Wie wahrscheinlich, Professor für Linguistik zu werden?
Ich bin sehr interessiert an Sprachen/Linguistik und würde es gerne studieren. Die Jobaussichten sind zwar nicht so gut, aber ich könnte mir vorstellen, nach dem Master einen Doktor dranzuhängen und an der Uni als Professor zu lehren und zu forschen.
Wie realistisch ist dies? Woran wird festgemacht, wer am Ende einen Lehrstuhl bekommt? Allein an Leistungen?
7 Antworten
Das ist extrem unwahrscheinlich. Professuren gibt es wenige, noch weniger viele werden zeitlich passend frei. Die Zeit zwischen Masterabschluss und unbefristeter Stelle (von denen es wenige gibt, denn die meisten davon sind Professuren) ist prekär.
Mehr Infos zum prekären deutschen Wissenschaftssystem unter https://ichbinhanna.wordpress.com/
Professuren werden ausgeschrieben und die Person, die am besten geeignet ist auf die Stelle berufen. Viele von denen, die diesen Beruf anstreben schaffen es nie und scheiden dann aus dem Wissenschaftssystem aus. Wer den Absprung zu spät schafft, könnte sich dann mit dem Einstieg in die freie Wirtschaft schwer tun.
Du solltest direkt von Anfang an Lebenslauf-Tuning betreiben. Auslandsaufenthalt, Stipendien, Preise von Anfang an im Blick behalten und damit einige wichtige Checkboxen abhaken.
In Deutschland gibt es zwar etwa 120 bis 140 Lehrstühle, doch jedes Jahr werden nur rund 10 bis 15 neu besetzt. Es gibt ca. 50 bis 100 hochqualifizierten Bewerber pro Stelle. In klassischen Bereichen wie Allgemeiner oder Theoretischer Linguistik sind die Chancen besonders gering, während du in angewandten Feldern wie Computerlinguistik oder Neurolinguistik bessere Perspektiven hast. Jedoch um überhaupt in die engere Auswahl zu kommen, brauchst du nicht nur eine herausragende Promotion und viele Publikationen, sondern auch mehrjährige Postdoc-Erfahrung, am besten mit internationalem Profil und erfolgreichen Drittmittelprojekten. Letztlich schaffen nur etwa 5 bis 10 Prozent der Promovierten den Sprung zur Professur. Wenn du diesen Weg gehen willst, solltest du früh strategisch netzwerken, interdisziplinäre Skills aufbauen und auch einen Plan B haben, falls du das Ziel einer linguistischen Professur nicht erreichen solltest.
Anzahl der Lehrstühle (W2/W3-Professuren) für Linguistik:
- Laut Hochschulkompass (HRK) gibt es aktuell ca. 125 feste Professuren mit dem Schwerpunkt Linguistik (Stand 2023)
- Davon entfallen etwa:
- 45 auf Allgemeine/Theoretische Linguistik
- 35 auf Angewandte Linguistik (inkl. Computerlinguistik)
- 45 auf philologische Fachbereiche (z.B. Germanistische Linguistik)
- Quelle: HRK-Hochschulkompass, Fachzuordnungen
- Durchschnittlich 12-15 Neuberufungen jährlich (2020-2023)
- Tendenz leicht steigend in angewandten Bereichen
- Quelle: DGfS-Berufungsstatistik 2023
- 50-120 Bewerbungen pro Ausschreibung (Median: 78)
- Besonders kompetitiv:
- Theoretische Linguistik: Ø 112 Bewerbungen/Stelle
- Computerlinguistik: Ø 62 Bewerbungen/Stelle
- Quelle: Berufungsberichte 2019-2023 (Zentrum für Wissenschaftsmanagement)
- Nur 4-8% der Promovierten erreichen eine Professur
- Höher in Spezialgebieten:
- Klinische Linguistik: ~12%
- Korpuslinguistik: ~9%
- Quelle: Wissenschaftsrat (2022), "Nachwuchs in den Geisteswissenschaften"
Die ursprünglich genannten Zahlen (120-140 Lehrstühle, 10-15 Berufungen/Jahr, 5-10% Erfolgsquote) sind im Wesentlichen korrekt, wenn auch im oberen Bereich der Schätzungen. Die Bewerberzahlen liegen teilweise sogar höher als angegeben.
Hängt zunächst erstmal von deinem Alter ab. Wenn du mit 23 deinen Master hast, ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass du zur Promotion und Habilitation zugelassen wirst, aber wenn du z.B. erst mit 25 mit deinem Bachelor anfängst, würde ich dir dazu echt nicht raten.
Statistisch gesehen, sind deine Chancen Professorin zu werden, nicht besonders gut. Aber wenn Du dir Studium, Promotion und Habilitation zutraust und auch nach der Meinung neutraler Personen die nötige Eignung besitzt, dann mach´ es!
Verrätst du mir, woher du die Zahlen nimmst?