Sollte Abtreibung legal sein?

17 Antworten

Guten Abend!

im Grunde ist der Schwangerschaftsabbruch bereits nach § 218a StGB legal beziehungsweise straffrei, wenn die entsprechenden Voraussetzungen entweder nach Absatz 1, Absatz 2 oder Absatz 3 gegeben sind (dazu gleich). Ist eines dieser Fallgruppen gegeben, so ist ein Schwangerschaftsabbruch, ohne strafrechtliche Konsequenzen nach § 218 StGB zu befürchten, möglich.

Ob die jetzige Gesetzeslage in Ordnung ist oder ein uneingeschränkter Schwangerschaftsabbruch möglich sein sollte, ist juristisch höchst umstritten:

Der Tatbestand schützt unmittelbar das sich in Entwicklung befindliche Kind im Mutterleib und mittelbar (umstritten!) das Leben und die Gesundheit der werdenden Mutter. Schutzgut bleibt somit überwiegend das ungeborene Kind. Begründet wird dies damit, dass die Entwicklung des Kindes gleichzeitig auch die Entwicklung der Menschenwürde ist, die in Artikel 1 Abs. 1 GG geschützt wird. Die Unterbrechung dieser Entwicklung durch die eigene Willensfreiheit der werdenden Mutter, die Schwangerschaft zu irgendeinem Zeitpunkt uneingeschränkt frei abzubrechen, wäre ein erheblicher Eingriff in dieses Schutzgut und steht auch mit dem allgemeinen Sittlichkeitsgefühl innerhalb der Gesellschaft nicht überein!

Der Gesetzgeber hat mit § 218a StGB die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs geregelt. In Abs. 1 stehen die Voraussetzungen dafür. Dafür bleibt es rechtswidrig. Was allerdings mit der Rechtswidrigkeit gemeint ist, wurde nicht geklärt: Eine Auffassung meint, dass der Ausschluss nach Abs. 1 gleichzeitig einen Rechtfertigungsgrund darstellt. Es wird einem Tatbestandsausschluss gleichgesetzt. So kann man sagen, dass auch ein Abbruch nach Abs. 1 nicht rechtswidrig ist. Das alles ändert an der Straflosigkeit der Schwangeren jedoch nichts! Befindet sich die Mutter etwa aufgrund ihrer Schwangerschaft in Lebensgefahr, bei der die Wahrscheinlichkeit besteht, dass mit der Geburt schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen oder sogar der Tod der Mutter eintritt, gilt hier vorrangig der Schutz der Mutter. Hier ist ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Abs. 2 StGB straflos und rechtmäßig. Ebenso gilt das nach § 218a Abs. 3 StGB, wenn an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach §§ 176 bis 178 StGB (etwa wegen einer Vergewaltigung) begangen wurde. Problematisch halte ich es aber, dass ein Schwangerschaftsabbruch nach Absatz 3 innerhalb von zwölf Wochen durchgeführt werden muss (also innerhalb von 3 Monaten). Hier halte ich einen längerer Zeitraum durchaus für geboten. Vergewaltigungen traumatisieren Schwangere, bei der deren Willensfreiheit stark beeinträchtigt und der Schwangerschaftsabbruch innerhalb von 3 Monaten nicht zumutbar ist. Die Willensfreiheit, das Leben und die Gesundheit der werdenden Mutter geht in diesen Fallkonstellationen dem ungeborenen Kind vor!

--> Ansonsten: Je länger das Kind bis zur Geburt im Mutterleib heranwachst, desto mehr kommt es der in der Verfassung verankerten Menschenwürde nach Artikel 1 Abs. 1 GG nahe. Hier bietet der Gesetzgeber mit der jetzigen Rechtslage (bis auf das oben genannte nach Absatz 3) einen angemessenen Zeitraum, den Schwangerschaftsabbruch straffrei und (zumindest nach oder oben genannten Ansicht) rechtmäßignach § 218a Abs. 1 StGB durchführen zu lassen und dadurch einen erheblichen Eingriff in das Schutzgut des ungeborenen Kindes zu verhindern.

Juristisch hat der Gesetzgeber insgesamt einen durchaus guten Kompromiss zwischen der Willensfreiheit der Schwangeren und dem Schutz des ungeborenen Kindes (mit Ausnahme des Absatzes 3) geschlossen!

Schwierige Frage! Bleibt abzuwarten, wie darüber juristisch zukünftig entschieden wird!

Mit freundlichen Grüßen

ChaosLeopard

Woher ich das weiß:Recherche
omikron  06.11.2022, 09:36

Wo du aus dem 218 StGB Legalität herausliest, bleibt dein Geheimnis. Abtreibung ist illegal, sogar wenn die Schwangere die Abtreibung selbst vornimmt.

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Elli113  06.11.2022, 10:16
Hier ist ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Abs. 2 StGB straflos

Abbrüche nach Absatz 2 und 3 sind nicht nur straflos, sondern im Gegensatz zu Abbrüchen nach Abs. 1 ausdrücklich NICHT rechtswidrig.

Abbrüche nach Abs. 1 sind zwar straflos, aber dennoch rechtswidrig.

Aus diesem Grund ist ein Abbruch nach Abs.1 auch keine Kassenleistung, sondern muss selbst bezahlt werden.

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ChaosLeopard  06.11.2022, 10:27
@Elli113

Das stimmt. Allerdings richtet sich die Zahlung nach der Einkommensgrenze. Wenn man diese Grenze unterschritten hat, werden die Kosten des Schwangerschaftsabbruches übernommen.

Mit freundlichen Grüßen

ChaosLeopard

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Elli113  06.11.2022, 10:28
@ChaosLeopard

Auch das ist kein Automatismus. Bei keinem, bzw. geringem Einkommen muss VOR dem Eingriff ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt werden.

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Ja, ich bin absolut dafür. Wie schon einige hier schrieben - es ist ein ganz zentrales Freiheits- und Frauenrecht, selbst darüber entscheiden zu dürfen, ob man die vielen Risiken und potentiellen Folgeschäden einer Schwangerschaft und Geburt auf sich nehmen möchte. Und zwar von der Person, die diese Risiken tragen muss und niemandem sonst!

Im Gegensatz zu anderen hier finde ich die derzeitige Situation in Deutschland aber bei weitem noch nicht ausreichend oder gut.

Zum einen kann ich nach 38 Jahren als Frau und 22 Jahren davon sexuell aktiv sehr genau sagen, dass ich zu KEINEM Zeitpunkt eine Beratung und drei Tage Bedenkzeit gebraucht hätte, um eine Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft im vollen Bewusstsein über die Konsequenzen für den einen oder anderen Weg zu treffen. Dieses Thema schwingt einfach IMMER mit, sobald man sexuell aktiv ist, weil schließlich auch immer im Raum steht, dass es trotz Verhütung dazu kommen kann - Stichwort Pearl Index. Und ich kenne auch keine Frau, der es anders gehen würde in diesem Punkt. Wir beschäftigen uns alle mit der Frage, wie wir entscheiden würden, wieder und wieder! Diese Beratung und Bedenkzeit fühlt sich da echt wieder einmal so an, als würde man uns Frauen nicht mehr Entscheidungsfähigkeit als einen Kind zutrauen...

Ebenfalls sind die derzeitigen 12 Wochen einfach willkürlich gewählt. Sie folgen keiner wissenschaftlichen Begründung. Auch das halte ich für falsch. Hier sollte eine rein naturwissenschaftlich-medizinisch begründete, fundierte Frist gefunden werden, diesmal bitte ohne Mitspracherecht der Kirche...

Dass Abbrüche an sich eine Straftat und im Strafgesetzbuch geregelt sind, ist ebenfalls ein Punkt, den ich für echt übel halte. Hier würde ich mir eine Entkopplung vom StGB und eine Regelung in einem eigenen Gesetz wünschen - so, wie es auch viele Aktivist*innen tun!

Und dann halte ich es noch für einen enormen Fehler, dass die Durchführung von Abbrüchen nicht Teil der Medizinerausbildung sind. Ebenfalls würde ich mir sehr wünschen, dass mit der Wahl für die Facharztausbildung im Bereich der Frauenheilkunde auch die Verpflichtung einhergeht, diese Einbrüche durchzuführen. Wer damit einen Gewissenskonflikt hat, kann eine der vielen anderen Fachrichtungen der Medizin wählen. Aber diese beiden Aspekte sind meiner Ansicht nach zentral, um ein weiteres, immer größer werdendes Problem rund um dieses Thema zu lösen: die fehlende Versorgung mit Ärzt*innen, die diesen Eingriff überhaupt durchführen!

Ja, die Situation in Deutschland ist sicherlich nach wie vor erheblich besser als in einigen US-Bundesstaaten. Aber sie ist keineswegs rosig. Und meiner Ansicht nach sollte man sich niemals daran orientieren, wo und wie es woanders schlechter ist, sondern immer den Positivbeispielen nacheifern!

Da jeder über seinen Körper bestimmen können muss, ist Legalität nur logisch und ein Freiheitsrecht, zumindest bis zu einem Punkt, da das Kind keinen Schmerz oder sonst was empfinden kann. Beratung und Hilfsprojekte für schwangere Frauen gehören dazu. Leider ist es in rechtskonservativen Ländern und Staaten immer so, dass ungewollt Schwangere mit ihren Sorgen allein bleiben. Das muss aufhören. Es ist unerträglich.

ACBRE  03.10.2023, 23:12

Woher weißt Du, dass das abgetriebene Kind noch keine Schmerzen empfindet? Weil es nicht laut brüllt?
Im übrigen taugt das überhaupt nicht als Kriterium: Sonst könntest Du ja straffrei jeden umlegen, den Du vorher bewusstlos geschlagen hast!

Es ist wahr, dass Schwangere mit ihren Sorgen allein gelassen werden, das geschieht aber hauptsächlich in den Staaten, in denen Abtreibung erlaubt und die vermeintlich „einfache“ Lösung ist.Ich kenne viele Organisationen, die veruschen, diesen Frauen zu helfen.

Und ja, die Belange der Mutter sind wichtig. Aber jeder Mensch hat win Recht auf Leben, auch jeder ungeborene, gleich in welchem Stadium! Und es gilt immer: Das Lebensrecht ist höher anzusiedeln, als das Selbstbestimmungsrecht der Mutter. (Im übrigen fängt dieses Selbstbestimmungsrecht nicht mit der Schwangerschaft an, sondern gilt schon beim Zeugungsakt!

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Bei der Abtreibungsfrage kollidieren zwei Rechte: zum einen das Recht der Frau auf körperliche Selbstbestimmung und zum anderen das Recht auf Leben des Fötus.

Aus diesem Grund gibt es in den allermeisten Strafgesetzen dieser Welt ein Gesetz, das die Leibesfrucht in mehr oder weniger großem Ausmaß schützt.

Insbesondere schreibt das deutsche Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung bezüglich der Abtreibungsfrage:

Rechtlicher Schutz gebührt dem Ungeborenen auch gegenüber seiner Mutter. Ein solcher Schutz ist nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbietet und ihr damit die grundsätzliche Rechtspflicht auferlegt, das Kind auszutragen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die grundsätzliche Pflicht zum Austragen des Kindes sind zwei untrennbar verbundene Elemente des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes. (BVerfGE 88, 203 - Schwangerschaftsabbruch II

Ich persönlich glaube nicht, dass es tatsächlich mehr Abbrüche gäbe, wenn die bisherige Regel fallen gelassen würde. Das Konzept des rechtswidrigen, aber straffreien Abbruchs nach Beratung bis zur 14. Schwangerschaftswoche ist letztendlich eine juristische Spitzfindigkeit.

Wäre der Abbruch nach Beratung bis zur 14. Woche nicht nur straffrei, sondern auch nicht rechtswidrig, hätte das eine wesentliche Konsequenz: die Krankenkassen müssten die Kosten übernehmen. In der Praxis tun sie das aber eh schon, da Frauen mit keinem oder geringem Einkommen einen Antrag auf Kostenübernahme stellen können. Statistiken zufolge tun das etwa 90% aller Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen.

Ich bin nicht "für" Abtreibung. Ich bin für Aufklärung und Verhütung, so dass es gar nicht erst soweit kommen muss.

Dennoch kann ich akzeptieren, dass manchmal eine Frau ungewollt schwanger wird und aus Gründen, über die ich nicht zu urteilen habe, eine Abtreibung möchte und dann ist es auch "ok".

Ich halte ganz grundsätzlich ein Abtreibungsverbot für nicht zielführend.

Nur weil Abtreibungen verboten sind, heißt das ja nicht, dass es keine gibt. Es gibt sie halt dann im Ausland oder unter medizinisch, bzw. hygienisch fragwürdigen Umständen. Als der stern 1971 seine berühmte "wir haben abgetrieben"-Titelstory veröffentlichte, haben ja immerhin 374 Frauen öffentlich zugegeben, abgetrieben zu haben, obwohl es damals in Deutschland noch komplett illegal war. (Ja, okay, 373 - Alice Schwarzer zählt nicht, die hat gelogen, ich weiß).

Es gibt Frauen, die wollen einfach kein Kind. Und eine Sterilisation ist für kinderlose Frauen im gebärfähigen Alter noch schwerer zu bekommen als ein bezahlbarer Krippenplatz im Ballungsraum. Dann gibt es auch eine gar nicht mal so geringe Anzahl Frauen, die sich zuverlässige Verhütungsmittel wie Pille oder Spirale einfach nicht leisten können. Was bleibt denen denn? Enthaltsamkeit, klar. Wenn sie aber in einer Beziehung sind und der Partner "sein Recht einfordert"?

Wie schon erwähnt: Rechtekollision.

Auf der einen Seite ist die Frau und ihre Rechte und auf der anderen Seite das Ungeborene. In jedem Fall, wo es eine Kollision verschiedener Rechte gibt, muss man abwägen, welches Recht schwerer wiegt. Ein Kompromiss ist gerade bei der Abtreibung halt auch nicht möglich.

Ich persönlich habe ein Problem mit der Ansicht, dass grundsätzlich das Ungeborene wichtiger sein soll, als die Frau, in der es wächst. Wie weit geht man dann? Dürfen Schwangere nicht mehr Auto fahren, weil das gefährlich sein könnte für das Ungeborene? Dürfen Schwangere keine Kneipe mehr betreten, um geschützt zu werden vor Passivrauch? Wie viele Rechte der Schwangeren kann man einschränken, um das Ungeborene maximal zu schützen?

Das Argument von Abtreibungsgegnern "ich bin gegen Abtreibung, nur bei Vergewaltigung ist es okay" halte ich für inkonsequent. Denn wenn man gegen Abtreibung ist, weil das Leben an sich heilig ist und auf jeden Fall geschützt werden muss, was macht das Leben eines Kindes, das bei einer Vergewaltigung entstanden ist, dann weniger schützenswert?

Eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen ist wahrscheinlich immer ziemlich schwierig, auch wenn die Frau bei der Zeugung vielleicht Spaß hatte. Dass sich das Trauma möglicherweise potenziert, wenn schon die Zeugung ungewollt stattfand, ist sicher richtig, macht aber eine ungewollte Schwangerschaft an sich nicht leichter ertragbar.

Entweder man akzeptiert, dass Frauen über ihren Körper selbst bestimmen können - und zwar, ob und wann sie mit jemandem Sex haben wollen genauso wie die Tatsache, ob sie eine ungewollte Schwangerschaft austragen wollen oder nicht - oder man akzeptiert dieses Selbstbestimmungsrecht für Frauen nicht.

Ich freue mich über jede nicht notwendige Abtreibung. Aber manchmal, aus Gründen, über die ich nicht richten möchte, ist es halt für die Betroffene der einzige Ausweg. Und dieser Ausweg sollte legal und unter zumutbaren Bedingungen zur Verfügung stehen.

Definitiv, ja. Ab einer gewissen Zeit wohl nur noch unter bestimmten Umständen, aber ansonsten sollte es vollständig legal sein.