Nicht das Leid zählt – sondern der Täter?

7 Antworten

Wirksame Betroffenheit ist eben abhängig von der Nähe zum Geschehen. Das hat aber meiner Meinung nach nichts mit uns oder unserer Gesellschaft sondern mehr mit der menschlichen Natur zu tun.

Wobei es in unserer Gesellschaft (im Gegensatz zu anderen) ja nicht verboten ist, Betroffenheit zu zeigen und entsprechend zu handeln.

Ich denke das liegt vor allem auch daran, wie nah die Menschen sich den Opfern (oder denen die sie als Opfer sehen) fühlen, und wie sehr sie mit ihnen irgnedwie "verbunden" sind.

Ein gutes Beispiel dafür ist der Tsunami 2004 der insbesondere Thailand so stark getroffen hat.

Die Weltweite Anteilnahme und Spendenbereitschaft lag vor allem daran, das auch viele Touristen aus aller Welt betroffen waren.

Es gab in den Jahren davor immer wieder verheerende Naturkatastrophen mit Zehntausenden toten, in irgendwelchen "nicht westlichen Ländern" aber da war die Anteilnahme nicht ansatzweise so groß, wie bei dem Tsunami, sofern die anderen Sachen überhaupt bemerkt wurden, als Randnotiz in den Nachrichten.

20min Gerede über Politiker, und am Ende kurz 3 Sätze zu irgendeinem Erdbeben in Indien mit Zehntausenden Opfern oder so...


Novar 
Beitragsersteller
 30.06.2025, 11:22

Gutes Beispiel aber z.B. im Gazakrieg sterben keine westlichen Touristen, niemand aus der eigenen Familie, keine Landsleute. Und trotzdem ist die Empörung riesig – ganz im Gegensatz zu Sudan, Jemen, Kongo oder Myanmar, wo das Leid nachweislich größer ist, aber medial und gesellschaftlich fast untergeht.

Wenn also „Nähe“ das entscheidende Kriterium wäre – wieso fühlen sich dann tausende Menschen in Europa plötzlich persönlich betroffen, wenn in Gaza Zivilisten leiden, aber nicht bei 500 000 toten Babys im Sudan?

Deamonia  30.06.2025, 11:25
@Novar

Naja, viele sind halt in nem Gewissenskonflikt denke ich, da sie eigentlich Israel unterstützen, aber so langsam moralisch damit nicht mehr klar kommen, was in Gaza gerade passiert.

Novar 
Beitragsersteller
 30.06.2025, 11:32
@Deamonia

Also wie jetzt? „Ich unterstütze eigentlich Israel, aber habe wegen Gaza einen Gewissenskonflikt – deshalb laufe ich jetzt mit Antisemiten oder Antizionisten auf der Straße und rufe Parolen gegen Israel.“

Sorry, aber das ergibt einfach null Sinn.

Ein echter Gewissenskonflikt führt zu Nachdenken – nicht dazu, sich mit Leuten zu solidarisieren, die Israel abgrundtief hassen. Wenn du bei einem moralischen Dilemma ausgerechnet dort landest, wo Juden als Besatzer, Mörder oder Kolonialisten dämonisiert werden, dann war dein „innerer Konflikt“ nie echt

Mal davon abgesehen: Von einem „Gewissenskonflikt“ war nach dem 7. Oktober rein gar nichts zu sehen. Innerhalb von Stunden standen weltweit Hunderttausende auf den Straßen – nicht aus Mitgefühl mit den über 1000 Ermordeten, sondern mit Palästina-Fahnen, „Intifada“-Rufen und teils offener Freude über das Massaker. Grössere Proteste gab es Weltweit soviel ich weiss so gut wie nie.

Nun, speziell Konflikte in die die Bundesrepublik indirekt verwickelt und praktisch für viele Tote dort verantwortlich ist, werden von staatlicher und medialer Seite aus möglichst nicht thematisiert. Stand 2017 haben wir 126 Länder weltweit mit Waffen versorgt. Und viele von denen wissen nicht mal, wie man Demokratie oder Menschenrechte auch nur schreibt.

Und unsere Presse lehnt ihre klassische Rolle als 4. Macht im Staat schon lange ab und versteht sich fast nur noch als Regierungs-Sprachrohr und wird sich hüten, durch Kritik aufzufallen. Schließlich leben wir in einem Land, dass wegen Memes auf X Razzien für angebracht hält, um die Bevölkerung maximal einzuschüchtern.

Ansonsten ist es eben so, dass die Leute sich auf das konzentrieren, was sie täglich hören. Wenn man jetzt einfach aufhört irgendetwas über die Ukraine groß zu berichten und das Thema auf die letzte Seite verbannt, ist das Ding hier in zwei Wochen vergessen. Ersetzt man die Russland-Schlagzeilen dann gegen welche über die Sudan-Krise, dauert es nur wenige Tage, bis hier die ersten auf die Straße gehen.

Die Presse lenkt, womit sich die Leute beschäftigen und was sie denken. Hätte diese geschrieben, die Ukraine wäre ein "Schurkenstaat" und Putin ihr Befreier, wären die Leute stattdessen auf der Straße um Waffen für Putin und die Bombardierung Kiews zu fordern. Es ist recht einfach und billig, die Leute zu steuern und zu manipulieren. Man muss ihnen nur das Gefühl geben, sie wären die Guten und schon machen sie, was man will.


Novar 
Beitragsersteller
 30.06.2025, 12:11

Die berühmten 126 Empfängerländer stammen aus dem Exportbericht 2017 – dort zählte schon jedes Mini-Ersatzteil als „Lieferung“. In Wirklichkeit gingen > 90 % der genehmigten Ausfuhrwerte an EU-, NATO- oder Partnerstaaten wie Australien, Japan oder Israel, also Demokratien mit vergleichbaren Standards. Bei „echten“ Großwaffen lag die Zahl der Abnehmer zuletzt unter 30; Hauptposten sind U-Boote für Israel und Südkorea, Geschützerohre für NATO-Artillerie und Ersatzteile für Leopard-Panzer in der Ukraine.

Das ganze hat doch aber eher weniger mit der eigentlichen Frage bzgl. der selektiven Demos zu tun, oder nicht?

udn was bringts, wenn man bei uns den Verkehr behindert und sich ein Stündchen empört, während die, deren Kinder dort verhungern, sich weiter fröhlich ggs die Schädel einschlagen, weil ihnen das Schädeleinschlagen wichtiger ist als dass ihre Kinder NICHT verhungern?

Das alles ist normal und absolut menschlich. Die neuen Medien und die Globalisierung überschütten ein normales, auf Familie und näheres Umfeld gepoltes Gehirn mit Myriaden von negativen Dingen azs der ganzen Welt.Ein solches Gehirn, das der grösste Teil aller Menschen hat, ist ein archaischer Überlebenszweck und auf die direkten Probleme in der näheren Umgebung geeicht. Das ist einfach so. Jeder Mensch hat nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit und Problembewältigung. Mich darum zu kümmern, warum sich ganze Bevölkerungsteile irgendwo auf der Welt die Köpfe einschlagen, während ich in meinem eigenen Land irgendwie selber durchkommen muss, obwohl, oder gerade weil man in einem 'reichen' Land lebt, wo die Lebenskosten so hoch sind, daß man den ganzen Tag unter Hochdruck racken geht. Das Gefühl, dass man sowieso in der Weltpolitik nichts ändert, spielt ebenfalls eine grosse Rolle. Überall wird das von Mächten gesteuert, die du nicht änderst mit ner Demo. Einen Putin interessiert es einen Scheiss, ob hier 100000 Leute gegen den Krueg demonstrieren. Also mach ich mein Ding, bringe meinen Beitrag für UNSERE Gesellschaft und lass die Dinge auf mich zukommen, die HIER passieren. Letzten Endes will ich ja auch mein Leben leben und mich nicht fertig machen für den gesammelten Mist dieser Welt. Das ist Aufgabe der Politiker, die sehr gern, im Rahmen deutscher Möglichkeiten, alles ausschöpfen können, und auch sollen, was möglich ist, um in den Brennpunkten dieser Welt eine Besserung zu erwirken.


Novar 
Beitragsersteller
 30.06.2025, 11:46

Ich meine deine Erklärung wirkt auf den ersten Blick vernünftig – aber sie scheitert an der Realität. Wenn du sagst, die meisten Menschen seien emotional und kognitiv überfordert mit globalem Leid, dann müsste das für alle Konflikte gelten. Doch genau das sehen wir nicht.

Schaue dir die Palästina Demos an. Plötzlich gehen überall Hunderttausende für genau einen Konflikt auf die Straße, posten, demonstrieren, kleben Plakate, hängen Flaggen aus dem Fenster – aber bei anderen Kriegen ist alles still. Also erklär mir mal, wo da die Überforderung sein soll. Die Wahrheit ist: Die Leute könnten sich für vieles interessieren – tun es aber nur, wenn es politisch oder emotional in ihr Weltbild passt. Was du als 'menschlich' beschreibst, ist in dem Fall einfach Heuchelei.

Marsreisender  30.06.2025, 11:55
@Novar

Das sind keine Hunderttausende und dort Demonstrieren hauptsächlich arabisch Stämmige, due von Grundauf Hass gegen Israel haben und den Konflikt nach Deutschland bringen. Die gleichen Leute gehen eben nicht auch für andere Konflikte auf die Strasse, was ja meine 'These' unterstützt. Es geht eben nicht um permanentes Unheil in der Welt, sondern nur um einen Jahrtausende alten religiösen Konflikt.

Novar 
Beitragsersteller
 30.06.2025, 12:00
@Marsreisender

In London alleine waren im Oktober 2023 über 100'000 Menschen an einer einzigen Demo beteiligt. Im November waren es 300'000 Menschen in London. In islamischen Ländern gab es Demos die in die Millionen gingen. In Deutschland gibt es laufend Demos mit zehntausenden Demonstranten. Genau so auch in anderen europäischen Ländern. Kein Krieg hat so eine Demo-Welle wie der Gazakrieg.

Marsreisender  30.06.2025, 12:21
@Novar

Naja, ich bin von Deutschland ausgegangen mit der Anzahl. Weil as alles hauptsächlich arabisch initiiert ist. Der Bevölkerungsanteil ist mittlerweile sehr hoch und denen geht es um ihre Brüder und Schwestern und gegen Israel, das ja mittlerweile seine Flugzeuge durch den halben arabischen Raum schickt. Ausserdem sind diese 3 Kriege, Ukraine, Syrien und Gaza direkt zu uns gebracht worden durch zb Flüchtlingsströme oder durch die Freundschaft zu Israel und gleichzeitig die Aufnahme seiner Feinde. So geht es auch anderen europäischen Ländern. Da bleibt kein Platz mehr für Konflikte ähnlicher Art. Jetzt mal ehrlich, wenn du im Fernsehen Bilder von Demos siehst, kannst du deren Zweck gar nicht mehr unterscheiden, weil zu viel ist für das menschliche Fassungsvermögen.

Novar 
Beitragsersteller
 30.06.2025, 12:32
@Marsreisender

Wenn es wirklich nur um 'Brüder und Schwestern' ginge, warum interessiert es dann keinen, wenn genau diese Brüder und Schwestern sich gegenseitig abschlachten? Wo sind die Massenproteste, wenn muslimische Milizen muslimische Dörfer niederbrennen, Kinder zwangsrekrutieren oder Frauen massenhaft vergewaltigen – wie im Sudan, im Jemen, in Syrien oder im Kongo?

Und ich denke nicht, dass es sich nur um Muslime handelt, die auf diesen Demos stehen. Wer sich die Aufrufe, Rednerlisten, Transparente oder einfach in die Demo selbst anschaut, sieht sofort: Mit dabei sind diverse linke Gruppen, antikapitalistische Bündnisse, Klimaaktivisten, postkoloniale NGOs, Kirchenleute und auffallend viele aus der LGBTQ+-Szene – also genau jene Gruppen, die in Gaza keine zwei Tage überleben würden.

Marsreisender  30.06.2025, 12:55
@Novar

Weil dort eben der normale Bürger nicht hingeht, weil es politisch ausgeschlachtet wird. Es geht nicht um Menschlichkeit, nur um politische Profilierung. Was ich eigentlich sagen will ist, daß normale neutrale Gehirn kann sich gar nicht entscheiden, gegen was oder für was es in einem solchen Konflikt Stellung beziehen soll. Es ist einfach nur absurd, was Menschen gegeneinander Austragen. Also warum sich aufregen, warum Demonstrieren, selbst wenn der Agressor feststeht und viele Menschen sterben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das passiert und man kann es nicht ändern, zumal sich nach wochen das nächste Ding irgendwo aufmacht. Man hat den Überblick verloren. Man nimmt es einfach irgendwann hin. Ist ja auch ein Eigenschutz. Sonst wirst du doch bekloppt.