Weil wir in einer Welt leben, in der viele Menschen irrtümlich glauben, dass freie Meinungsäußerung bedeutete, dass jede Meinung, sei sie auch noch so dumm und falsch, gleichberechtigt behandelt werden müsste. Und so kommen viele zu der Schlussfolgerung, eine "ausgewogene Berichterstattung" müsse jeder Meinung denselben Stellenwert einräumen. Wozu das führt, sieht man, wenn man sich im deutschen Fernsehen die zahlreichen abendlichen Talkformate ansieht: obwohl die Wissenschaft sich mit einer überwältigenden Mehrheit von mehr als 99 % über den Klimawandel, seine Ursachen und dessen Folgen einig ist (Lynas et al. 2021), sitzt in nahezu jeder Talkrunde mindestens ein Klimaleugner. Dasselbe gilt für andere wissenschaftliche Themen. Geht es um Corona, sitzt mindestens ein Coronaleugner im Panel, wird über Evolution gesprochen, sitzt sehr wahrscheinlich auch ein Kreationist in der Diskussionsrunde usw. Die Leute verwechseln also das Recht auf freie Meinungsäußerung (ein zweifelsohne sehr wichtiges Recht) damit, dass man jeder Meinung gleiches Gehör verschaffen müsse. Und so werden eben eine von über 99 % geteilte Ansicht und eine von gerade einmal 0.9 % geteilte Meinung als gleichwertige Alternativen präsentiert, was letztlich dazu führt, dass viele denken, dass jeder sich die Wahrheit aussuchen könne.
So funktioniert das aber nicht. Zur ausgewogenen Berichterstattung sollte es eigentlich immer gehören, die Meinungen gewichtet einzuordnen. Solange in jeder Talksendung noch Klimaleugner sitzen, führen die Diskussionen ins Leere, während außerhalb der Fernsehstudios die Polkappen fröhlich weiterschmelzen und ein Extremwetterereignis das nächste jagt. Wäre es nicht besser, man würde in solchen Sendungen erörtern, welche Maßnahmen zum Aufhalten des Klimawandels zu treffen sind als immer noch darüber zu streiten, ob es den Klimawandel nun gibt oder nicht?
Das Internet macht es außerdem nicht gerade leichter, seriöse Quellen von Dummfug zu unterscheiden. Jede und jeder kann im Netz ungefiltert beinahe alles verbreiten, auch gefälschte Fakten. Im Netz steht viel Wissen, aber eben auch eine Menge Bullshit. Und leider ist die Wissenschaftssprache für Laien oft nur schwer verständlich und fast ausschließlich in englischer Sprache verfügbar. Dank Google Scholar, Pubmed und Co. sind die wissenschaftlichen Fakten für jeden frei zugänglich - aber was nützt es, wenn nur Fachkolleginnen und Fachkollegen die Texte verstehen? Der Laie holt sich sein "Wissen" von Facebook, X und Co., wo im Prinzip alles stehen kann und nicht nachvollziehbar ist, wer der Urheber ist und woher die Fakten kommen. Was wir brauchen würden, wäre eine bessere Kommunikation der Wissenschaft mit der Gesellschaft, z. B. durch einen besseren Wissenschaftsjournalismus oder durch noch stärkere Einbindung der Gesellschaft in die Forschung.