Ich habe online eine Frau kennengelernt. Wir haben etwa einen Monat lang geschrieben, fast täglich, und es hat sich auf eine ehrliche und vertraute Weise entwickelt. Schon relativ früh hat sie mir offen gesagt, dass sie als Sexarbeiterin tätig ist. Ich habe das akzeptiert – ich war nicht auf der Suche nach etwas Festem, und ich fand es gut, dass sie ehrlich war.
Was mich allerdings irritiert hat, war die Art, wie sie über ihre Kunden sprach. Sie hat sie oft ziemlich abwertend beschrieben – als naiv, leicht zu beeinflussen, oder als Menschen, die „eh nur zahlen, um mit ihr intim zu sein“. Sie sagte das oft mit einer gewissen Überheblichkeit. Trotzdem dachte ich mir: Ich bin vermutlich nicht gemeint – wir hatten ja eine andere Art von Kontakt.
Einige Zeit später hat sie mich zu sich eingeladen. Sie hat dabei auch betont, dass ich ihr nichts zahlen müsse – es sei nichts Geschäftliches, sondern einfach ein lockeres Treffen. Also bin ich hingefahren. Der Abend war angenehm, persönlich, irgendwie sogar ein wenig romantisch.
Doch kurz bevor wir einander körperlich nähergekommen wären, sah sie mich an und sagte ruhig:
„Könntest du mir vielleicht ein bisschen was dafür geben? Ich hatte doch gerade Geburtstag.“
Das hat mich überrascht – weniger wegen des Geldes selbst, sondern weil ich plötzlich das Gefühl hatte, dass das vielleicht Teil eines wiederkehrenden Musters war. Es fühlte sich nicht mehr echt an. Eher wie eine gut verpackte Strategie.
Ich bin dann bald gegangen und habe seitdem keinen Kontakt mehr zu ihr aufgenommen. Aber die Situation beschäftigt mich bis heute.
Ich weiß, dass sie Online-Anzeigen schaltet, mit festen Preisen, bar bezahlt wird, und – soweit ich es beurteilen kann – nicht offiziell gemeldet ist. Möglicherweise erhält sie zusätzlich staatliche Leistungen. Ich könnte sie anonym melden. Das hätte wahrscheinlich ernste Konsequenzen.
Aber ich weiß auch, dass sie ein schweres Leben hatte: Sie wuchs im Heim auf, hat früh eine Krebserkrankung durchlebt, und erst vor Kurzem ihre letzte Chemotherapie hinter sich. In Videoanrufen habe ich gesehen, wie sie Medikamente nahm, und auch die Narben sind real. Das ist nichts, was sie nur behauptet.
Und jetzt frage ich mich:
Wäre es falsch, sie zu melden – oder wäre es ein berechtigter Schritt?
Ich bin innerlich zerrissen und weiß nicht, was richtig oder fair wäre.
Danke, wenn du dir die Zeit genommen hast, das zu lesen. Ich bin für jede Meinung offen.