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Wehrpflicht nur für Männer-rechtlich vertretbar?

Hier mal meine Gedanken dazu (von einem Zweitsemestler)

Warum eine ausschließlich männliche Wehrpflicht heute verfassungsrechtlich kaum noch möglich wäre

Auch wenn Artikel 12a GG (Wehrpflicht) und Artikel 3 GG (Gleichheitssatz) formal gleichrangig nebeneinanderstehen, kann sich der Gesetzgeber nicht einfach auf diese Gleichrangigkeit stützen, um eine Wehrpflicht nur für Männer einzuführen. Das Grundgesetz verlangt eine einheitliche und widerspruchsfreie Auslegung seiner Bestimmungen (Art. 1 Abs. 3 GG), unter besonderer Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG).

Die bloße Existenz von Artikel 12a GG rechtfertigt keine Ungleichbehandlung ohne weitere verfassungsrechtliche Prüfung. Würde man dies anders sehen, könnten theoretisch auch Normen eingeführt werden, nach denen etwa „nur schwarze Bürger Wehrdienst leisten“ oder „Frauen keine politischen Rechte haben“. Solche Regelungen wären jedoch unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 3 GG (Gleichheit) und könnten auch durch eine Verfassungsänderung nicht legitimiert werden (Art. 79 Abs. 3 GG – Ewigkeitsgarantie).

Zur Wehrpflicht im engeren Sinne: Das Bundesverfassungsgericht hielt 2002 in einer älteren Entscheidung eine Wehrpflicht nur für Männer noch für verfassungsgemäß, gestützt auf Annahmen über gesellschaftliche Geschlechterrollen. Diese Argumentation ist jedoch durch gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen weitgehend entwertet.

Seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kreil (C-285/98) im Jahr 2000 undspäter der Einführung des Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetzes sind alle militärischen Laufbahnen Frauen vollständig geöffnet. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 wurden die Diskriminierungsverbote weiter verschärft.

Wichtig ist bei einer heutigen neuen Betrachtung vor allem der Wandel der Geschlechterrollen, besonders in den vergangenen 13 Jahren. Frauen leisten heute selbstverständlich Dienst in allen Verwendungen der Bundeswehr, auch im Kampfeinsatz. Die traditionellen Rollenbilder, auf die sich die frühere Rechtsprechung stützte, sind zwar nicht völlig weg, haben jedoch zum Löwenanteil ihre tatsächliche und normative Grundlage verloren.

Ein weiterer Blick auf das Rechtliche: Das Bundesverfassungsgericht verlangt bei Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts heute eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der insbesondere Eingriffe in die Menschenwürde und in die persönliche Freiheit besonders sorgfältig geprüft werden.

Eine ausschließlich männliche Wehrpflicht ließe sich heute nur noch sehr schwer, wahrscheinlicher aber gar nicht mehr verfassungsrechtlich legitimieren. Der Gesetzgeber könnte sich nicht nur auf die formale Gleichrangigkeit von Art. 12a GG und Art. 3 GG stützen, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Eine gesetzliche Regelung dieser Art würde spätestens nach einer Verfassungsbeschwerde mit hoher Wahrscheinlichkeit an Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 und 2 GG scheitern, eine verfassungsgemäße Wehrpflicht müsste entweder alle Geschlechter gleichermaßen erfassen oder auf Freiwilligkeit beruhen.

Diese verfassungsrechtlichen Entwicklungen spiegeln sich auch im derzeit von Verteidigungsminister Boris Pistorius angestrebten neuen Dienstmodell wider, das bewusst auf Freiwilligkeit basiert. Der Umstand, dass zunächst nur Männer verpflichtet werden sollen, einen Fragebogen auszufüllen, ist in der Sache derart unerheblich, dass er kaum als gravierender Eingriff in die Freiheit eines Menschen angesehen werden könnte. Er rührt lediglich daher, dass die Rechtsberater der Bundeswehr nicht sicher waren, ob man Frauen zur Ausfüllung verpflichten durfte. Auch dieses Modell könnte sich dauerhaft nicht nur auf ein Geschlecht beziehen; allerdings betreffen diese Anpassungen eher einen längeren Zeitraum und keine unmittelbare Entscheidung.

Zusammengefasst lässt sich sagen:

Erstens sollte die Politik die bestehenden verfassungsrechtlichen Grundlagen stets im Blick behalten und keine Maßnahmen fordern, die sich in der Umsetzung als nicht realisierbar erweisen würden (was in der Praxis jedoch leider kaum realistisch ist..) Zweitens sollten die Medien sich ihrer Verantwortung bewusst sein und kein juristisches Halbwissen verbreiten, wonach „einfach so“ nur Männer eingezogen werden könnten, ohne dass eine genaue verfassungsrechtliche Prüfung erforderlich wäre. Drittens sollten sich junge Männer unter 18 Jahren keine Sorgen machen, in einer Welt, in der sie keine Rechte besitzen, die über diejenigen von Frauen hinausgehen, und in der sie, wenn auch in vernachlässigbarem Ausmaß, durch Frauenquoten benachteiligt werden, nun auch noch als einziges Geschlecht ohne weiteres zum Wehrdienst verpflichtet werden könnten.

Ich betone noch einmal, dass ich kein Volljurist bin.

Bundeswehr, Gesetzeslage, Justiz, Wehrpflicht

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