Sind wir das Produkt unserer eignen Informationssammmlung?
Unser Gehirn ist ein Profi in praktischer Wahrscheinlichkeitsrechnung. Es nimmt alle bisherigen Werte und berechnet daraus das Bild das am Wahrscheinlichsten zutrifft. Die Unterschiedlichen Weltanschauungen, Glaubenssätze und Überzeugungen und Selbstbinder mit denen wir durch die Gegend laufen sind also nichts anderes als das jeweilige Ergebnis ihres gesammeltes Wissens.
stimmt das ? und wenn ja sind wir also das Produkt der Infos die wir haben ?
Was meinst du mit "Selbstbinder" in diesem Zusammenhang?
Selbstbilder* sorry
7 Antworten
Moin,
das trifft nur bedingt zu und die Frage in welchem Ausmaß hängt von mehreren Faktoren ab.
Richtig ist erstens, dass wir selbst immer nur situativ in einem kontextbezogenen Ausschnitt aller möglichen Informationsereignisse leben, also bereits räumlich-zeitlich eine Informationsbegrenzung erfahren und allein dadurch Informationsverarbeitung bereits individualisiert wird.
Richtig ist zweitens, dass jeder Mensch eine Reihe individueller Filterfunktionen in sich trägt, die darüber entscheiden, wie wir aus einem Aufmerksamkeitsimpuls eine Information machen und wie wir diese Information in Beziehung zu anderen Informationen setzen - also einen Kontext erzeugen.
Filter können sein: Bedürfnispräferenzen, affektive Muster, Lernbiographie usw., usw., also die Frage, welche emotionale "Formatierung" a) für Aufmerksamkeit sorgt, b) wie dieses Ereignis interpretiert (decodiert) wird und c) mit welchem Bedeutungswert es in den Informationskontext eingeordnet wird.
das betrifft aber nur den die eine Hälfte von "Informationsverarbeitung" als Individuum.
Die andere Hälfte ist die Tatsache, dass es unmöglich ist, eine gefestigte, also konsistente und dauerhafte Selbstwahrnehmung als "Ich-Konzept" zu etablieren, ohne Beobachtung und Auseinandersetzung mit den gleichen Prozessen im "Alter Ego - Format".
Kurz gesagt: Es gibt kein "ich" ohne "Du".
Und hier liegt der eigentliche "Knackpunkt"
Je eingeschränkter dieser wechselwirksame Prozess des Informationsaustausches und Auswerungsvergleiches im Rahmen eines sozialen Kontextes ist, umso niedriger ist die Qualität der differenzierenden Informationsanalyse und -verknüfung und umso geringer (selektiver) ist der Umfang der Informationenbereiche, die für eine möglichst qualifizierte Verarbeitung zu Einordnungs- und Bewertungskontexten überhaupt zur Verfügung stehen.
Man kann sagen: der Ich-Anteil steigt in dem Maß wie die Auswertungsqualität sinkt. Das nennt man dann "Blase".
Im Idealfall verfügen wir über genügend kognitive und emotionale Kompetenzen, um
a) zuzulassen, dass nicht nur die eigene Informationsbasis und -verarbeitung Relevanz für meine persönliche Orientierung und Entwicklung hat sowie
b) eine gewisse Souveränität durch kritische Selbstdistanz gegenüber den eigenen Psychologismen wichtig ist, um die Wirkung von Filterprozessen (s. o.) reflektieren und kontrollieren zu können.
Hilfreich ist dabei die Verinnerlichung der Erkenntnis von 2 Dingen:
a) es gibt kein "Ich" ohne "Du"
b) Vielfalt schlägt Blase
Oder frei nach Loriot: "Ein Leben ohne Vielfalt ist möglich aber sinnlos". ;-)
Ja, im Wesentlichen ist das so. Der Punkt an dem sich alles trifft ist die Frage: Wann und Wie wird aus einem Impuls eine Information. Also: was ist Information, bzw. auf welche Weise wird ein Impuls zum Träger von Bedeutung. Auf der zweiten Ebene entsteht dann die Frage, welche Bedingungen bestimmen das Maß an Komplexität von bedeutungstragenden Strukturen.
Natürlich ist in diesem Sinne auf der Ebene einer rein formalen systemtheoretischen Analyse der Ichbegriff eine Information, die nur dadurch möglich wird, dass "das System ICH" durch einen Impuls, der außerhalb des Systems selbst liegt bei dessen Verarbeitung zum "Selbstbeobachter wird, also Kenntnis von sich als definierbarer (gebundener / formatierter) Unterschied zu seiner Umwelt bekommt.
Für den vorliegenden Sachverhalt einfach erklärt bedeutet dies, das Selbstwahrnehmung / Ich-Bewußtsein nur entstehen kann, wenn das System Inputs erhält, deren Ursprung außerhalb seiner eigenen Systemgrenzen liegen und es somit bei der Integration dieser Aufmerksamkeitsimpulse seine "Systemgrenze" erkennen und definieren und somit zu einer Information verarbeiten, also Selbstwahrnehmung generieren kann - eine Art "Spiegeleffekt", den es ohne "Spiegel" eben nicht geben kann.
Die Ich-Du - Wechselwirkung ist Teil der System-Umwelt - Kommunikation.
Dass die eingehenden Impulse für das Individuum im Sinne eines Ich-Konzeptes decodierbar sind liegt daran, dass, Verschiedenheit und Strukturgleichheit gleichzeitig vorliegen. D.h. etwas Gleiches wird in etwas, von mir Verschiedenem abgebildet und als solches zur Information über mich für mich. - Deshalb gibts es ja auch die Bezeichnung "Alter Ego".
Natürlich sind wir das Produkt unserer eigenen Informationssammlung. Eine direkte Erfahrung der Realität ist nicht möglich. Das ist alles eine Interpretation unseres Geistes mit dem Ziel, uns in unserer Welt zurecht zu finden.
Alles was wir zu wissen meinen, haben wir primär von außen entweder direkt durch unsere Sinnesorgane oder indirekt durch die Mitteilung von anderen, die auch auf Erfahrungen mit ihren Sinnesorganen beruhen. Im zweiten Schritt habe ich oder ein anderer diese Erfahrungen interpretiert und mitgeteilt. Alle Informationen die wir haben sind so entstanden.
Das klingt ziemlich stark nach einer Aussage zu der man kommen würde, wenn man das Gehirn als Künstliches Neuronales Netz betrachten würde.
Die lernen tatsächlich auf Basis der Informationen eine Wahrscheinlichkeitsverteilung und sind - von der Netz-Architektur abgesehen - tatsächlich nur das Produkt aus den Informationen.
Die Netzarchiktektur wäre dabei wohl der Genetik-Teil. Wir sind durchaus auch zum Teil ein Produkt unserer Genetik.
Jetzt weiß man allerdings natürlich, dass das Gehirn nicht nur ein einfaches Neuronales Netz ist.
Dennoch glaube ich als Naturalist daran, dass das gesamte Nervensystem (also alle lernfähigen Komponenten) das Produkt der Informationen ist, aber verzerrt durch die durch die Genetik festgeschriebene Architektur.
Nein da werden keine wahrscheinlihckeiten berechnet so funktioniert das gehirn nicht
Nicht ganz, - aber die gesammelten Informationen spielen schon eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit!
Würde ich auch sagen denn Menschen kann man nicht extrahieren
also Das bedeutet Nicht die bloße Information formt uns, sondern der Umgang damit – und vor allem der soziale Spiegel. Ohne ein Gegenüber (das 'Du') würden wir unser eigenes Ich gar nicht als solches erkennen oder hinterfragen ?