlich auch nicht und komme zudem wie gesagt selber aus NRW.
16 Antworten
Der Mensch gewöhnt sich ganz schnell an bessere Lebensbedingungen. Vielleicht sollte man neben einen Supermarkt eine Art Gedenkstätte bauen, und zwar so, wie ein typischer Laden zu DDR-Zeiten aussah. Davor sollten einige Puppen stehen, die die "Sozialistische Wartegemeinschaft" darstellen.
Aber: was man mit Menschen kurz nach der Wende gemacht hat, ist absolut schlecht. Man hat sie wirklich traumatisiert. Dabei hätte die Bundesrepublik durchaus in einigen Punkten von der DDR lernen können. Bis heute stehen Schulspeisung und ausreichend Kitaplätze noch in den Sternen.
Der Mensch neigt nun mal dazu, wenn er mit seiner aktuellen Lebenssituation unzufrieden ist, die Vergangenheit zu verklären.
Da sieht man dann auch großzügig über die Unzulänglichkeiten des Systems hinweg.
Ich denke, es hat eher mit der allgemeinen Nostalgie älterer Menschen zu tun. Ob nun DDR-Zeiten nachtrauern, oder dem Kaiserreich, oder den 50ern am Gardasee. Es ist immer eine romantisierende, die Probleme dieser bestimmten Zeit ausblendende Sichtweise und auch Sehnsucht nach der "guten alten Zeit". Ich glaube, dass es das schon immer gab.
Jedoch gibt es auch Menschen, die das Leben in der DDR aus verschiedensten Gründen besser fanden. Seien es Nutznießer des Systems, einfache Leute, die Führung oder Arbeit bekamen, oder weiterer sozialer Umstände (Kindergarten, Hort, außerschulisches Angebot), ohne zu hinterfragen, warum das wohl alles geboten wurde. Klar war das toll, aber systemrelevant und am Ende zu teuer.
Ja gibt es, wir sind gut anpassungsfähig und können uns den Umständen anpassen.
Ich kann das am besten von mir selbst erklären. Ich hatte gar nichts und musste auf dem Boden schlafen, es blieb mir nichts anderes übrig als mich daran zu gewöhnen. Später bekam ich ein Bett, ein Kissen und eine Decke war natürlich was völlig anderes, also schlief ich die erste zeit wie gewohnt auf dem Boden ohne was. Ich kannte das nicht anders und war normal für mich. Natürlich ist Bett usw. Weicher, wärmer und sauberer aber es war fremd. Ich musste mich erstmal damit anfreunden. Wir sind auch Gewohnheitstiere und kommen schwer mit Veränderungen klar, man bleibt lieber beim vertrauten ob das jetzt gut oder schlecht war. So ungefähr ist das
Wenn man unpolitisch war oder den Kommunismus gut fand, dann konnte man in der DDR durchaus akzeptabel leben.
Klar, besondere Lebensmittel waren kaum zu bekommen und um ein Auto zu bekommen, musste man sich auf eine Liste eintragen und dann jahrelang warten. Aber das ging eben vielen so. Urlaub konnte in sozialistischen Nachbarländern gemacht werden. Es gab eine Ganztagskinderbetreuung, dass beide Elternteile Vollzeit berufstätig sein konnte. Das Leben war strukturiert und die Ideologie versprach klare Freund- und Feindbilder und Verlässlichkeit. Von den Stasi-Spitzeln erfuhren viele erst später.
Problematisch wurde es, wenn man:
- Nicht die Meinung der DDR-Führung vertrat.
- Kein Parteimitglied war - dann konnte man ggf nicht studieren und nicht alle Berufe ergreifen
- Reisen wollte - und zwar nicht nur in die kommunistischen Bruderländer
- "Westliche" Musik hörte
- "Unpassende" Kleidung trug
- Sich beim Sehen oder Hören von westlichen Nachrichtensendern erwischen ließ
- ...
Du sprichst von den späteren DDR-Jahren (ab den 70ern). In den 50er Jahren war es durchaus problematisch, West zu hören. Und ich kann mich auch noch an einen Artikel in einer Zeitschrift für Kinder erinnern, wo ein Schüler einen anderen verwarnte, weil dieser offenbar West geguckt hatte.
Der jüngste Pfarrerssohn (er war etwas älter als ich) wurde einmal aus der Schule nach Hause geschickt, weil er Jeans trug.
Irgendwann sagte Honecker einmal im Interview: "Westsender, die sowieso jeder empfangen kann". Das war für uns der Freibrief. Selbst bei Einführung des Kabelfernsehens versuchte man dann, auch Westfernsehen empfangen zu können.
Hatte selbst Kontakt mit Ossis und kann die letzen Punkte kann ich absolut nicht betätigen. Fast jeder hatte ZDF Antennen auf dem Dach. Freunde haben die montiert und keinen hat es interessiert. Und in der Schule wurde offen über das Fernsehprogramm am Vortag geredet und niemanden hat es interessiert. Selbst im sog "Staatsbürgerkundeunterricht" (das Propagandafach) (hier Gemeinschaftskunde). Auf Diskos in Ferienlagern wurde natürlich westliche Musik gespielt usw. Kleidung hat auch niemanden interessiert.
Ich denke du kennst die DDR aus dem Westfernsehen;)