Österreich: Ein Rechtsstreit wird vor Gericht per Scharia gelöst. Eure Meinung?

10 Antworten

Bei dem Fall ging es laut österreichischen Medien um zwei Personen, die einen privaten Vertrag abgeschlossen hatten und dabei vereinbarten, sich bei etwaigen Streitigkeiten einem Schiedsgericht auf islamischer Grundlage zu unterwerfen.

Das Wiener Landesgericht hat also anhand der zwischen den Beteiligten vereinbarten Vertragsinhalte geurteilt. Und das ist nicht nur völlig in Ordnung, wenn diese nicht gegen österreichisches Recht verstoßen, geht es auch gar nicht anders.

Dass dies dann vor einem Gericht gelandet ist, sollte jedoch allen zeigen dass es keine gute Vertragsbasis zu sein scheint. Populisten stürzen sich da natürlich drauf, ich sehe es aber als Niederlage für die Scharia.

Wie quer müssen meine Gedanken laufen hier eine Islamisierung zu sehen....

Es ist einfach nur dämlich hier eine Islamisierung zu sehen. Warum? Weil du hier aus einem Einzelfall einen großen Verschwörungsrahmen konstruieren willst. In Österreich, wie in Deutschland auch, kann ein Gericht bei Zivilstreitigkeiten auf das Recht zurückgreifen, das die Parteien selbst gewählt haben, solange es nicht gegen Grundrechte oder zwingendes nationales Recht verstößt. Das ist nichts Neues und hat nichts mit „Islamisierung“ zu tun. Genauso kann ein deutsches oder österreichisches Gericht bei Handelsstreitigkeiten italienisches Recht anwenden, wenn beide Parteien das vereinbaren. In dem von dir genannten Fall hat das Gericht keine Scharia „anerkannt“, weil Europa angeblich unterwandert wäre, sondern weil es in der internationalen Rechtspraxis üblich ist, das von den Beteiligten gewünschte Vertragsrecht anzuwenden. Hätte ein katholisches Paar den Wunsch nach kirchlichem Ehevertragsrecht geäußert, wäre auch das in Grenzen geprüft worden.

Der entscheidende Punkt: Sobald Inhalte gegen Verfassung, Menschenrechte oder zwingendes nationales Recht verstoßen, wird das Gericht sie nicht übernehmen. Genau deshalb gibt es Schranken, die klarstellen, dass keine Religion über der Verfassung steht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Parteimitglied
aber dennoch fand hier die Scharia von einem offiziellen Gericht gedeckt Anwendung.

Aber in einer Zivilsache (privater Vermögensstreit) und vor dem Hintergrund, dass beide Parteien einen Vertrag darüber abgeschlossen hatten, ein Schiedsurteil auf dieses Basis zu akzeptieren.

Dadurch wird weder bestehendes Recht verdrängt, noch wird irgendwer gegen seinen Willen irgendwelchen fremden Rechtsgepflogenheiten unterworfen.

Wenn es um Fragen des Strafrechts ginge, oder um Fragen der persönlichen Freiheit, wo eine solche vertragliche Einigung nicht anginge, weil sie anderem geltenden Recht wiedersprechen würde, wäre das was anderes, könnte nicht angehen.

Aber bei einer Vermögensangelegenheit sehe ich da eigentlich kein Problem, wenn sich beide Parteien freiwillig auf ein solches Schiedsgericht festgelegt haben.

Wie steht ihr dazu?

Ich sehe hier nur, daß ein Privatvertrag von einem östereichischem Gericht als bindend bestätigt wurde. Mit der "Scharia" als Solche hat das erst mal Nichts zu tun. Ein Rechtsfehler liegt meiner Ansicht darin vor, daß in privaten Verträgen bei "Haftungen" die Folgen genauer benannt werden müssen. Man könnte ja sonst in einem Privatvertrag auch festlegen, daß der Opa die "Strafe" bei Verfehlungen vorgibt.


EinAlexander  04.09.2025, 15:15
Man könnte ja sonst in einem Privatvertrag auch festlegen, daß der Opa die "Strafe" bei Verfehlungen vorgibt

Und das kann man auch. Ich lege in Verträgen zum Kauf eines Neubaus stets fest, dass ich für jeden Tag, um den die zugesagte Fertigstellung des Baus überschritten wird, 100 Euro bekommen.

Genauso könnte ich mit dem Bauträger vereinbaren, dass wir einverstanden sind, dass im Falle einer verzögerten Fertigstellung des Baus der Tankstellenbesitzer am Ort entscheidet, was ich als Entschädigung bekomme.

aber dennoch fand hier die Scharia von einem offiziellen Gericht gedeckt Anwendung

Nein, das stimmt nicht. Was hier geschah, passiert seit Jahrzehnten tausendfach jedes Jahr in DE und AT:

Es wurde zwischen zwei Vertragsparteien ein Vertrag geschlossen. In diesem Vertrag wurde vereinbart, dass im Streitfalle ein Schlichter hinzugerufen wird. Einen solchen Schlichter nennt man im allgemeinen auch Mediator, den Vorgang der Schlichtung nennt man Mediation. In diesem Falle heißt der Mediator eben "islamisches Schiedsgericht". In anderen Fällen heißt der Mediator Versicherungsombudsmann (wenn es um Streit mit Versicherungen geht).

Nun war eine der Parteien mit dem Ergebnis der Mediation nicht einverstanden und hat deswegen ein Zivilgericht angerufen. Das Zivilgericht hat festgestellt, dass die Vereinbarung, sich dem Spruch eines Mediators oder Schiedsgerichtes zu unterwerfen, rechtmäßig ist und dieser daher gültig ist, da er nicht mit dem österreichischen Gesetz kollidiert.

Das hat nicht im geringsten etwas mit einem "Scharia-Urteil" zu tun.

Viele Leute, auch hier auf GF, behaupten ja, dass eine langsame Islamisierung Europas eine (rechte) "Verschwörungstheorie" wäre.

Und damit haben diese vielen Leute auch hier auf GF recht.

Alex


David  05.09.2025, 21:24
Und damit haben diese vielen Leute auch hier auf GF recht

Und du leidest leider unter massivem Realitätverlust.

Bodhgaya 
Beitragsersteller
 04.09.2025, 15:12

Solche "Mediatoren" sollten aber in unserer westlichen Welt vor offiziellen staatlichen Behörden keine Gültigkeit haben.

EinAlexander  04.09.2025, 15:19
@Bodhgaya
Solche "Mediatoren" sollten aber in unserer westlichen Welt vor offiziellen staatlichen Behörden keine Gültigkeit haben.

Du hast den Vorgang nicht verstanden. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Vertragspartnern ist gültig, so lange sie nicht gegen das Gesetz verstößt. Das hat mit "offiziellen staatlichen Behörden" gar nichts zu tun.

Ob ich in den Vertrag schreibe "Im Streitfall entscheidet der Tankstellenbesitzer über die Höhe der Entschädigung" oder "Im Streitfall entscheidet der Pfarrer über die Höhe der Entschädigung" oder "Im Streitfall entscheidet der Imam über die Höhe der Entschädigung" oder "Im Streitfall entscheidet der Rabbi über die Höhe der Entschädigung" spielt keine Rolle.

Es ist eine Vereinbarung zwischen zwei Vertragspartnern, die nicht gegen geltendes Recht verstößt.