Die erschütternde Geschichte des Judentums in Europa aus dem Geschichtsunterricht im Kopf, habe ich mich als junger Mann in meiner Geburtsstadt in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit engagiert. Juden waren für mich Träger der Kultur unseres Landes im Herzen Europas, u.a. Moses Mendelsson, Felix Mendelsson-Bartholdi, Max Liebermann, Albert Einstein, der Philosoph Karl Marx, der für den Lebensunterhalt das schrieb, was er schreiben sollte, und dessen Adepten millionenfaches Unglück über die Welt brachten; viele mutige Unternehmer, die den Industriestandort Deutschland begründeten; nicht zuletzt auch Salman Schocken, der Begründer der Kaufhauskultur im Deutschen Reich.
Dass Juden Menschen wie du und ich sind, wurde einem klar, wenn jüdische Mitbürger, die im Rampenlicht standen, z. B. Friedmann, Berggruen, Feldmann, sich Verfehlungen erlaubt hatten und am Pranger standen. Dann die Streitereien in jüdischen Gemeinden, die durch Zuzug von Juden aus Russland nach der Wende im Grunde kein deutsches Judentum mehr vertreten.
Aktuell erleben wir den Furor eines Judentums, dass ausgelöst durch das weltweit verurteilte Massaker vom 7. Oktober 2013, sichtbar jedes Maß an Menschlichkeit verloren hat. Und in allen diesen Verbrechen sonnt Netanjahu sich im Lichte der sog. Deutschen Staatsraison für den Bestand Israels. Ungeachtet dessen, dass nun auch christliche Dörfer in den palästinensischen Westbanks schutzlos dem Mob sog. Siedler ausgesetzt sind.
Hier in GF ist trotz allem die Stimmung eindeutig pro Israel. Nicht wenige Beiträge, die Palästinensern das Lebensrecht absprechen. Von allen Problemen unseres Landes scheint der Antisemitismus das größte zu sein, wenn man unserer Regierung und dem Zentralrat der Juden Deutschlands glaubt. Warum hängen vor den Synagogen dann denn die Fahnen Israels, fragt man sich vor diesem Hintergrund.
Ich persönlich sehe die Stimmung anders. Hätte mir nie vorstellen, können, dass in meinem christlich-konservativen Freundeskreis immer öfter Bezeichnungen für Juden fallen, die während der Nazidiktatur fielen. Ja, auch ich sehe mittlerweile das höhnische Gesicht Netanjahus als das Gesicht des Judentums, er, der nach allem was man hört, kein gläubiger Jude ist.