Meinung des Tages: Sollten Autofahrer Ü-70 zu regelmäßigen Fahrtauglichkeitsprüfungen?
Die EU-Kommission plant, Personen ab 70 in Zukunft regelmäßig auf ihre Fahrtauglichkeit hin überprüfen zu lassen. ADAC und Verkehrsminister Wissing allerdings sehen hierfür keine Notwendigkeit...
Die aktuelle Lage:
Im vergangenen Jahr starben in EU-Ländern insgesamt 20.600 Menschen im Straßenverkehr. Die Europäische Union möchte auf diese immens hohe Zahl reagieren und plant, die Verkehrssicherheit mithilfe einer Führerscheinreform drastisch zu verbessern. Dadurch, dass der Alltag der Autofahrer - insbesondere in den Städten - durch Staus, Umleitungen, Baustellen, aber auch andere Verkehrsteilnehmer immer anspruchsvoller wird, blickt die EU-Kommission dabei auch auf ältere Autofahrer.
Die Pläne der EU-Kommission:
In Deutschland gibt es bei der Pkw- und Motorrad-Fahrerlaubnis kein Verfallsdatum; wer den Führerschein einmal bestanden hat, ist ein Leben lang fahrberechtigt. Nur in begründeten Fällen können Überprüfungen der Fahrtauglichkeit angeordnet werden. Das Alter alleine hingegen ist bislang kein ausschlaggebender Grund. Was in einigen EU-Ländern bereits Praxis ist, könnte in Zukunft auch in Deutschland sowie den verbleibenden EU-Ländern gelten: Nach einem Entwurf der Richtlinien sollen die Mitgliedstaaten Führerscheine von Menschen über 70 auf maximal fünf Jahre befristen. Die Begrenzung von fünf Jahren könnte u.a. dazu dienen, regelmäßige Verkehrstauglichkeitsprüfungen in Form einer Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit oder ärztliche Untersuchungen verpflichtend zu machen. Die Pläne der EU-Kommission stoßen hierzulande allerdings weitgehend auf Ablehnung...
Gegenwind von ADAC sowie dem Verkehrsminister
Obgleich es mit zunehmendem Alter zu Leistungseinbußen kommen kann, ist das Unfallrisiko älterer Autofahrer nicht signifikant höher. Da sich vor allem ältere Verkehrsteilnehmer häufig durch einen situationsangepassten und vorausschauenden Fahrstil auszeichnen, hinterfragt der ADAC die Verhältnismäßigkeit pauschaler altersbezogener Eignungsverfahren. Ähnlich sieht es auch Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP: Dieser stellt sich nicht nur vehement gegen mögliche Gesundheitschecks, sondern verweist zudem auf den Verlust von Selbstständigkeit, da ältere Menschen vor allem in ländlichen Regionen auf das Auto angewiesen sind, um Arztbesuche oder Einkäufe tätigen zu können.
Wissing zufolge sei es unrealistisch, ältere Menschen zur möglichen Eignung eine Distanz von mehreren hundert Kilometern fahren zu lassen, wenn diese weitgehend nur kurze Strecken mit dem Auto zurücklegen. Der Verkehrsminister appelliert viel mehr an das familiäre Umfeld, um ältere Menschen hinsichtlich ihrer Fahrtauglichkeit einzuschätzen und für etwaige Tests / Untersuchungen zu sensibilisieren.
Unsere Fragen an Euch: Was haltet ihr von den möglichen Plänen der EU-Kommission? Sollte Menschen ab 70 pauschal regelmäßig auf ihre Fahrtauglichkeit geprüft werden? Was spricht dafür, was dagegen? Welche anderen Maßnahmen schlagt ihr vor, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen?
Wir freuen uns auf Eure Antworten
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/fuehrerschein-wissing-100.html
https://www.adac.de/news/rentner-fahrtauglichkeit-fuehrerschein/
Das Ergebnis basiert auf 465 Abstimmungen
115 Antworten

Man kann das so oder so sehen. Alle in den Links getätigten Stellungnahmen sind Lobbylastig.
Allgemein gilt ja die Annahme, alte Verkehrsteilnehmer würden kaum schwere Unfälle verursachen und nachlassende kognitive Fähigkeiten durch defensivere, vorausschauendere Fahrweise sowie Erfahrung mehr als kompensieren. Eine kurze Recherche meinerseits ergab aber, daß diese Annahme anscheinend weder statistisch erfasst, noch nachweibar ist, weil dazu schlicht keine Daten erfasst werden. Am aussagefähigen war noch folgende Darstellung:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/03/PD23_N013_46241.html
die diese Annahme teilweise bestätigt, andererseits auch aussagt:
"Waren ältere Menschen als Pkw-Fahrerinnen oder -Fahrer in einen Unfall verwickelt, so trugen sie in mehr als zwei Drittel der Fälle (68,2 %) die Hauptschuld. Bei den mindestens 75-Jährigen wurde sogar drei von vier unfallbeteiligten Autofahrerinnen und -fahrern die Hauptschuld am Unfall zugewiesen (75,9 %).
Was dabei nicht zur Sprache kommt, ist, ob es sich bei diesen "Unfällen" überwiegend um Parkrempler und Blechschäden handelte, oder dabei auch Personen zu Schaden kamen, was m. E. nicht ganz unwesentlich ist.
Fazit:
Da der Fahrer eines Kraftfahrzeuges eine erhebliche Verantwortung für andere Verkehrsteilnehmer trägt, darf auch eine physische und kognitive Mindestleistungsfähigkeit verlangt werden. Bei jedem Lkw-Fahrer ist das selbstverständlich (verpflichtende Tauglichkeitsuntersuchung alle 5 Jahre).
Das Problem, wenn diese allgemein eingeführt werden sollte, ist, daß absehbar wie üblich in Deutschland, wenn was gemacht wird, eine Wissenschaft draus wird.
Die Mediziner hätten dann wahrscheilich am liebsten eine Flugtauglichkeitsuntersuchung für Kampfpiloten , die Fahrschulen und Gutachter einen zweiten Führerschein mit Sicherheitstraining und einer praktischen Prüfung, und beide würden, schon mit Dollarzeichen in den Augen, eine Lizenz zum Gelddrucken wittern.
Für mich (Ü50) wäre sinnvoll und akzeptabel:
Ab 50 alle 5 Jahre, ab 70 alle 3 Jahre eine simple Fahrtauglichkeitsprüfung, die auch nicht viel kosten darf: Hörtest, Sehtest (auch mit Brille/Hörgerät gültig), einfacher Reaktionstest, fertig. Die Anforderungen können auch gerne geringer sein als bei Fahranfängern, das würde der Erfahrung Rechnung tragen. Aber ein Mindestlevel sollte schon gegeben sein.

Die Häufigkeit von Überprüfungen vom Alter abhängig zu machen empfinde ich diskriminierend. Es sollten alle regelmäßig überprüft werden: Taugen die Augen noch was, muss eine Sehhilfe mittlerweile Pflicht sein, kennt die Person noch die Verkehrsregeln?
Gerne kann man das bei Fahranfängern erstmal eine ganze Weile nicht prüfen, vielleicht nach 20 Jahren und dann 3x nach 10 Jahren, dann alle 5 Jahre oder so. Aber nicht abhängig vom Alter, das wäre diskriminierend, sondern wie lange die Prüfungen her sind, für alle gleich.


Ein Überprüfung der Fahrtauglichkeit halte ich für sinnvoll, jedoch würde ich das Alter auf 80 setzen. Das Renteneintrittsalter wird früher oder später hochgesetzt werden und es wäre problematisch, wenn die Älteren nicht mehr auf Arbeit kommen.
Zusätzlich würde ich für alle Fahrer (Auto, Motorrad, LKW…) regelmäßige Fahrsicherheitstrainings gut finden.

80 ist definitiv zu spät. Bereits ab Mitte 60 lassen die kognitiven Fähigkeiten und das Reaktionsvermögen deutlich nach. Die 70 finde ich schon sehr gut als Zeitpunkt für die erste Tauglichkeitsprüfung und den 5-jährigen Rhythmus ebenfalls.
Dass das Renteneintrittsalter auf 80 angehoben wird halte ebenfalls für ausgesprochen unrealistisch.


Hmm, ich finde es ehrlich gesagt wichtiger, wenn Menschen nicht mehr fahren dürfen, wenn sie dazu nicht sicher in der Lage sind, auch wenn sie noch arbeiten müssen. Ich finde, da muss eine andere Lösung her, um zur Arbeit zu gelangen.

Ja, es wäre schon komisch, einem mit 69 noch zumuten zu wollen, regelmäßig zu arbeiten, aber kein Auto mehr fahren zu können.

80 Jahre als Grenze zu ziehen halte ich für viel zu spät. Wenn es nach mir ginge sollte man bereits mit Eintritt ins Rentenalter derartige Prüfungen machen.
Ich hatte mit 50 Jahren einen Schlaganfall mit einem linksseitigen Gesichtsfeldausfall. Ich habe danach freiwillig noch einmal die Fahrschule besucht und legte jedes Jahr eine Prüfung ab, um so sicher gehen zu können, dass ich noch in der Lage bin verantwortungsvoll zu fahren.
Da habe ich bereits in dieser Altersstufe erfahren wie wichtig es beispielsweise ist, immer wieder mal Reaktionstests zu machen, denn je älter man wird, umso schlechter wird auch die Reaktionsfähigkeit.

Eine Überprüfung ist angebracht, allerdings sollten die Anforderungen nicht so hoch sein wie bei einem neuen Führerschein. Wer schon seit 50 Jahren mit nur einem guten Auge unfallfrei fährt muss nicht den Lappen abgeben weil er nichtmehr auf die erforderlichen Prozente kommt und wer immer nur auf dem Land unterwegs ist muss keinen Grostadtverkehr meistern.
Eine Idee um einen Kompromiss zwischen Sicherheit und Selbständigkeit zu schaffen wäre eine Art Stufenführerschein mit z.B. Tempobegrenzung oder auf die Heimatregion beschränkt (sagen wir mal 30km Radius, dann kann man immernoch alles Alltägliche erledigen).
Ansonsten muss ERST eine wirklich funktionierende Infrastruktur auf dem Land aufgebaut werden bevor reihenweise Führerscheine gelocht werden und die ganzen alten Leute praktisch im Haus gefangen und nichtmehr zu einem selbständigen Leben fähig sind.
Ich denke da z.B. an meine Mutter (73): auf einem Auge schon immer blind, kommt daher kombiniert natürlich auf maximal 50% Sehkraft, 70% müsste sie heutzutage haben. Seit 1985 (auf einem Parkplatz ein Auto leicht berührt) keinen Unfall mehr gehabt. Gicht in den Knochen, daher bewegungstechnisch teils eingeschränkt (laufen tut weh)
Ohne Auto könnte sie nicht einkaufen, nicht zum Arzt, keinen Hund mehr halten, keine Bekannten besuchen, nicht zum Sport etc. De Facto müsste sie ihr Haus und Leben aufgeben und in eine betreute Wohnung ziehen weil sie nunmal nicht mal eben lange Strecken laufen kann. Selbständigkeit und Selbstbestimmung sind dann vorbei.
In einer (Groß)stadt mag das alles ganz wunderbar funktionieren aber auf dem Land geht garnichts ohne Auto.



Gutes Argument. Habe sogar ein Beispiel. Die Schwiegermutter ist in den 60ern geboren. Ähnliche Sehproblematik... Ein Auge so gut wie blind, das andere auch nicht super. Sie hat einen Führerschein, NOCH nie einen Unfall gebaut (fährt nie weit und nur im hellen). In ihrem Führerschein wurde bei Ausstellung ein Autobahnverbot eingetragen.

Meine Mutter hat keine eingetragenen Verbote, fährt aber von sich aus nicht im Dunkeln wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Für manche (weiteren) Fahrten komme ich rüber und spiele Taxi

Aus meiner langjährigen, ehrenamtlichen Tätigkeit im Rettungsdienst, kann ich sagen, dass unter den Verunfallten überwiegend jüngere Menschen sind - fahren dürfen und fahren können sind noch immer verschiedene Schuhe.....
Menschen sind unterschiedlich, was ja auch gut ist und man kann es nicht verallgemeinern, weil Ausnahmen die Regel bestätigen aber viele ältere Menschen haben jahrzehntelange Fahrpraxis, auf der Straße viel erlebt, richtig reagiert und dadurch Unfälle verhindert....
In aller Regel neigen sie nicht dazu, wie hier kürzlich jmd. schrieb, mit 250km/h über die Autobahn zu "brettern" (er hatte, nach eigenem Bekunden, "schon" 14 Tage den Führerschein), sondern fahren im Nahbereich zum Arzt, zu Verwandten, Brötchen (Semmeln) holen....also im überschaubaren Rahmen.
Gerade in ländlichen Gebieten sind auch Ältere auf ihr Auto angewiesen
Jüngeren Menschen fehlt zwangsläufig die Erfahrung - woher sollten sie die denn haben - aber dafür "leiden" sie häufig an Risikobereitschaft und oft auch Leichtsinn....und es würde ein Aufschrei durch die Nation gehen, wenn man auch die Fahrerlaubnis von Jüngeren auf fünf Jahre befristen würde oder von Untersuchungen, Fahrsicherheitstraining....abhängig machen würde...
Anstatt die Fahrerlaubnis am Alter festzumachen, sollte man auf Eigenverantwortung setzen oder aber nicht von siebzig, sondern achzig Jahren ausgehen.


Die Begründung „wenn die älteren nicht mehr auf die Arbeit kommen“ halte ich für sehr viel problematischer.
Wenn jemand aufgrund einer Überprüfung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen, den Führerschein verhält, ist mir egal wie derjenige zur Arbeit kommt, egal ob jetzt 70, 80 oder 25.
Die wichtigere Frage ist, wieso wir gesellschaftlich an einem Punkt sind, an dem wir Menschen zum arbeiten zwingen, bei denen wir uns sorgen machen müssen, dass sie nicht einmal mehr Auto fahren können.