Könnten abweichende Sexualitäten von Heterosexualität von bisher unbekannten biochemischen Einflüssen manipuliert werden/worden sein?

IsaJea  25.05.2024, 21:18

Wann bzw. in welchem Status des Lebens bzw. der Entwicklung?

Dxt4879135 
Fragesteller
 25.05.2024, 21:35

Vor Geburt Familiär oder während der Schwangerschaft und/oder nach Geburt. Dabei spielt es keine Rolle ob angeboren oder nicht. Angeboren muss ja nie die tatsächliche Ursache sein.

6 Antworten

Die Forschung steht gerade vor einem Paradigmenwechsel. Inzwischen zeigtt sich nämlich, dass die ursprüngliche sexuelle Orientierung bisexuell gewesen ist; beispielsweise ist bisexuelles Verhalten im Tierreich weit verbreitet - bislang ist es bei über 1500 verschiedenen Arten aus allen Verwandtschaftsgruppen dokumentiert worden (Monk et al. 2019) und auch bei unserer Art ist Bisexualität in allen Kulturen weit verbreitet. In verschiedenen repräsentativen Umfragen aus dem Jahr 2015 aus den USA, Israel und Deutschland gaben beispielsweise jeweils mindestens ein Drittel der befragten jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren an, weder ausschließlich hetero- noch homosexuell zu sein und in einer Nachfolgestudie aus dem Jahr 2019 in Großbritannien gaben das sogar 48 %, also fast die Hälfte, an - das waren mehr als sich als ausschließlich heterosexuell (42 %) beschrieben. Eine ausschließlich auf ein Geschlecht ausgerichtete Präferenz (also Formen der Monosexualität wie etwa Hetero- oder Homosexualität) hat sich demnach evolutionsgeschichtlich wahrscheinlich erst sekundär aus einer nicht-monosexuellen (bisexuellen) Präferenz entwickelt. So gesehen ist es also streng genommen eher die ausschließliche Heterosexualität, die wir als "abweichend" bezeichnen müssten.

Über die proximaten Ursachen, warum manche Menschen bi und andere hetero oder homosexuell sind, wissen wir immer noch recht wenig. Klar ist, dass die sexuelle Orientierung angeboren ist (Bailey et al. 2016, Cook 2020, Balthazard 2021),. Die Faktoren, die unsere sexuelle Orientierung formen, müssen also noch vor der Geburt zur Wirkung kommen. Was danach in der Umwelt passiert, hat auf die Sexualität mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Einfluss mehr darauf.

Relativ klar ist mittlerweile auch, dass die Gene die sexuelle Orientierung mit bestimmen. Das wird u. a. durch Zwillingsstudien deutlich. Der Einfluss der Gene ist insgesamt aber eher klein. Die bislang umfangreichste Studie dieser Arbeit wurde 2007 veröffentlicht und stammte aus Schweden (Långström et al. 2007). Sie ermittelte, dass die Gene bei Männern nur zu etwa 34 % und bei Frauen zu erwa 18 % einen Einfluss auf die sexuelle Orientierung haben. Den weitaus größten Einfluss haben demnach vorgeburtlich wirkende individuelle Umweltfaktoren.

Außerdem ist mittlerweile klar, dass es nicht ein einziges Gen gibt, das die sexuelle Orientierung beeinflusst, sondern eine Vielzahl verschiedenster Gene daran beteiligt ist. Die sexuelle Orientierung ist damit ein polygen vererbtes Merkmal. Bereits Anfang der 1990er fand man auf dem X-Chromosom auf dem Abschnitt Xq28 einen genetischen Marker, der in Verbindung mit Homosexualität bei Männern (Hamer et al. 1993) gebracht werden konnte, bei Frauen jedoch nicht (Hu et al. 1995). Nachfolgende Studien stellten diese Assoziation danach zunächst in Frage (Rice et al. 1999), jüngere Studien bestätigten ihn aber wieder (Hamer et al. 1999, Sanders et al. 2015). Die bislang größte genomweite Assoziationsstudie (GWAS), die nach genetischen Markern, die mit gleichgeschlechtlichem Verhalten in Verbindung stehen, fand fünf genetische Marker auf den Autosomen (Ganna et al. 2019). Die Studie fand auch heraus, dass die gefundenen Marker sich mit anderen Eigenschaften wie z. B. Risikobereitschaft, Aufgeschlossenheit für neue Erfahrungen und sogar Rauchverhalten und Cannabiskonsum überlappen und der Einfluss auf die sexuelle Orientierung nur 8 bis 25 % beträgt. Die Studie unterstreicht damit die Komplexität der Genetik hinter der sexuellen Orientierung und zeigt, dass wir die Sexualität eines Menschen nicht aus seinen Genen ablesen können. Die Forschenden in der Studie suchten aber nach einer Korrelation mit homosexuellem Verhalten allgemein. Sie unterschieden also nicht zwischen Menschen, die sich tatsächlich als homosexuell identifizierten und beispielsweise Bisexuellen oder Menschen, die nur ein einziges Mal ein homosexuelles Erlebnis hatten und sonst aber heterosexuell lebten. Erst 2024 wurde erstmals eine GWAS veröffentlicht, die die genetischen Hintergründe speziell zu bisexuellem Verhalten untersuchte, also zwischen Bisexualität und Homosexualität unterschied (Song und Zhang 2024). Dabei zeigte sich, dass sich die Allele Bisexueller von denen exklusiv Homosexueller unterscheiden. Auch hier beeinflussten die genetischen Muster weitere Eigenschaften wie das Risikoverhalten und interessanterweise zeigte die Studie auch, dass bisexuelle Allele mit einer höheren Nachkommenzahl verbunden und damit möglicherweise evolutionär vorteilhaft sind.

Weniger bekannt ist bisher über die nicht genetischen Umweltfaktoren, die unsere Sexualität formen. Einen großen Einfluss auf die Entwicklung der sexuellen Orientierung könnten Hormone haben, die während der Schwangerschaft auf den Fetus einwirken. So gibt es beispielsweise eine Studie, die zeigt, dass Nachkommen häufiger bisexuell sind, wenn sie im Mutterleib höheren Konzentrationen des Schwangerschaftshormons Progesteron ausgesetzt waren (Reinisch et al. 2017).

Auch das Immunsystem der Mutter könnte einen Einfluss nehmen. Mitte der 1990er wurde eine Studie veröffentlicht, die belegte, dass Männer umso wahrscheinlicher homosexuell sind, wenn sie mindestens einen älteren Bruder haben, mit jedem älteren Bruder steigt die relative Wahrscheinlichkeit um 33 % (Blanchard & Bogaert 1996). Der Effekt wurde später Fraternal Birth Order Effect genannt und tritt nur bei Männern auf, nicht bei Frauen (Blanchard et al. 1998). Spekuliert wurde, dass das mütterliche Immunsystem während der ersten Schwangerschaft Antikörper bilden könnte gegen bestimmte y-chromosomal codierte Proteine, die beim männlichen Fetus die Gehirnentwicklung steuern. Während der nachfolgenden Schwangerschaft mit einem weiteren Sohn würde es dann zu einer Immunreaktion kommen, bei der die Antikörper genau diese Proteine angreifen und so die Gehirnentwicklung beeinflussen. 2017 wurde eine Studie veröffentlicht, die diese These stützen kann. Die Forschenden stellten darin fest, dass im Speichel von Frauen, die homosexuelle Söhne haben, deutlich mehr Antikörper gegen das Protein NLGN4Y nachweisbar sind, insbesondere, wenn ihre schwulen Söhne mehrere ältere Brüder hatten, als Mütter mit ausschließlich heterosexuellen Söhnen (Bogaert et al. 2017).

Eine weitere These bringt die Vererbung epigenetischer Muster ins Spiel (Rice et al. 2012). Die Epigenetik ist eine recht junge Disziplin in der Biologie, die sich mit den Mechanismen der Genregulation beschäftigt, bei der die Gene selbst (d. h. ihre Sequenz) nicht verändert werden. Durch chemische Veränderungen wie das Anfügen von Methylgruppen (DNA-Methylierung) oder über die Modifizierung der Verpackungsproteine der DNA, die Histone (Histon-Code), lassen sich Gene an- und ausschalten. Diese epigenetischen Muster sind beispielsweise für die Determinierung der Zellen verantwortlich. Die Zellen der Leber und des Herzens etwa haben dieselbe Erbinformation, aber eine Leberzelle kann sich nur in andere Leberzellen teilen und eine Herzmuskelzelle nur in andere Herzmuskelzellen. Ihre epigenetischen Muster unterscheiden sich, d. h. obwohl beide die gleiche DNA haben, sind in beiden unterschiedliche Gene aktiv oder inaktiviert. Solche epigenetischen Muster könnten homosexuelles Verhalten beeinflussen. Die Hypothese besagt, wenn etwa eine Mutter ihr epigenetisches Muster an einen Sohn vererbte, entwickelte sich bei ihm das gleiche Muster an- und angeschalteter Gene, sodass er dieselbe Geschlechtspräferenz entwickelte wie seine Mutter. Analog argumentiert die Veröffentlichung, führte die Vererbung des epigenetischen Musters des Vaters zur Entstehung einer lesbischen Tochter. Belege für die These gibt es aber nicht, wie die Autoren der Studie zugeben. Bei Säugetieren werden die epigenetischen Muster von Spermium und Eizelle eigentlich gelöscht und entstehen dann individuell wieder neu, sodass davon ausgegangen werden muss, dass epigenetische Muster nicht vererbt werden können. Bislang hat man noch keinen physiologischen Mechanismus entdeckt, wie unter Umständen eine epigenetische Vererbung doch möglich sein könnte. Es gibt allenfalls ein paar demographische Studien, die auf eine mögliche Vererbung epigenetischer Muster hindeuten könnten (z. B. Kaati et al. 2002).

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Dann gäbe es diese Stoffe schon so lange wie die Menschheit, und die Menschheit war nie ohne sie. Denn es gibt zig Aufzeichnungen aus Mittelalter und Antike auf allen Kontinenten in allen Kulturen. Es gibt Begräbnisse, die älter sind als Zivilisationen, in denen zwei gleichgeschlechtliche Menschen nebeneinander liegen, wie diese Gruppe sonst Paare beerdigt hat. Und Erinnerung: Nicht nur homo sapiens sapiens hat Begräbnisse veranstaltet. Auch andere Arten der Gattung homo haben dies getan.

Und wenn das so wenig aus der Menschheit wegzudenken wäre - dann ist es doch in gewisser Weise egal, oder?
Noch mehr: Wenn es so wäre, und Homo-, Bi- oder Asexualität sowie sämtliche Untergruppen davon wirklich so ungünstig und schlecht für die Menschheit wäre, dann hätte es in den Millionen an Jahren, die es Menschenartige gibt, doch irgendwann vielleicht das Entstehen einer Immunität ergeben, oder?

Nein, das ganze hängt nicht mit unbekannten Komponenten zusammen. Ohnehin, wir leben nicht im Mittelalter, wir wissen ziemlich gut, was so um uns rum ist an chemischen und auch biologischen Substanzen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin bisexuell und nichtbinär & kenne viele andere 'Queere'.

Da ich kein Biologe bin kann ich es nur mit meinem Laienhaften Verständnis erklären.

Der Link von whatamess bzgl. Homosexualität und ähnliche Forschungen zeigen derzeit auf das es weit vor der Entstehung von den Chromosomen passiert. Vermutet wird irgendwas in der Anlage vom Gehirn. Ob das nun biochemische Einflüsse sind weiß ich nicht. Es wäre aber vor der Geburt bei der Entstehung des Gehirn.

Woher ich das weiß:Recherche

Das halte ich für absurd.

Wenn dich jemand erregt und Gefühle in dir auslöst, ist es zwar auch "nur" ein chemischer Prozess... genauso wie, dass man seinen Partnerin eigentlich dem Geruch nach aussucht...

Aber das wäre schon crazy

Vielleicht momentan noch nicht aber in Zukunft bestimmt


Aeroplanus  25.05.2024, 20:26

Genau. Und "in Zukunft" beamen wie und reisen mit Warp 9,975. Ironie off. Weil wir es uns wünschen...

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Hormonstatus... Je nachdem wie die Sexualhormone akut ausgeprägt sind kann das sicherlich Einfluss haben.

Auch Stress kann Einfluss auf die Sexualität haben.. Wenn du Frauen/Männer unter Druck setzt, dann können sie devote, oder auch perverse Gedanken entwickeln.

Sieht man bspw. gut an Geschäftsleuten, die sich von einer Domina demütigen lassen.